Rz. 107

Ein betrieblicher Grund, der den Arbeitgeber zur Ablehnung des Teilzeitbegehrens berechtigt, kann in einer auf der Grundlage von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG geschlossenen Betriebsvereinbarung über die Lage der Arbeitszeit liegen. Hinter einer solchen Vereinbarung müssen die Arbeitszeitwünsche der einzelnen Arbeitnehmer grundsätzlich zurückstehen.[1] Dies gilt jedoch nur, sofern der vom Arbeitnehmer gewünschte Arbeitsbeginn einen kollektiven Bezug hat.[2] Dieser Bezug fehlt, wenn die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit die Interessen der anderen Arbeitnehmer nicht berührt.[3]

Offen gelassen hat das BAG bisher, ob eine freiwillige Betriebsvereinbarung im Geltungsbereich des BetrVG (vgl. z. B. § 117 Abs. 2 BetrVG) aufgrund ihrer unmittelbaren und zwingenden Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) und der Durchführungspflicht des Arbeitgebers (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) einem Neuverteilungsanspruch entgegenstehen kann.[4] Dagegen hat das BAG entschieden, dass auch formlose Regelungsabreden der Betriebspartner betriebliche Gründe enthalten können, die die Umverteilung der Arbeitszeit verhindern können.[5]

 

Rz. 108

Eine auf der Grundlage des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG geschlossene Betriebsvereinbarung darf gemäß § 22 TzBfG keine über § 8 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 TzBfG hinausgehende Beschränkungen des Teilzeitanspruchs des Arbeitnehmers (§ 8 Abs. 1 TzBfG) enthalten.[6] So können die Betriebsparteien insbesondere nicht den Anspruch nach § 8 Abs. 1 TzBfG "kontingentieren". Die Festlegung einer sog. Überforderungsquote ist nur den Tarifvertragsparteien gemäß § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG[7] vorbehalten.[8] Allerdings können die betrieblichen Gründe i. S. d. § 8 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 TzBfG in einer Betriebsvereinbarung dokumentiert sein.[9]

 

Rz. 109

Der Arbeitgeber kann den Teilzeitwunsch des Weiteren ablehnen, sofern eine Aufteilung des Arbeitsplatzes nicht möglich ist. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass eine Aufteilung auch tageweise erfolgen kann, sodass allein die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer ganztägig benötigt wird, als betrieblicher Grund nicht ausreicht.[10] Als betrieblicher Grund kann – je nach Lage des Falls – anzusehen sein, dass keine Arbeitsplätze oder -räume zur Verfügung gestellt werden können, um dem Teilzeitanspruch gerecht werden zu können. Dies setzt allerdings voraus, dass der Teilzeitverlangende und der ihn ersetzende Arbeitnehmer aus betriebsorganisatorischen Gründen nicht den gleichen Arbeitsplatz teilen können.

Ferner kann ein betrieblicher Grund dann gegeben sein, wenn die Verringerung der Arbeitszeit zu einer Änderung der Arbeitsinhalte führt, sodass die bisherigen Merkmale einer tariflichen Vergütungsgruppe nicht mehr erfüllt werden.[11] Auch können Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer einen Ablehnungsgrund i. S. v. § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG darstellen.[12]

 

Rz. 110

Betriebliche Gründe stehen der begehrten Arbeitszeitreduzierung auch entgegen, wenn die gewünschte Arbeitszeitreduzierung eine erhebliche Störung des im Betrieb praktizierten Arbeitszeitsystems bewirkt, weil der Arbeitgeber entweder den Arbeitnehmer, der den Teilzeitwunsch äußert, oder andere mittelbar betroffene Arbeitnehmer nicht mit der gesamten Arbeitszeit einsetzen kann. Diese Störung ist schon deshalb erheblich, weil der Arbeitgeber einer Beschäftigungspflicht nicht in vollem Umfang nachkommen kann und infolgedessen u. a. Annahmeverzugsansprüche nach §§ 611a Abs. 2 (bis 31.3.2017: § 611 Abs. 1), 615 Satz 1 BGB entstehen können.[13] Soweit der Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers in der Gewährung einer wiederkehrenden zeitweiligen Arbeitsfreistellung, z. B. zwischen Weihnachten und Neujahr, besteht, können dem betriebliche Gründe im Hinblick auf berechtigte Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG entgegenstehen.[14]

 

Rz. 111

Anerkannt werden des Weiteren pädagogische Gesichtspunkte, z. B. die kontinuierliche Betreuung von Kindern durch dasselbe Personal.[15] Berufsspezifische Anforderungen auch an die Dauer der Präsenz am Arbeitsplatz und/oder die Zahl derjenigen Personen, auf die dieselbe Tätigkeit aufteilbar ist, können solche "rationalen und nachvollziehbaren" Gründe darstellen, welche bei der Beurteilung der ablehnenden Entscheidung zu beachten sind und diese schließlich rechtfertigen.[16]

 

Rz. 112

Da die Aufzählung der entgegenstehenden betrieblichen Gründe nicht abschließend ist, können dem Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers u. U. auch künstlerische Belange entgegenstehen (Schutz künstlerischer Vorstellungen gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG). Es dürfen an die Darlegung der Beeinträchtigung der Kunstfreiheit durch die begehrte Verringerung der Arbeitszeit keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Die Gründe müssen jedoch nachvollziehbar sein.[17]

 

Rz. 113

Betriebliche Gründe bestehen des Weiteren, wenn dem Arbeitnehmer im Fall der angestrebten Änderung des Arbeitsvertrags betriebsbedingt gekündigt werden könnte.[18] Dies ist z. B. möglich, wenn der Arbeitgeber die Unternehmerentscheidung trifft, künftig in d...

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