Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht nach § 3 EFZG, wenn der kranke Arbeitnehmer, wäre er nicht erkrankt, einen Anspruch auf Arbeitsvergütung gehabt hätte. Die Krankheit muss alleinige Ursache dafür sein, dass keine entgeltpflichtige Arbeitsleistung erbracht wurde.[1] Ist ein Arbeitnehmer während des Arbeitskampfes krank, besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch demgemäß nur, wenn er sich, wäre er gesund gewesen, nicht am Streik beteiligt, sondern an seinem Arbeitsplatz gearbeitet hätte. Eine Entscheidung auf der Grundlage einer solchen hypothetischen Betrachtung ist problematisch. Nach der Rechtsprechung gilt:

  • Ist der Arbeitnehmer bereits vor Streikbeginn erkrankt und setzt sich seine Erkrankung während des Streiks fort, kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass er sich ohne die Erkrankung am Streik beteiligt und deshalb keinen Vergütungsanspruch gehabt hätte. Für allgemeine Mutmaßungen darüber ist kein Platz. Man kann auch nicht etwa auf eine angeblich allgemein bekannte gewerkschaftsnahe Gesinnung des Betreffenden zurückgreifen. Es besteht auch in einem solchen Fall während des anderweit durchgeführten Streiks Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer sich nach Wiedergenesung am Streik beteiligt hat.[2] Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Krankheit entfällt allerdings, wenn der Arbeitnehmer auch dann keinen Entgeltanspruch gehabt hätte, wenn er sich – gesund – nicht am Streik beteiligt hätte.[3] Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitgeber während der Erkrankung des Arbeitnehmers den bestreikten Betrieb oder Betriebsteil, in dem dessen Arbeitsverhältnis angesiedelt ist, suspendierend stillgelegt oder die dort beschäftigten Arbeitnehmer ausgesperrt hätte. Wäre der betreffende Arbeitnehmer gesund geblieben und hätte sich nicht am Streik beteiligt, wäre er gleichwohl nicht beschäftigt worden und hätte auch keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt. Entfällt auf diese Weise aus einem arbeitskampfbedingten Grund zeitweise der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit, dann führt dies nach der älteren Rechtsprechung des BAG nicht zur Hemmung des Ablaufs der 6-Wochen-Frist des § 3 EFZG.[4]
 
Praxis-Beispiel

Streik und Arbeitsunfähigkeit

Erkrankt ein Arbeitnehmer kurz vor Beginn eines zweiwöchigen Streiks, dem sich der Arbeitgeber sofort durch suspendierende Stilllegung seines Betriebes beugt, für acht Wochen, kann der erkrankte Arbeitnehmer für die 2 Streikwochen keine und danach nur noch für vier Wochen Entgeltfortzahlung verlangen.

  • Hat sich ein Arbeitnehmer zunächst am Streik beteiligt, ist dann während des fortdauernden Arbeitskampfes krank geworden und hat anschließend, nach seiner Gesundung, wieder am Streik teilgenommen, wird man in aller Regel nicht aus der Übersendung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf den Willen des Betreffenden schließen können, er nehme nun – krankheitsunabhängig – nicht mehr am Streik teil. Aus den Begleitumständen wird man vielmehr zu entnehmen haben, dass er, wäre er nicht erkrankt, durchgängig am Streik teilgenommen hätte. Er hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Ob man an diesem Ergebnis durch die tatsächliche Begleiterklärung, man beende nunmehr seine Teilnahme am Streik, etwas ändern kann, ist sehr zweifelhaft. Regelmäßig wird man eine solche Erklärung nicht als Abkehr vom Arbeitskampf zu verstehen haben, sondern nur als einen förmlichen Versuch, einen Entgeltfortzahlungsanspruch zu erwerben. Dies allein reicht zur Anspruchsbegründung nicht aus.
  • Aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist die Rechtslage, wenn ein Arbeitnehmer während eines Streiks, an dem er sich beteiligt hat, erkrankt und nicht vor dem Ende des Streiks wieder gesundet. Hier müssen alle Umstände und Erklärungen daraufhin untersucht werden, ob sie den Schluss darauf zulassen, dass sich der erkrankte Arbeitnehmer ohne seine Erkrankung in jedem Falle weiter am Streik beteiligt hätte oder nicht. Auch hier wird die bloße Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch nicht als Abkehr vom Streik gedeutet werden können.

Hat ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer arbeitskampfbedingt keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, kann er gegenüber der für ihn zuständigen Krankenkasse Krankengeld beanspruchen. Die Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht während eines rechtmäßigen Streiks fort.[5] Die gesetzliche Krankenversicherung ist in dieser Zeit beitragsfrei. Beiträge sind nur von zugeflossenem Entgelt zu entrichten. Hierzu gehört die gewerkschaftliche Streikunterstützung nicht. Sie ist auch nicht auf den Krankengeldanspruch des Arbeitnehmers anzurechnen. Ob Krankengeldzahlungen den Anspruch auf Streikunterstützung mindern, hängt von den einschlägigen Bestimmungen der Gewerkschaftssatzung ab.

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