Rz. 12

Von der bezahlten Freistellung von der Arbeitspflicht durch Beurlaubung im Rahmen des BUrlG sind andere Arten bezahlter oder unbezahlter Freistellung – oftmals als "Beurlaubung" oder "Sonderurlaub" bezeichnet – zu unterscheiden. Diese Freistellungen können auf einer gesetzlichen, tariflichen oder arbeitsvertraglichen Grundlage beruhen. Zu denken ist hierbei an die bezahlte Freistellung wegen vorübergehender Verhinderung aus persönlichen Gründen (§ 616 BGB), die Gewährung einer angemessenen Zeit zur Stellensuche (§ 629 BGB), den Bildungsurlaub nach den Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzen einiger Länder, die Freistellung von Mitgliedern betriebsverfassungsrechtlicher Organe zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Teilnahme an Schulungen nach §§ 37 und 38 BetrVG bzw. §§ 46 und 62 BPersVG, § 14 SprAuG und § 179 SGB IX, ärztliche Untersuchung (§ 23 MuSchG), die Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (§§ 15 ff. BEEG[1]), Berufsschulpflicht und ärztliche Untersuchung bei Jugendlichen (§§ 9, 43 JArbSchG), Betreuung erkrankter Kinder (§ 45 SGB V), Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter (§ 45 DRiG, § 26 ArbGG, § 20 SGG). Tarifliche Regelungen betreffen zumeist darüber hinausgehende Freistellungen aus konkreten, oftmals aus den persönlichen Lebensumständen eines Arbeitnehmers folgenden Gründen (z. B. Eheschließung, Entbindung der Ehefrau, Todesfälle in der Familie, Erkrankung von Familienmitgliedern, Wohnungswechsel, Verhinderung wegen Ehrenämtern, Fortbildungen).

 

Rz. 13

Schließlich können Arbeitgeber und Arbeitnehmer jederzeit einvernehmlich bezahlte oder unbezahlte Freistellung für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit vereinbaren. Dies kann z. B. sinnvoll sein, wenn ein Arbeitnehmer eine Fortbildungsmöglichkeit wahrnehmen will, die wegen ihres zeitlichen Umfangs neben der Beschäftigung im Arbeitsverhältnis nicht bewältigt werden kann.[2]

 

Rz. 14

Problematisch kann es sein, wenn 2 "Urlaubs" - Tatbestände zeitlich aufeinander treffen. Zu denken ist z. B. an die Eheschließung oder die Geburt während des Urlaubs[3], einen während des Urlaubs durchgeführten Umzug oder die Tätigkeit im Rahmen von Ehrenämtern (z. B. als ehrenamtlicher Richter an Gerichtsverhandlungen, als Mitglied einer Tarifkommission an Tarifverhandlungen).

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitnehmer beantragt Urlaub im Januar für die Zeit vom 10.-14.5. (5 Arbeitstage). Dieser Urlaub wird im Februar bewilligt. Im April entscheidet sich der Arbeitnehmer umzuziehen. Der Umzug erfolgt in der Zeit des bewilligten Urlaubs. Der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Tarifvertrag sieht einen Anspruch auf bezahlte Freistellung von 2 Arbeitstagen bei einem Umzug vor. Reduziert sich der Anspruch auf Erholungsurlaub deshalb nur um 3 Tage, weil der Arbeitnehmer im Übrigen den Anspruch auf bezahlte Freistellung geltend machen kann?

Das BUrlG regelt Kollisionen nur für die Fälle der Erkrankung während des Urlaubs (§ 9 BUrlG) und der Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation (§ 10 BUrlG). Von einem allgemeinen Grundsatz dahin, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, bei "Urlaubsstörungen" Urlaub im entsprechenden Umfang nachzugewähren, kann damit nicht gesprochen werden.[4] Dagegen spricht, dass bereits durch die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub nach dem BUrlG die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers entfällt. Das hinzutretende Ereignis, das nach tariflichen oder einzelvertraglichen Regelungen einen Freistellungsanspruch begründet, kann diese Arbeitspflicht nicht ein zweites Mal entfallen lassen. Das Ereignis ist somit nicht ursächlich für die Nichterbringung der Arbeitsleistung. Der Urlaubsanspruch ist im gewährten Umfang auch tatsächlich erloschen. Er lebt nicht wieder auf. Aber auch der tarifliche oder einzelvertragliche Freistellungsanspruch kann nicht nach Ablauf des Erholungsurlaubs nachgewährt werden: Der Arbeitnehmer kann nur einmal von seiner Arbeitspflicht befreit werden.[5] Der Arbeitnehmer ist damit darauf angewiesen, dass im Tarif- bzw. Arbeitsvertrag eine entsprechende "Kollisionsregelung" vereinbart wurde. Abzulehnen ist die Auffassung, wonach zu unterscheiden ist, ob für die Dauer der Beurlaubung aus sonstigen Gründen eine Vergütungsverpflichtung besteht oder nicht.[6] Besteht sie, soll eine Anrechnung der Freistellung aus sonstigen Gründen auf den Erholungsurlaub nach dem BUrlG nicht erfolgen können. Diese Auffassung stellt zu sehr auf die Vergütungspflicht des Arbeitgebers aus § 611 BGB i. V. m. § 11 BUrlG ab und berücksichtigt nicht, dass die Vergütungspflicht generell nur einmal entstehen kann: Entweder wegen Urlaubs aus dem BUrlG oder wegen einer sonstigen bezahlten Freistellung. Maßgeblich ist der Freistellungstatbestand, der zuerst zur Freistellung geführt hat, sofern nicht eine anders lautende gesetzliche oder (tarif-)vertragliche Regelung besteht.

 

Fortsetzung Beispiel

Lösung

Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers reduziert sich im Beispiel deshalb um 5 und nicht nur um 3 Tage.

Eine "Kollisionsregelung" bzw. "Nichtanrechnungsrege...

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