Die Formulierung einer in einem Formulararbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahmeklausel muss eindeutig sein. Dies gilt auch für Vertragsklauseln, die als Bezugnahmeklausel ausgelegt werden könnten. Nach § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders. Die sog. Unklarheitenregel beruht auf dem Gedanken, dass es Sache des Verwenders (Arbeitgebers) ist, sich klar und unmissverständlich auszudrücken. Bleiben nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel über den Inhalt oder die Reichweite einer Bezugnahmeklausel, ist nach § 305c Abs. 2 BGB die Auslegung der Vertragsklausel zu wählen, die für den Arbeitnehmer günstiger ist. Auf die Unklarheitenregel darf aber nur zurückgegriffen werden, wenn trotz Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel verbleiben.[1]

 
Praxis-Beispiel

Bedeutung der Unklarheitenregel

In einem Formulararbeitsvertrag sind folgende Regelungen enthalten:

Zitat

§ 2 Der Arbeitnehmer erhält folgende Vergütung:

VergGr. 6 BAT = 1.000 EUR

Ortszuschlag =  750 EUR

Allgemeine Zulage i. H. v. 75 EUR.

§ 14 Für die Arbeitsbedingungen im Übrigen gelten die Bestimmungen des BAT.

Im obigen Beispiel ist wegen der Angabe der tariflichen Vergütungsgruppe in § 2 des Vertrags nicht eindeutig, ob die im Vertrag aufgeführten Beträge als Festbeträge vereinbart worden sind oder ob sie sich entsprechend den tariflichen Steigerungsbeträgen in der Vergütungsordnung zum BAT laufend erhöhen. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hätte der Arbeitgeber diesen Punkt durch eine entsprechend deutliche Formulierung des § 2 im Arbeitsvertrag klarstellen müssen. Da er dies versäumt hatte, hat das BAG die obige Klausel nach der Auslegungsregel in § 305c BGB als dynamische Verweisung auf den jeweils geltenden Tarifvertrag ausgelegt.[2] Der Arbeitgeber hat es also durch sorgfältige Formulierung seiner Arbeitsverträge in der Hand, Streitfragen zu vermeiden; z. B. hätte die Möglichkeit bestanden, in § 2 ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es sich um einen Festbetrag handelt oder die Modalitäten für die Gehaltsanpassung eindeutig in den Vertragstext aufzunehmen.

Als hinreichend klar hat das BAG die in einem Arbeitsvertrag enthaltene Bezugnahme "Der Urlaub richtet sich nach den einschlägigen tariflichen Regelungen" angesehen. Diese Verweisung ist regelmäßig als Bezugnahme auf den gesamten tariflichen Regelungskomplex "Urlaub" zu verstehen, zu dem auch ein tarifliches Urlaubsgeld gehören könne.[3]

Die Unklarheitenregel hat auch Bedeutung für die Auslegung einer Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, wenn die Tarifbindung des Arbeitgebers endet oder der Betrieb von einem Erwerber übernommen wird. Einzelheiten dazu unter Dynamische Verweisung.

Eine Bezugnahmeklausel sollte klarstellen, auf welchen Tarifvertrag verwiesen wird, wenn im Betrieb mehrere Tarifverträge Anwendung finden. Insbesondere bei der sog. großen dynamischen Bezugnahmeklausel, bei der auf "die für den Betrieb geltenden Tarifverträge" verwiesen wird, ist ggf. unklar, welche Tarifverträge damit gemeint sein sollen. Zwar ist durch das Gesetz zur Tarifeinheit geregelt, wie Tarifpluralitäten aufgelöst werden. Für Bezugnahmeklauseln muss das aber nicht zwingend heißen, dass jeweils nur auf denjenigen Tarifvertrag verwiesen werden soll, der sich nach § 4a Abs. 2 TVG durchsetzt. Denkbar – wenn auch wenig sinnvoll – ist auch der Verweis auf den verdrängten Tarifvertrag. Eine Klarstellung ist in jedem Fall von Nöten. Ohne klarstellende Regelung wird man den Verweis wie den Verweis auf einen nichtigen Tarifvertrag behandeln müssen.[4]

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