Der 4. Senat des BAG wendet bei Arbeitsverträgen, die nach dem 31.12.2001 abgeschlossen worden sind, für dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge und Tarifwerke nicht mehr die Auslegungsregel an, wonach die Bezugnahmeklausel als bloße Gleichstellungsklausel zu verstehen ist, wenn es keine innerhalb oder außerhalb der Vertragsurkunde liegenden, eine solche Annahme ausschließenden Anhaltspunkte gibt. Nach Auffassung des 4. Senats sprechen die sich seit dem 1.1.2002 aus der Einfügung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in das BGB ergebenden Bestimmungen zur Vertragskontrolle gegen die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung der bisherigen Auslegungsregel zur Gleichstellungsabrede. Sowohl die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB, als auch das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion in § 306 BGB stünden einer nicht am Wortlaut der Bezugnahmeklausel orientierten Auslegung als Gleichstellungsabrede entgegen.[1]

Der 4. Senat hat nunmehr auch klargestellt, dass es für die Beurteilung des Inhalts der Bezugnahmeklausel auf den Zeitpunkt der Vereinbarung bzw. der Änderung der Bezugnahmeklausel ankommt.

 
Hinweis

Stichtag beachten

Für die Auslegung der Bezugnahmeklausel ist der Zeitpunkt maßgeblich, an dem die Bezugnahmeklausel vereinbart worden ist. Lag dieser vor dem 1.1.2002, gelten die bisherigen Grundsätze. Ist die Bezugnahmeklausel nach dem 31.12.2001 vereinbart oder geändert worden, gelten die erhöhten Anforderungen an die Klarheit der Klausel. Werden in einem vor dem 1.1.2002 geschlossenen Vertrag nicht die Bezugnahmeklausel, sondern nur andere Vertragsbestandteile geändert, kommt es darauf an, ob die Bezugnahmeklausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht worden ist. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben sollen. Vertragsänderungen können somit dazu führen, dass der Arbeitsvertrag als Neuvertrag i. S. d. Rechtsprechung des BAG[2] gilt.

Der 4. Senat hat in seinen Entscheidungen vom 15.12.2005 und vom 18.4.2007 ausdrücklich hervorgehoben, dass die Vereinbarung einer Gleichstellungsabrede durch die Arbeitsvertragsparteien nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit auch für nach dem 1.1.2002 geschlossene Verträge möglich und rechtlich zulässig ist. Allerdings treffe den Arbeitgeber als Verwender von Bezugnahmeklauseln – wie stets bei der Vereinbarung von allgemeinen Vertragsbedingungen – die Pflicht, das jeweilige Regelungsziel für den anderen Vertragspartner mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen.[3]

Wenn in einer Bezugnahmeklausel vorgesehen ist, dass die tariflichen Bestimmungen Anwendung finden, wenn diese für den Arbeitgeber verbindlich sind, wird nach dem BAG hinreichend deutlich, dass mit der Klausel nur die Gleichstellung mit Gewerkschaftsmitgliedern bezweckt ist.[4]

 
Praxis-Beispiel

Beispiel für eine, den nunmehr geltenden strengeren Anforderungen der Rechtsprechung genügende, arbeitsvertragliche Gleichstellungsabrede

Auf das Arbeitsverhältnis finden die jeweiligen für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge Anwendung. Dies sind gegenwärtig folgende Tarifverträge: (Bezeichnung der geltenden Tarifverträge)

Durch diese Vereinbarung soll der Arbeitnehmer für den Fall, dass er nicht tarifgebunden ist, einem tarifgebundenen Arbeitnehmer gleichgestellt werden.

Der Arbeitgeber ist gegenwärtig Mitglied des Arbeitgeberverbands XY. Endet die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers z. B. durch Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband oder durch Übergang des Betriebs oder Teilbetriebs, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, auf einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber, oder ist der Tarifvertrag nicht mehr einschlägig, weil der Beschäftigungsbetrieb nicht mehr in seinem Geltungsbereich angesiedelt ist, bleiben die Tarifverträge in der zum Zeitpunkt des Wegfalls der Tarifbindung geltenden Fassung maßgeblich. Über das Ende der Tarifbindung wird der Arbeitgeber den Arbeitnehmer informieren.

Eine zwischen einem Betriebsveräußerer und einem Arbeitnehmer vereinbarte Bezugnahmeklausel geht bei einem Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 BGB auf den Betriebserwerber über. Durch den Betriebsübergang ändert sich an der Form der Bezugnahmeklausel nichts. Eine statische Bezugnahmeklausel bleibt als solche unverändert; ebenso gilt eine kleine oder große dynamische Bezugnahme auf die jeweils geltenden Tarifverträge mit dem bisherigen Inhalt weiter. Der Betriebsübergang bleibt auch ohne Auswirkung auf die Auslegung der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede.

Der Europäische Gerichtshof hat allerdings entschieden, dass eine dynamische Bezugnahme auf die jeweils geltenden Tarifverträge mit Art. 3 Abs. 1 der Betriebsübergangsrichtlinie[5] mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der negativen Koalitionsfreiheit nicht in Einklang steht.[6] Dies hätte zur Folge, dass alle Bezugnahmeklauseln – unabhängig von ihrem Inhalt – nach einem Betriebsübergang nu...

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