Die einzelvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge ist grundsätzlich an keine Form geknüpft. Zwar sieht § 1 Abs. 2 TVG für den Abschluss von Tarifverträgen die Schriftform vor, die bloße Verweisung der Arbeitsvertragsparteien auf den Tarifinhalt wird aber schon vom Wortlaut dieser Norm nicht erfasst. Nur wenn für den Abschluss des Arbeitsvertrags gesetzlich oder vertraglich ein bestimmtes Formerfordernis besteht, hat auch die Inbezugnahme des Tarifvertrags in dieser Form zu erfolgen.

 
Praxis-Beispiel

Schriftformerfordernis bei Berufsausbildungsverträgen

Nach § 11 BBiG bedürfen der Abschluss des Berufsausbildungsvertrags und die Vereinbarung bestimmter Vertragsbestimmungen der Schriftform. Dementsprechend muss in diesen Fällen auch die einzelvertragliche Vereinbarung eines Tarifvertrags oder Teilen hiervon schriftlich erfolgen.

Aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 NachwG folgt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen schriftlichen Nachweis übergeben muss, in dem ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, enthalten ist. Dies ist allerdings kein eigentliches Schriftformerfordernis. Das Fehlen des Hinweises hat keine Konsequenz für die Anwendbarkeit oder Nicht-Anwendbarkeit von Tarifverträgen. Ggf. entstehen jedoch Schadensersatzansprüche, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der mangelnden Kenntnis von auf das Arbeitsverhältnis anwendbarer Tarifverträge Ansprüche nicht rechtzeitig geltend macht.[1]

Häufig wird im Arbeitsvertrag für die Änderung seines Inhalts die Schriftform vorgeschrieben. Sofern nach seiner Unterzeichnung tarifliche Regelungen Vertragsgegenstand werden sollen, stellt dies eine Vertragsänderung dar. Die Inbezugnahme hat dann schriftlich zu erfolgen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn im Arbeitsvertrag eine sog. dynamische Verweisung auf den Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung enthalten ist. Ändert sich nach Vertragsunterzeichnung der Inhalt des in Bezug genommenen Tarifvertrags, werden auch dessen geänderte Bestimmungen ohne besondere Änderung des Arbeitsvertrags Vertragsgegenstand.

Die Inbezugnahme eines Tarifvertrags kann bei Fehlen eines Schriftformerfordernisses grundsätzlich konkludent oder sogar durch eine stillschweigende Vereinbarung erfolgen, wenn bei der praktischen Durchführung des Vertragsverhältnisses eindeutige Anhaltspunkte für einen übereinstimmenden Vertragswillen beider Parteien sprechen. Eine stillschweigende Übernahme des Tarifvertrags ist etwa anzunehmen, wenn die Parteien längere Zeit die für den Betrieb einschlägigen Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis vorbehaltlos angewendet haben.[2]

Dementsprechend kann die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag auch per betrieblicher Übung entstehen. Wendet ein tarifgebundener Arbeitgeber die Tarifverträge in allen Belangen auch für tarifungebundene Arbeitnehmer an, gilt dies auch für Haussanierungstarifverträge, die einen Anspruch auf tarifliche Sonderleistungen ausschließen, zu Ungunsten des Arbeitnehmers.[3]

Gibt allerdings ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber wiederholt Tariferhöhungen an seine Arbeitnehmer weiter, so soll diese Anwendung nur statisch gelten, auf Entgelterhöhungen durch zukünftige Tarifverträge haben die Arbeitnehmer keinen Anspruch.[4] Allerdings befreit die grundsätzliche Formfreiheit der Inbezugnahme nicht von der allgemeinen Verpflichtung des Vertragsrechts, den Vertragsinhalt hinreichend sicher zu bestimmen. So muss aus der Vereinbarung deutlich werden, ob überhaupt und ggf. in welchem Umfang eine Verweisung erfolgen soll.

 
Hinweis

Einzelvertragliche Verweisung stets schriftlich vereinbaren

Aus Gründen der Rechtsklarheit und wegen der Vorschriften des Nachweisgesetzes kann nur dringend empfohlen werden, die einzelvertragliche Verweisung eines Tarifvertrags stets schriftlich zu vereinbaren. Gegenstand der schriftlichen Vereinbarung sollte zumindest sein, welcher Tarifvertrag oder welche einzelnen Bestimmungen aus einem Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.

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