Rz. 17

Im Schrifttum ist streitig, ob unter § 11 Satz 2 TzBfG auch die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers fällt, zukünftig auf bestimmten Arbeitsplätzen nur noch Vollzeit- oder Teilzeitkräfte einzusetzen. Nach der Rechtsprechung des 2. Senats des BAG zum Kündigungsschutzrecht liegt eine verbindliche unternehmerische Organisationsentscheidung vor, wenn der Arbeitgeber beschließt, nach einem nachvollziehbaren personellen Konzept der Arbeitszeitgestaltung zukünftig in einem bestimmten Bereich nur noch Voll- oder Teilzeitkräfte zu beschäftigen.[1] Sie sei lediglich in einer Missbrauchskontrolle dahingehend zu überprüfen, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich und ob sie ursächlich für den vom Arbeitgeber geltend gemachten Änderungsbedarf sei.

 

Rz. 18

Aus den §§ 8, 9 und 11 TzBfG hat insbesondere Buschmann unter Hinweis auf europarechtliche Vorgaben abgeleitet, dass diese Rechtsprechung nicht mehr aufrechterhalten bleiben könne. Da nach der in den §§ 8 und 9 TzBfG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung der Arbeitnehmer eine Änderung der persönlichen Arbeitszeitdauer unter Umständen gegen den Willen des Arbeitgebers durchsetzen könne, könne nicht umgekehrt der Wille des Arbeitgebers eine Unternehmerentscheidung darstellen.[2]

 

Rz. 19

Nach der Gegenauffassung verfolgen das TzBfG und das KSchG jedoch unterschiedliche Regelungsziele. § 11 Satz 1 TzBfG solle die Weigerung als Kündigungsgrund ausschließen. Eine Änderung des materiellen Kündigungsrechts könne hieraus nicht abgeleitet werden. Auch bei den §§ 8, 9 TzBfG würden betriebliche Gründe, die die unternehmerische Entscheidung prägen, erheblich bleiben.[3] Die nicht rechtsmissbräuchliche Unternehmerentscheidung, für einen bestimmten Arbeitsbedarf nur Vollzeit- oder Teilzeitkräfte einzusetzen, stelle daher einen "anderen Grund" i. S. v. § 11 Satz 2 TzBfG dar.[4]

 

Rz. 20

Beide Auffassungen gehen zutreffend davon aus, dass die Lösung von dem Verständnis von § 8 Abs. 4 TzBfG abhängt. Bei § 8 Abs. 4 TzBfG geht das BAG seit der grundlegenden ersten Entscheidung[5] davon aus, dass allein der Hinweis auf freie Unternehmensentscheidungen als betrieblicher Grund im Geltungsbereich des § 8 TzBfG nicht genügt und die Prüfung, ob aufseiten des Arbeitgebers hinreichend gewichtige Gründe vorliegen, nach einer 3-stufigen Prüfungsreihenfolge zu beurteilen ist.[6] Damit übernimmt das BAG unter Hinweis auf die gesetzlichen Vorgaben des TzBfG nicht die Rechtsprechung des 2. Senats zum KSchG. Insbesondere wird bei § 8 TzBfG in der 3. Stufe geprüft, ob durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit das betriebliche Organisationskonzept wesentlich beeinträchtigt wird. Dies bedeutet nichts anderes als eine partielle Inhaltskontrolle und mittelbare Abwägung zwischen dem Antrag des Arbeitnehmers und den betrieblichen Interessen des Arbeitgebers.[7] Bei Kündigungen hält das BAG ohne Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung zu § 8 TzBfG an seiner Auffassung fest.[8] Dies führt dazu, dass die "dringenden betrieblichen Gründe" in § 1 Abs. 2 KSchG bei Kündigungen nur einer Missbrauchskontrolle unterliegen, während bei "betrieblichen Gründen" i. S. v. § 8 Abs. 4 TzBfG eine weitergehende Prüfung erfolgt.

 

Rz. 21

Der unterschiedliche Prüfungsmaßstab ist im Rahmen der bei § 11 Satz 2 TzBfG zu prüfenden "anderen Gründe" misslich. Einerseits sollte ein Wertungswiderspruch mit § 8 TzBfG vermieden werden, mit der Folge, dass nur die betrieblichen Gründe als andere Gründe nach § 11 Satz 2 TzBfG anzuerkennen sind, die umgekehrt einem Veränderungswunsch des Arbeitnehmers entgegenstehen. Andererseits kann es nicht angehen, dass eine Kündigung, insbesondere eine Änderungskündigung, die nach dem Prüfungsmaßstab des 2. Senats sozial gerechtfertigt ist, als "anderer Grund" nicht ausreicht. Solange beide Senate ihre Rechtsprechung nicht abgestimmt haben, wird bei § 11 TzBfG eine vorliegende unternehmerische Entscheidung hinzunehmen sein. § 5 Nr. 2 der Europäischen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (hierzu Rz. 1) erfordert keine weitere Begrenzung. Diese Vorschrift schließt lediglich aus, dass die Ablehnung nicht ohne sachlichen Grund als einziger Grund für eine Kündigung herangezogen wird[9].

 

Rz. 22

In der Entscheidung vom 22.4.2004[10] hat der 2. Senat im Übrigen die bisherige Rechtsprechung des BAG[11] zur eingeschränkten Vergleichbarkeit von vollzeit- und teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern bei der Sozialauswahl bestätigt.[12] § 11 TzBfG steht daher einer sachlich begründeten Organisationsentscheidung für ein bestimmtes Arbeitskonzept nicht entgegen.[13]

[1] Vgl. nur BAG, Urteil v. 3.12.1998, 2 AZR 341/98, NJW 1999, 1733.
[2] Ausführlich Buschmann/Dieball/Stevens-Bartol, TzA, 2. Aufl. 2001, § 11 TzBfG Rz. 6-9; s. auch MünchArBR/Schüren, 5. Aufl. 2021, § 46 Rz. 7 ff.
[3] Preis/Gotthardt, DB 2000, 2065, 2069.
[4] ErfK/Preis, 24. Aufl. 2024, § 11 TzBfG, Rz. 2; Sievers, TzBfG, § 11 TzBfG Rz. 12 f.; HK-TzBfG/Joussen, 6. Aufl. 2019, § 11 TzBfG Rz. 31; Meinel/He...

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