Werden Unternehmen durch Streiks ganz oder teilweise lahmgelegt, kann sich dies in mehrfacher Hinsicht auf andere Unternehmen oder Personen auswirken, die selbst nichts mit dem Arbeitskampf und seinen Zielen zu tun haben:

  • Das bestreikte Unternehmen kann versuchen, dringende Produktionen in andere Unternehmen zu verlagern. Diese können wirtschaftlich verbundene aber auch solche sein, die normalerweise in Konkurrenz stehen. Die dort Beschäftigten stehen dann vor einem Solidaritätsproblem: Müssen sie auch insoweit ihrer vertraglichen Arbeitsleistungspflicht genügen und somit dazu beitragen, dass dem anderweitig ausgebrochenen Streik ein Teil seiner Wirkung genommen wird?
  • Von größerer praktischer Bedeutung sind die Beschäftigungsmöglichkeiten in Drittunternehmen, hindernde oder sie einschränkende Auswirkungen: Auch, aber nicht nur, infolge von Schwerpunktstreiks können die beim bestreikten Unternehmen eintretenden Produktions- oder Dienstleistungsausfälle bei Drittunternehmen zu Gewinneinbußen sowie dazu führen, dass für die im bestreikten Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer keine oder jedenfalls keine wirtschaftlich sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeiten mehr bestehen.
 
Praxis-Beispiel

Dienstausfälle bei Drittunternehmen

Die aufgrund vertraglicher Dauerbeziehungen von dem bestreikten Unternehmen der Elektroindustrie bezogenen Vorprodukte für die Fertigung von Kraftfahrzeugen bleiben beim Kfz-Hersteller aus. Produzierte Waren können nicht mehr ausgeliefert werden, weil die durch einen Rahmenvertrag beauftragten Transportunternehmen bestreikt werden. Das Datenverarbeitungssystem einer Verwaltung bricht zusammen, kann durch die internen Fachkräfte nicht wieder hergestellt werden; das Unternehmen, das die Anlage installiert hat und wohl allein in der Lage ist, sie wieder in Gang zu setzen, wird bestreikt.

Hier stellen sich 2 Fragen: Wer hat im Drittunternehmen das Wirtschaftsrisiko, wer das Beschäftigungsrisiko zu tragen? Sobald es zu Beschäftigungshindernissen kommt: Kann insoweit auf die Hilfe der Bundesagentur für Arbeit zurückgegriffen werden?

Schließlich können durch Arbeitskämpfe Kundenbeziehungen gestört, die Abwicklung geschlossener Verträge behindert, verzögert oder gänzlich verhindert werden.

12.6.1 Streikarbeit in Drittunternehmen

Anders als bei direkter Streikarbeit, bei der es um Tätigkeiten innerhalb des bestreikten Unternehmens geht, die bisher von einem der Streikenden erledigt worden sind, gibt es nach überkommener Rechtsauffassung kein individuelles Leistungsverweigerungsrecht für die mit indirekter Streikarbeit Beauftragten. Abhängig von nicht bestreikten Drittunternehmen Beschäftigte, die für bestreikte Unternehmen ausgelagerte Produktionen übernehmen sollen, können sich nach herrschender Auffassung nicht individuell darauf berufen, ihre Solidarität verbiete ihnen die Übernahme der verlagerten Tätigkeiten. Es ist Sache der Gewerkschaft, bei dem Drittunternehmen einen – hier wohl regelmäßig statthaften[1] – Unterstützungsstreik zu organisieren. In diesem Sinne besteht im Drittunternehmen unter dem Gesichtspunkt der Solidarität eine Art kollektiven Zurückbehaltungsrechts, das aber die Mitwirkung der streikleitenden Gewerkschaft verlangt. Ohne eine solche kollektive Legitimation aus der Tarifautonomie kann der einzelne Arbeitnehmer die arbeitsvertraglich übernommene Pflicht zur Arbeitsleistung nicht sanktionslos verletzen.

[1] Vgl. BAG, Urteil v. 20.12.1963, 1 AZR 157/63.

12.6.2 Die Bedeutung der Arbeitskampfrisikolehre für die von einem Streik mittelbar Betroffenen

Die Lehre von der Verteilung des Arbeitskampfrisikos[1] kann in Drittbetrieben nicht ohne weiteres so angewendet werden, wie sie nach herrschender Rechtsauffassung innerhalb des (teil-)bestreikten Unternehmens gilt. Die Lage ist hier ähnlich wie bei der Behandlung indirekter und direkter Streikarbeit. Bei indirekter Streikarbeit in Drittunternehmen kann man nicht ohne weiteres aus allgemeinen Solidaritätsgedanken Sonderrechte für einzelne Arbeitnehmer ableiten. Ebenso wenig reicht auch der Umstand, dass die hier zu behandelnden Störungen in Drittbetrieben irgendwie auf Arbeitnehmerverhalten zurückgehen, allein nicht aus, die Risiken hieraus abweichend zu verteilen. Es bleibt beim Grundsatz, dass der Arbeitgeber, der die Organisationsgewalt im Unternehmen hat, auch das Organisationsrisiko, und damit sowohl das Wirtschafts- als auch das Beschäftigungsrisiko zu tragen hat.[2]

Andererseits kann die uneingeschränkte Möglichkeit, den Druck auf den sozialen Gegenspieler in Teil- oder Schwerpunktstreiks in dafür besonders geeigneten Betrieben ohne wirtschaftliches Risiko für die mittelbar betroffenen Arbeitnehmer überproportional zu erhöhen, zu einer Verschiebung der Kampfparität führen. Sie ist deshalb nach Auffassung der Rechtsprechung nicht hinzunehmen, wenn sie aus übergeordneter Sicht angemessene Tarifergebnisse verhindert. Die die mittelbar betroffenen Arbeitgeber einseitig belastenden Regeln über das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko werden deshalb nur eingeschränkt angewendet, wenn aufgrund von Streiks in anderen Betrieben die Fortsetzung des eigenen Betriebs ganz oder teilwei...

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