Das in § 17 Abs. 2 AGG unter der Überschrift "Soziale Verantwortung der Beteiligten" normierte Recht des Betriebsrats bzw. einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen die Diskriminierungsschutzvorschriften die Rechte des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gerichtlich geltend zu machen, ist auf grobe Verstöße sowie auf Betriebe beschränkt, in denen das BetrVG auch zur Anwendung gelangt. § 17 Abs. 2 Satz 2 AGG greift eine in der öffentlichen Diskussion weithin geäußerte Befürchtung auf, Betriebsrat und Gewerkschaft könnten als Prozessstandschafter etwa einen Schadensersatzanspruch des benachteiligten Arbeitnehmers durchsetzen: "Mit dem Antrag", so der Gesetzeswortlaut, "dürfen nicht Ansprüche des Benachteiligten geltend gemacht werden." Erforderlich war diese Klarstellung nicht, § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ermöglicht weder dem Betriebsrat noch einer Gewerkschaft die stellvertretende Durchsetzung von Ansprüchen des Arbeitnehmers.

Allerdings wurde auch bisher bereits vertreten, dass der Betriebsrat bei Verstößen des Arbeitgebers gegen das betriebsverfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot des § 75 BetrVG gegen den Arbeitgeber gerichtlich vorgehen kann.[1] Danach ist der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft (d. h. dass mindestens ein Arbeitnehmer des Betriebs Mitglied dieser Gewerkschaft sein muss) befugt, bei groben Verstößen gegen die arbeitsrechtlichen Vorschriften des AGG beim Arbeitsgericht ein Verfahren anhängig zu machen mit dem Ziel, den Arbeitgeber entweder zur Unterlassung bestimmter Handlungen oder Vornahme bestimmter Handlungen zu verpflichten.

 
Praxis-Beispiel

Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei diskriminierenden Stellenausschreibungen

  • Ein grober Verstoß kann sich nach dem BAG wegen mittelbarer Benachteiligung älterer Bewerber auf Stellenausschreibungen ergeben, in denen Mitarbeiter im ersten Berufsjahr gesucht werden, wenn Mitarbeiter im ersten Berufsjahr im Betrieb gegenüber Beschäftigten im zweiten Berufsjahr im Durchschnitt über 6 Jahre und im dritten Berufsjahr über 13 Jahre jünger sind und der Arbeitgeber diese Ausschreibungspraxis wegen des geringeren Tarifgehalts von Mitarbeitern im ersten Berufsjahr vornimmt.[2] Der Betriebsrat kann nun aus § 17 AGG gegen derartige mittelbar diskriminierende Stellenausschreibungen vorgehen.
  • Eine Stellenausschreibung für Verkäuferinnen im Einzelhandel, die ausschließlich die erste Gehaltsgruppe im ersten Beschäftigungsjahr eines Gehaltstarifvertrags vorsieht, soll nach dem LAG Saarland mittelbar altersdiskriminierend sein. Das Argument "Kostenersparnis" rechtfertige keine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmerinnen und verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.[3] Auch in Bezug auf eine solche altersdiskriminierende Stellenausschreibung hat der Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG einen Unterlassungsanspruch.

Eine Pflichtverletzung ist grob, wenn sie objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist.[4] Offensichtlich schwerwiegend ist sie dann, wenn für einen fachkundigen Betrachter ohne Weiteres der Verstoß auf den ersten Blick erkennbar ist. Die Pflichtverletzung muss bereits begangen sein. Es reicht nicht, dass sie lediglich droht.[5] Ein Verschulden des Arbeitgebers ist nicht erforderlich.

Ein Rechtsstreit ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren[6] nach § 2a ArbGG durchzuführen. Die Kosten des Verfahrens selbst trägt die Staatskasse, die möglichen Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats nach § 40 BetrVG der Arbeitgeber (auch wenn er den Rechtsstreit gewinnt). Verstößt der Arbeitgeber gegen die ihm vom Gericht auferlegten Verpflichtungen, kann er auf Antrag des Betriebsrats bzw. der antragstellenden Gewerkschaft durch Ordnungs- bzw. Zwangsgeld hierzu angehalten werden. Während bei betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten das Ordnungs- und Zwangsgeld auf 10.000 EUR limitiert sind, ist diese Begrenzung bei Verstößen gegen das AGG nicht vorgesehen.

Für den Bereich des Personalvertretungsrechts ist keine entsprechende Regelung vorgesehen. Offenbar geht der Gesetzgeber (irrigerweise) davon aus, dass in den öffentlich-rechtlichen Körperschaften Benachteiligungen der hier in Rede stehenden Art ausgeschlossen sind.

[1] LAG Bremen, Urteil v. 19.11.1981, 3 TaBV 28/80; LAG Köln, Urteil v. 19.2.1988, 10 TaBV 69/87.
[5] BAG, Beschluss v. 27.11.1973, 1 ABR 11/73; Beschluss v. 18.4.1985, 6 ABR 19/84.
[6] Dazu "Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht".

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