Strafrechtliche Anzeigepflichten bestehen nur nach § 138 StGB bei der Nichtanzeige geplanter Straftaten. Sonstige Anzeigen gegen den Arbeitgeber sind kein arbeitsvertraglicher Pflichtverstoß[1], wenn der Arbeitnehmer vorher den Arbeitgeber unterrichtet und dieser nicht in angemessener Zeit Abhilfe schafft. Der Arbeitnehmer ist allerdings verpflichtet, keine haltlosen oder übereilten Beschuldigungen zu erheben und keine sachfremden Ziele zu verfolgen.[2]
Die Erstattung einer Strafanzeige durch einen Arbeitnehmer wegen eines vermeintlich strafbaren Verhaltens des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten stellt als Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte – soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden – im Regelfall keine eine Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung dar. Dies kann anders zu beurteilen sein, wenn trotz richtiger Darstellung des angezeigten objektiven Sachverhalts für das Vorliegen der nach dem Straftatbestand erforderlichen Absicht keine Anhaltspunkte bestehen und die Strafanzeige sich deshalb als leichtfertig und unangemessen erweist.[3]
Strafanzeigen von Arbeitnehmern gegen ihren Arbeitgeber mit dem Ziel, Missstände in ihren Unternehmen oder Institutionen offenzulegen ("Whistleblowing"), fallen in den Geltungsbereich des Art. 10 EMRK; bei der erforderlichen Abwägung ist das öffentliche Interesse an Informationen über Mängel in einem (staatlichen) Unternehmen so wichtig, dass es gegenüber dem Interesse dieses Unternehmens am Schutz seines Rufes und seiner Geschäftsinteressen überwiegt.[4] Denn bei der Beurteilung der Frage, ob eine gegen den Arbeitgeber gerichtete Strafanzeige durch den Arbeitnehmer (sog. Whistleblowing) einen Arbeitsvertragsverstoß bis hin zu einem Kündigungsgrund darstellt, hat eine an den Grundrechten der Beteiligten orientierte umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit stattzufinden.[5]
Die vorschnelle Anzeige angeblichen Fehlverhaltens des Arbeitgebers beim Jugendamt durch eine Arbeitnehmerin, die mit der Betreuung von Kleinkindern beschäftigt ist, stellt einen wichtigen Kündigungsgrund dar.[6]
Die Anzeige einer von dem Arbeitgeber oder einem Vorgesetzten begangenen Verletzung von Quarantänebestimmungen rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung des anzeigenden Arbeitnehmers.[7]
Hinweisgeberschutzgesetz
Durch ein zukünftiges "Hinweisgeberschutzgesetz", zu dem aktuell ein Regierungsentwurf vorliegt[8], wird die Whistleblower-Problematik einer gesetzlichen Regelung zugeführt. Der aktuelle Entwurf enthält folgende wichtige Regelungen:
- Der persönliche Anwendungsbereich (§ 1 HinSchG-RegE) umfasst alle Personen, die in ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Verstöße erlangt haben.
- Der sachliche Anwendungsbereich (§ 2 HinSchG-RegE) wird umfassend gestaltet.
- Für hinweisgebende Personen sind 2 gleichwertig nebeneinanderstehende, interne und externe Meldekanäle vorgesehen, zwischen denen sie frei wählen können (§§ 7 bis 31 HinSchG-RegE).
- Es werden die Voraussetzungen definiert, unter denen eine hinweisgebende Person Informationen über Verstöße öffentlich zugänglich machen darf (§ 32 HinSchG-RegE).
- Ein umfassender Schutz der hinweisgebenden Person vor Repressalien wie Kündigung oder sonstigen Benachteiligungen im Fall einer Veröffentlichung von Hinweisen (§§ 33 bis 39 HinSchG-RegE).
Keinerlei Einschränkungen unterliegt die Anzeige, wenn sich die Straftat gegen den Arbeitnehmer selbst richtet.
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