Rz. 34

Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, der eine Verlängerung der Arbeitszeit begehrt, ist nur dann bevorzugt zu berücksichtigen, sofern keine dringenden betrieblichen Gründe dem Wunsch entgegenstehen (Seit 1.1.2019: § 9 Satz 1 Nr. 4 i. d. F. von Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes vom 11.12.2018[1]). Im Gegensatz zu § 8 Abs. 4 TzBfG genügt nicht das Vorliegen allein betrieblicher Gründe, vielmehr müssen diese dringend, gleichsam zwingend sein.[2] An die Ablehnungsgründe des Arbeitgebers, die mit dem zeitlichen Zuschnitt des Arbeitsplatzes nichts zu tun haben dürfen[3], sind damit strengere Anforderungen zu stellen. Während sich der Verlängerungsanspruch auf das gesamte Unternehmen erstreckt[4], ist der entgegenstehende Grund auf den Betrieb beschränkt[5].

 

Rz. 35

Eine Konkretisierung der betrieblichen Gründe erfolgt in § 9 TzBfG nicht. § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG kann aufgrund des systematischen Zusammenhangs zur Auslegung herangezogen werden. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die dort aufgezählten Umstände nur betriebliche und keine dringenden betrieblichen Gründe darstellen.[6] Zudem können sich die betrieblichen Ablehnungsgründe, da es im Anwendungsbereich des § 9 TzBfG um die Besetzung eines bereits vorhandenen Arbeitsplatzes geht, nur auf die personelle Auswahl für die Besetzung des freien Arbeitsplatzes beziehen.[7] Sie liegen z. B. vor, wenn der Teilzeitbeschäftigte persönlich nicht in der Lage ist, die längere Arbeitszeit zu verrichten[8] oder wenn er zum dringend betrieblich notwendigen Zeitpunkt der Besetzung des Vollzeitarbeitsplatzes nicht zur Verfügung steht[9] oder wenn der Arbeitgeber rechtlich verpflichtet ist, den freien Arbeitsplatz mit einem anderen Bewerber zu besetzen[10]. Die bloße Behauptung der Nachwuchsförderung als solche reicht nicht aus.[11] Diese müsste allenfalls anhand eines Altersstrukturkonzepts plausibel gemacht werden.[12] Krankheitsbedingte Fehlzeiten, die eine Beendigungskündigung nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial rechtfertigen oder den Arbeitgeber berechtigen würden, eine Änderungskündigung[13] zur Reduzierung der Arbeitszeit auszusprechen, bilden einen entgegenstehenden dringenden betrieblichen Grund i. S. d. § 9 TzBfG[14].

 

Rz. 36

Im Rahmen des § 9 TzBfG genießen die Interessen des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers grundsätzlich Vorrang.[15] Der Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ist geringer als im Rahmen des § 8 TzBfG, da lediglich die Frage nach der personellen Besetzung eines vom Arbeitgeber bereits geschaffenen Arbeitsplatzes im Raum steht. Bei einem Teilzeitwunsch nach § 8 TzBfG kann dagegen eine Umgestaltung der Arbeitsplätze erforderlich sein.

 

Rz. 37

Dringende betriebliche Gründe i. S. v. § 9 TzBfG liegen zudem bei vorrangigen Rechtsansprüchen Dritter auf den freien Arbeitsplatz vor. Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz betriebsbedingt entfällt, hat Anspruch auf den freien Arbeitsplatz, sofern er für diesen geeignet ist. Eine betriebsbedingte Kündigung dieses Arbeitnehmers wäre nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG unwirksam, weshalb ihm bei der Besetzung Vorrang zukommt.[16] Gleiches gilt für einen Beschäftigten, der einen Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung geltend macht, weil der Arbeitsplatz während der Kündigungsfrist frei geworden ist.[17] Der Vorrang der Ansprüche dieser Arbeitnehmer ergibt sich aus dem Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses.[18] Vorrangig sind auch Auszubildende nach Abschluss ihrer Ausbildung zu behandeln, die nach § 78a BetrVG oder aufgrund tarifvertraglicher Übernahmegebote einen Einstellungsanspruch haben.[19]

Stehen sich ein Anspruch aus § 8 TzBfG und einer aus § 9 TzBfG gegenüber, d. h. begehrt ein Arbeitnehmer Teilzeit und ein anderer eine Verlängerung der Arbeitszeit, genießt der Teilzeitwunsch i. S. d. § 8 TzBfG den Vorrang.[20] Der Zweck des Teilzeit- und Befristungsgesetzes liegt in der Schaffung von Arbeitsplätzen. Dieses Ziel wird vor allem durch solche Teilzeitregelungen erreicht.

 

Rz. 38

Betriebliche Gründe kommen weiterhin in Betracht, wenn der Arbeitgeber einen Beschäftigten mit entsprechender Stundenzahl benötigt, aber keinen Ersatz für den Arbeitnehmer findet, der die Arbeitszeitverlängerung begehrt bzw. wenn der Teilzeitbeschäftigte aufgrund seiner besonderen Qualifikation nicht ersetzbar ist.[21] In Anlehnung an § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG liegt ein dringender betrieblicher Grund i. S. v. § 9 TzBfG in diesem Fall aber nur vor, wenn die Nichtbesetzung des Teilzeitarbeitsplatzes zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Organisation, des Arbeitsablaufs oder der Sicherheit im Betrieb führen oder unverhältnismäßige Kosten verursachen würde.[22]

Wird der Arbeitgeber durch die Erhöhung der Stundenzahl von geringfügig Beschäftigten sozialversicherungspflichtig, liegt allein darin kein dringender betrieblicher Grund.[23] Andernfalls würde einer Arbeitszeitverlängerung bei geringfügig Beschäftigten generell ein betrieblicher Grund entgegenstehen.

[1] BGBl. 2018 I S. 2384; bis 31.12.2018...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Personal Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge