Innerhalb des Praktikantenbegriffes ist gerade auch mit Blick auf § 22 MiLoG eine weitere Differenzierung zwischen Pflichtpraktikanten und freiwilligen Praktikanten notwendig.

Pflichtpraktikanten oder auch sog. "echte Praktikanten" sind solche, die ein Praktikum absolvieren, das von einer Prüfungsordnung zwingend vorgesehen ist (studien- bzw. ausbildungsbegleitende Praktika). Bei ihnen erfolgt das Tätigwerden als Praktikant im Rahmen der Prüfungsordnung. Im Vordergrund steht das jeweilige Studium oder die jeweilige Ausbildung, dessen Bestandteil das Betriebspraktikum ist. Merkmale eines Pflichtpraktikanten sind daher,

  • dass er die Tätigkeiten im Rahmen eines von der Prüfungsordnung zwingend vorgesehenen Praktikums erbringt und
  • die Tätigkeiten denjenigen entsprechen, die von der Prüfungsordnung verlangt werden und
  • mögliche andere Arbeitsleistungen nicht Gegenstand des Praktikumsverhältnisses sind, sondern sich allenfalls "bei Gelegenheit" ergeben.

Pflichtpraktikanten sind arbeitsrechtlich weder Arbeitnehmer, noch ist das BBiG unmittelbar auf sie anwendbar.[1] Letzteres ergibt sich bereits aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, wonach das Gesetz nicht für die Berufsbildung gilt, die in berufsqualifizierenden oder vergleichbaren Studiengängen an Hochschulen auf der Grundlage u. a. der Hochschulgesetze der Länder durchgeführt wird. Dazu gehören grundsätzlich auch Studiengänge an staatlich anerkannten privaten Hochschulen. Das BBiG gilt jedoch nur insoweit nicht, als dass das Praktikum durch staatliche Entscheidung anerkannt ist. Darüber hinaus können sich Pflichtpraktikanten nicht auf die Arbeitnehmerschutzrechte berufen. Sie genießen z. B. keinen Kündigungsschutz, haben keine Urlaubsansprüche und erhalten keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Bei einer Kündigung gelten keine Kündigungsfristen. Es kommt damit selbst dann kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Praktikant während des Praktikums auch verwertbare Arbeitsleistungen erbringt. Die Pflichtpraktikanten fallen seit dem 1.1.2018 aber in den Geltungsbereich des Mutterschutzgesetzes.[2]

 
Hinweis

Form der Kündigung

Auch wenn das Schriftformerfordernis gemäß § 623 BGB bei der Kündigung keine Anwendung auf Pflichtpraktikanten findet, ist dennoch eine schriftliche Kündigung aus Nachweisgründen anzuraten.

Pflichtpraktika sind nicht vergütungspflichtig. Mangels Anwendbarkeit des BBiG besteht weder ein Anspruch gemäß §§ 17, 26 BBiG auf eine angemessene Vergütung noch auf Zahlung des Mindestlohns. Wenn Leistungen erbracht werden, die über das für das Pflichtpraktikum erforderliche Maß hinausgehen, kann jedoch ein Vergütungsanspruch im Einzelfall bestehen.[3]

Von den Pflichtpraktikanten sind diejenigen Mitarbeiter zu unterscheiden, die ein freiwilliges Praktikum ableisten, welches die Studien-, Ausbildungs- oder Prüfungsordnung nicht vorschreibt. Freiwillige Praktikanten "schnuppern" meist unabhängig von ihrer Ausbildung in einer Firma, um dort erste Kontakte zu knüpfen, ihr Studium mitzufinanzieren und sich ein Bild von einer möglichen späteren Beschäftigung zu machen. Bei freiwilligen Praktikanten steht der Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten im Vordergrund und nicht der Verdienst.

Auf freiwillige Praktikanten findet das Recht der Ausbildung über den Verweis des § 26 BBiG Anwendung. Insbesondere finden bei ihnen die Regelungen zur Begründung des Ausbildungsverhältnisses, die gegenseitigen Pflichten zwischen Auszubildenden und Ausbilder und auch die besonderen Regelungen zur Kündigung Anwendung. Am wichtigsten ist jedoch, dass im Gegensatz zum "echten" Praktikanten eine gesetzliche Pflicht zur Zahlung einer angemessenen Vergütung besteht.[4] Seit dem 1.1.2015 ist das Mindestlohngesetz zu beachten, wenn das Praktikum sich im Bereich des Mindestlohngesetzes bewegt.[5] Daneben ist das sonstige Recht der Arbeitsverhältnisse (Kündigungsschutzgesetz, Urlaubsrecht etc.) zu berücksichtigen. § 78a BetrVG ist in der Regel nicht auf Praktikanten anwendbar.[6] Praktikanten können nur dann den Schutz des § 78a BetrVG in Anspruch nehmen, wenn sie eingestellt wurden, um berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen zu erwerben, nach dem Ausbildungsvertrag oder tariflichen Vorschriften ein geordneter Ausbildungsgang vorgeschrieben ist und die Dauer der Ausbildung mindestens 2 Jahre beträgt.[7]

 
Hinweis

Vergütung

Die Frage nach der Verpflichtung, die Tätigkeit des Praktikanten zu vergüten, ist somit abhängig vom Zweck des Praktikums. Eine Pflicht zur Vergütung besteht nur bei freiwilligen Praktikanten.[8] Auch dem Pflichtpraktikanten kann aber eine Aufwandsentschädigung oder Beihilfe gezahlt werden. Dies hat allerdings sozial- und lohnsteuerrechtliche Auswirkungen.

[3] S. insofern z. B. BeckOK ArbR/Hagen, BBiG § 26, Rz. 4-5, Stand: 1.9.2019; BAG, Urteil v. 10.2.2015, 9 AZR 289/13.
[5] Vgl. Abschn. 1.1.6.
[6] Richardi/Thüsing, BetrVG, § 78a, Rz. 6.

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