Rz. 39

Die Teilnahme an einem – rechtmäßigen – Arbeitskampf führt zur Suspendierung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Die Arbeitnehmer sind nicht zur Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet, verlieren aber gleichzeitig den Lohnanspruch.[1] Für den Urlaubsanspruch hat dies folgende Konsequenzen:

 

Rz. 40

Während der Streikteilnahme kann der Arbeitnehmer nicht zur Gewährung von Urlaub freigestellt werden; seine Arbeitspflicht ist bereits suspendiert. Eine kausale Freistellung gerade durch die Gewährung von Urlaub ist deshalb nicht mehr möglich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer zuvor erklärt, dass er sich nicht mehr an dem Streik beteiligt.[2] Dann ist die Gewährung von Urlaub wieder möglich.

 

Rz. 41

Hat der Arbeitnehmer bereits vor Beginn eines Streiks Urlaub beantragt und hat der Arbeitgeber diesen bewilligt, ändert sich durch einen Streik nichts: Der Arbeitnehmer kann den bereits bewilligten Urlaub antreten. Der Arbeitgeber muss Urlaubsentgelt zahlen.[3]

Das BAG hat bislang offengelassen, ob der Arbeitnehmer den Urlaub einseitig unterbrechen kann, um am Streik teilzunehmen.[4] Da der Arbeitgeber mit der Urlaubsgewährung den Urlaubsanspruch erfüllt, wird er von seiner Leistungspflicht frei. Diese Erfüllungshandlung kann der Arbeitnehmer durch eine konkludente oder ausdrückliche Erklärung, am Streik teilzunehmen, nicht rückgängig machen. Im Übrigen wäre allein darin, dass der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheint, nicht die konkludente Erklärung zu sehen, er beteilige sich am Streik.[5] Vielmehr müsste der Arbeitnehmer seine Teilnahme ausdrücklich oder konkludent z. B. durch tatsächliche Beteiligung am Streik, erklären. Wird die Möglichkeit der einseitigen Beendigung des Urlaubs bejaht, endet der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsentgelt mit dem Zeitpunkt des Abbruchs des Urlaubs.

Dauert der Streik über das Ende des Urlaubsjahres bzw. das Ende des Übertragungszeitraums an, verfällt der Urlaubsanspruch des streikenden Arbeitnehmers. Der Urlaubsanspruch geht nur dann nicht unter, wenn der Arbeitnehmer die Streikteilnahme beendet und den Arbeitgeber zur Urlaubsgewährung auffordert, was dieser ohne Vorliegen eines Leistungsverweigerungsrechts nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ablehnt. Damit kommt der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nach.[6]

 

Rz. 42

Liegt ein Fall der Aussperrung vor, lässt dies einen bereits bewilligten Urlaub ebenfalls unberührt[7], gleichgültig, ob er bei Beginn der Aussperrung schon angetreten ist oder erst im Laufe der Aussperrung beginnt. Mit der Bewilligung des Urlaubs für einen bestimmten Zeitraum erfüllt der Arbeitgeber seine auf dem BUrlG oder tariflichen Vorschriften beruhende Verpflichtung, den Arbeitnehmer für die Zeit des Urlaubs unter Fortzahlung der Urlaubsvergütung von der Arbeit freizustellen. Der Widerruf eines einmal bewilligten, erst recht eines bereits angetretenen Urlaubs, ist nur in Ausnahmefällen, an deren Vorliegen strenge Anforderungen zu stellen sind, zulässig. Ein solcher Widerruf muss dem Arbeitnehmer gegenüber eindeutig erklärt werden. In der bloßen Erklärung des Arbeitgebers, er sperre seine Arbeitnehmer oder eine bestimmte Gruppe derselben aus, kann jedenfalls im Regelfall ein Widerruf eines bewilligten Urlaubs nicht gesehen werden. Am Widerruf eines bewilligten Urlaubs für die Zeit der Aussperrung hat der Arbeitgeber im Übrigen regelmäßig kein Interesse. Ein Widerruf des Urlaubs würde bedeuten, dass der Urlaub, soweit er widerrufen worden ist, zu einem späteren Zeitpunkt nachgewährt werden müsste.[8]

Etwas anderes gilt dann, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich erklärt, er beziehe auch die Arbeitnehmer in die Aussperrung ein, deren Arbeitspflichten vorübergehend aus anderen Gründen suspendiert sind.[9]

[1] ErfK/Linsenmaier, 23. Aufl. 2023, Art. 9 GG, Rz. 208; ErfK/Gallner, 23. Aufl. 2023, § 1 BUrlG, Rz. 38; BAG, Urteil v. 22.3.1994, 1 AZR 622/93, NZA 1994, 1097.
[4] Offengelassen in BAG, Urteil v. 9.2.1982, 1 AZR 567/79, AP Nr. 16 zu § 11 BUrlG; BAG, Urteil v. 26.7.2005, 1 AZR 133/04, NZA 2005, 1402; bejahend GK-BUrlG/Stahlhacke, 5. Aufl. 1992, § 11 BUrlG, Rz. 68; ablehnend Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl. 2001, § 1 BUrlG, Rz. 199.
[7] ErfK/Gallner, 23. Aufl. 2023, § 1 BUrlG, Rz. 41.

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