Rz. 112

Teil des Sachgrunds der Vertretung ist die Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs bei der Rückkehr des Vertretenen an den Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich davon ausgehen, dass der vorübergehend durch Krankheit, Urlaub oder ähnliche – aus Sicht des Arbeitgebers "fremdbestimmte" – Gründe an der Arbeitsleistung verhinderte Arbeitnehmer seine Tätigkeit nach dem Wegfall des Verhinderungsgrunds wieder aufnimmt.[1] Dies gilt regelmäßig auch bei wiederholten Befristungen wegen mehrfacher Vertretung desselben erkrankten oder beurlaubten Arbeitnehmers. Die Anforderungen an die Prognose steigen nicht mit zunehmender Anzahl der befristeten Arbeitsverträge.[2]

 

Rz. 113

Der Arbeitgeber ist vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit der Vertretungskraft nicht gehalten, sich bei dem erkrankten oder beurlaubten Arbeitnehmer über dessen Gesundheitszustand oder seine weiteren Planungen zu erkundigen. Nur wenn der Arbeitgeber im Ausnahmefall aufgrund der ihm vorliegenden Informationen erhebliche Zweifel an der Rückkehr des zu vertretenden Arbeitnehmers haben muss, kann dies dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nur vorgeschoben ist.[3]

 

Rz. 114

Diese Rechtsprechung hat das BAG inzwischen dahingehend präzisiert, dass der Arbeitgeber nur dann nicht mit der Rückkehr des zu vertretenden Arbeitnehmers an den Arbeitsplatz zu rechnen braucht, wenn ihm dieser bereits vor Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit der Vertretungskraft verbindlich erklärt hat, dass er die Arbeit nicht wieder aufnehmen wird. Eine lediglich unverbindliche Ankündigung reicht dazu nicht aus.[4] Solange der zu vertretende Arbeitnehmer einen Anspruch darauf hat, die Arbeit wieder aufzunehmen, darf der Arbeitgeber grundsätzlich mit dessen Rückkehr an den Arbeitsplatz rechnen.[5] Das gilt auch dann, wenn der zu vertretende Arbeitnehmer voraussichtlich für längere Zeit ausfallen wird, z. B. weil ihm eine Zeitrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bewilligt wird.[6]

 

Rz. 115

Auch die Freistellung eines Betriebsrats- oder Personalratsmitglieds von der beruflichen Tätigkeit ist geeignet, die Befristung des Arbeitsvertrags mit einer Vertretungskraft zu rechtfertigen. Der Arbeitgeber kann davon ausgehen, dass der Vertretungsbedarf mit Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats bzw. des Personalrats entfällt.[7]

 

Rz. 116

Die Prognose des Arbeitgebers zur Rückkehr des Vertretenen muss sich nicht darauf beziehen, ob der zeitweilig ausfallende vollzeitbeschäftigte Stammarbeitnehmer die Arbeit in vollem Umfang wieder aufnehmen wird. Auch wenn der zu Vertretende die Tätigkeit nur in Form einer Teilzeitbeschäftigung fortsetzt, entfällt damit jedenfalls teilweise das Bedürfnis für die Beschäftigung der Vertretungskraft. Der Arbeitgeber kann dann neu entscheiden, wie er den ggf. entstehenden Bedarf abdeckt.[8] Die Prognose des Arbeitgebers muss sich beim Sachgrund der Vertretung nur auf den Wegfall des durch die vorübergehende Arbeitsverhinderung der Stammkraft entstehenden vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs beziehen. Es kommt – anders als beim Sachgrund des nur vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG) – nicht darauf an, ob voraussichtlich nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr vorhanden sein wird.[9]

 

Rz. 117

Auch durch die vorübergehende Abordnung einer Stammkraft kann ein Vertretungsbedarf entstehen, der die Befristung des Arbeitsvertrags mit einer Vertretungskraft nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG sachlich rechtfertigen kann (sog. Abordnungsvertretung). Allerdings unterscheiden sich die Anforderungen an die Rückkehrprognose von den Fällen der vorübergehenden vollständigen Arbeitsverhinderung der zu vertretenden Stammkraft wegen Krankheit oder Beurlaubung. Bei der Abordnungsvertretung muss der Arbeitgeber berücksichtigen, dass er selbst durch die Abordnung der Stammkraft den Vertretungsbedarf herbeigeführt hat und die Rückkehr der Stammkraft an den ursprünglichen Arbeitsplatz – zumindest auch – von seinen eigenen Organisationsentscheidungen und damit von Umständen abhängt, die in seine Sphäre fallen. Anders als in den Fällen der urlaubs- oder krankheitsbedingten Abwesenheit der Stammkraft kann sich die Rückkehrprognose deshalb nicht darauf beschränken, dass die Stammkraft, sofern sie nicht verbindlich Gegenteiliges erklärt hat, auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren wird. Vielmehr muss der Arbeitgeber auch die im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags mit der Vertretungskraft bestehenden Planungen und Organisationsentscheidungen sowie alle sonstigen Umstände berücksichtigen und ggf. im Rechtsstreit darlegen, aus denen prognostiziert werden konnte, dass mit der Rückkehr der Stammkraft an den Arbeitsplatz zu rechnen war.[10]

Eine "Abordnungsvertretung" setzt außerdem voraus, dass die befristet eingestellte Vertretungskraft die abgeordn...

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