Wenn ein Beschäftigter Opfer einer Benachteiligung durch andere Beschäftigte geworden ist, muss der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung ergreifen. Das Gesetz nennt beispielhaft Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung (§ 12 Abs. 3 AGG).

Für den Fall, dass die Benachteiligung von einem Dritten ausgegangen ist, sieht das Gesetz in § 12 Abs. 4 AGG eine allgemeine Eingriffspflicht des Arbeitgebers vor, gibt hierzu jedoch keine konkreten Vorgaben. Gerade in Kundenbeziehungen kann die Form einer angemessenen Reaktion schwierig zu bestimmen sein. Grenzen ergeben sich hier jedenfalls durch das rechtlich und tatsächlich jeweils Durchsetzbare und Mögliche.

 
Praxis-Beispiel

Reaktion des Arbeitgebers auf Diskriminierung

Wenn die Ehefrau eines Patienten von dem Inhaber eines ambulanten Pflegdiensts unter Kündigungsandrohung verlangt, dass dieser zu ihrem Mann keine muslimische Krankenpflegerin mehr schickt, ist unklar, ob und wieweit der Inhaber des Pflegediensts verpflichtet ist, die Kundin zu "erziehen" bzw. zu "belehren". Aufgrund seiner Fürsorgepflicht ist er aber jedenfalls verpflichtet, der bisher eingesetzten muslimischen Mitarbeiterin einen weiteren Einsatz bei dieser Kundin zu "ersparen" und sie anderweitig einzusetzen, wenn andernfalls ein benachteiligendes Verhalten durch den Patienten oder seine Ehefrau zu befürchten ist.

Sexuelle Belästigung

Erfährt der Arbeitgeber von Benachteiligungen, Belästigungen oder gar sexuellen Belästigungen von einzelnen Beschäftigten, muss er Ermittlungen anstellen. Er muss unverzüglich alle ihm zumutbaren Mittel zur Aufklärung des Beschwerdesachverhalts ergreifen. Dazu gehört neben der Anhörung beider Seiten auch die Suche nach weiteren Personen, die ggf. die Berechtigung der erhobenen Vorwürfe bestätigen können, sei es, weil sie die geltend gemachte sexuelle Belästigung wahrgenommen haben oder bereits selbst von dem Beschuldigten belästigt wurden.

Die Wahrnehmungen Dritter sind insbesondere dann von Bedeutung, wenn der Beschuldigte den Vorwurf der sexuellen Belästigung bestreitet, da andernfalls Aussage gegen Aussage steht und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Betroffenen für den Arbeitgeber gerade in einem so stark von den persönlichen Wertvorstellungen und Befindlichkeiten geprägten Bereich wie dem der Sexualität äußerst schwierig ist.

Besonders wichtig ist die Auswahl der Person, die mit der Überprüfung der Beschwerde beauftragt wird. Im Fall einer festgestellten sexuellen Belästigung besteht für den Arbeitgeber die Verpflichtung zur Unterbindung weiterer sexueller Belästigungen. Entsprechendes muss auch dann gelten, wenn "lediglich" der begründete Verdacht besteht, dass die Beschwerde berechtigt ist. Der Arbeitgeber kann daher u. U. schon vor Abschluss seiner Ermittlungen gehalten sein, vorläufige Maßnahmen zum Schutz des Beschwerdeführers zu ergreifen, sofern die Gefahr weiterer sexueller Übergriffe durch den Beschuldigten besteht.

Dabei kann es sich z. B. um eine Ermahnung des Beschuldigten oder die vorübergehende Umsetzung eines bzw. beider Beteiligten handeln. Bei schwerwiegenden sexuellen Übergriffen kann auch eine vorübergehende Suspendierung des Beschuldigten bis zur Aufklärung der Vorwürfe in Betracht kommen. Die Durchführung derartiger vorläufiger Maßnahmen empfiehlt sich nicht nur zur Vermeidung eventueller Schadensersatzansprüche des Betroffenen im Fall weiterer sexueller Belästigungen, sondern auch deshalb, weil der Betroffene andernfalls von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen kann.[1]

Leitfaden im Einzelfall

Für die Entscheidung über und die Anforderungen an die konkret notwendige Reaktion können beispielhaft folgende Faktoren von Belang sein:

  • die Art und Intensität der Benachteiligung, Belästigung oder sexuellen Belästigung (verbaler oder körperlicher Übergriff, einmaliger Vorfall oder wiederholte Belästigung von Beschäftigten, Fortsetzung der Belästigung trotz eindeutiger Ablehnung durch das Opfer),
  • die Stellung des Handelnden im Betrieb und seine Vorgehensweise (besonders erschwerend fällt dabei ins Gewicht, wenn die Handlung unter Ausnutzung der Funktion als Vorgesetzter oder Ausbilder des bzw. der Betroffenen erfolgt oder mit der ausdrücklichen bzw. konkludenten Androhung von Nachteilen gegenüber dem Opfer verbunden wird[2]),
  • die Auswirkungen der Benachteiligung, Belästigung oder sexuellen Belästigung auf betroffene Beschäftigte (z. B. längere Erkrankungen, gesundheitliche Folgeschäden) und den Arbeitgeber (z. B. die nachhaltige Störung des Betriebsklimas aufgrund der Weigerung von Beschäftigten, mit dem Belästiger künftig zusammenzuarbeiten, der Verlust von Geschäftsbeziehungen oder Kunden, negative Auswirkungen auf das Image des Betriebs bzw. Unternehmens),
  • das Verhalten des Handelnden nach der Handlung (positiv z. B. die Einsicht in das Fehlverhalten, die Entschuldigung gegenüber dem Opfer oder das aktive Bemühen um Wiedergutmachung; negativ z. B. das beha...

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