Rz. 25

Steht ein Arbeitnehmer zu mehreren Arbeitgebern in einem Arbeitsverhältnis, entsteht in jedem Arbeitsverhältnis ein eigener Urlaubsanspruch gegenüber dem jeweiligen Arbeitgeber.[1] Das Entstehen des Urlaubsanspruchs wird auch nicht dadurch gehindert, dass ein Arbeitnehmer durch die mehrfache Beschäftigung die Höchstarbeitsgrenzen des ArbZG nicht einhält.[2]

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitnehmer arbeitet von Montag bis Freitag jeweils 8 Stunden bei Arbeitgeber A. Abends arbeitet er jeweils noch 2 Stunden in einem Bistro bei Arbeitgeber B. Weder A noch B wissen von der jeweils anderen Tätigkeit des Arbeitnehmers.

Lösung

Zwar ist der Arbeitsvertrag mit Arbeitgeber B nach § 134 BGB nichtig, da er gegen die in § 3 des Arbeitszeitgesetzes geregelte maximale wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden verstößt.[3] Das bedeutet aber nicht, dass der Arbeitnehmer deshalb keine Ansprüche gegen Arbeitgeber B auf Urlaub erworben hätte. Denn die Nichtigkeit kann nicht für die Vergangenheit, d. h. die Zeit der tatsächlich geleisteten Arbeit geltend gemacht werden. Die von dem Arbeitnehmer einmal geleistete Arbeit kann nicht wieder rückgängig gemacht werden.[4] Er hat damit gegenüber beiden Arbeitgebern Urlaubsansprüche von 20 Werktagen (24 Werktage nach § 3 BUrlG: 6 Arbeitstage × 5 individuelle Arbeitstage). Lediglich die Höhe des Urlaubsentgelts nach § 11 BUrlG differiert angesichts des Umfangs der täglichen Arbeitszeit.

Problematisch dürfte für den Arbeitnehmer generell sein, wie er den in beiden Arbeitsverhältnissen entstehenden jeweiligen Vollurlaubsanspruch verwirklicht. Ob eine Verletzung der Pflicht aus § 8 BUrlG vorliegt, wonach der Arbeitnehmer eine Erwerbstätigkeit, die dem Urlaubszweck widerspricht, nicht ausüben darf, ist fraglich. Die Norm dürfte eher Erwerbstätigkeiten erfassen, die im Urlaub anstelle der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistungen erbracht werden.[5] Will der Arbeitnehmer von jeglicher Arbeitsleistung befreit sein, wird als einzige Lösung nur der Versuch bleiben, eine gleichzeitige Freistellung in beiden Arbeitsverhältnissen zu erreichen. Auch wenn ihm dies nicht gelingt, erfüllt derjenige Arbeitgeber, der den Urlaub gewährt, den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers.[6]

 
Hinweis

Für den Fall, dass der Arbeitnehmer zwar 2 Arbeitsverhältnisse hat, jedoch die Arbeitsverpflichtungen nur aus einem Arbeitsverhältnis erfüllen kann[7], entsteht zwar in jedem Arbeitsverhältnis der Urlaubsanspruch. Der Arbeitnehmer kann jedoch nicht von beiden Arbeitgebern die Erfüllung des Urlaubsanspruchs verlangen, sondern nur von einem. Ansonsten käme es zu einer Besserstellung, weil sich der Urlaubsanspruch verdoppeln würde.[8]

[1] Vgl. hierzu auch Steuerer, § 8, Rz. 2.
[2] ErfK/Gallner, 23. Aufl. 2023, § 1 BUrlG, Rz. 18.
[3] BAG, Urteil v. 19.6.1959, 1 AZR 565/57, DB 1959, 1086; BAG, Urteil v. 14.12.1967, 5 AZR 74/67, AP AZO § 1 Nr. 2; BAG, Urteil v. 24.2.2005, 2 AZR 211/04, NZA 2005, 759; LAG Nürnberg, Urteil v. 19.9.1995, 2 Sa 429/94, LAGE § 611 BGB Doppelarbeitsverhältnis Nr. 1; Ulber, AuR 2004, 470; Baeck/Deutsch/Winzer, ArbZG, 4. Aufl. 2020, Einführung, Rz. 52 ff.
[5] Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl. 2001, § 8 BUrlG, Rz. 8.
[6] BAG, Urteil v. 25.2.1988, 8 AZR 596/85, NZA 1988, 607; NK-ArbR/Düwell, 1. Aufl. 2016, § 1 BUrlG, Rz. 27; s. auch Steuerer, § 8, Rz. 2.
[7] Vgl. Rz. 43 am Ende.
[8] BAG, Urteil v. 21.2.2012, 9 AZR 487/10, NZA 2012, 793; kritisch hierzu Fischer, FA 2012, 137 ff.

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