Das AGG gilt nach § 2 Abs. 1 AGG sachlich für alle Phasen des Beschäftigungsverhältnisses, nämlich für

  • den Zugang zu unselbstständiger Erwerbstätigkeit, d. h. für das Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren,
  • den Zugang zum beruflichen Aufstieg, d. h. für die Beförderung,
  • die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, d. h. für individual- und kollektivrechtliche Vereinbarungen und Maßnahmen im Beschäftigungsverhältnis,
  • den Zugang zur Berufsberatung, Berufsbildung, Weiterbildung und Umschulung und der praktischen Berufserfahrung,
  • die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.

Außerdem gilt das Gesetz für den Zugang zu selbstständiger Erwerbstätigkeit sowie für die Mitgliedschaft und die Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung, für den Sozialschutz einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste und die sonstigen sozialen Vergünstigungen. Gewollt ist die Festlegung eines umfassenden Diskriminierungsschutzes für alle als sozial relevant angesehenen Lebensbereiche.[1]

Inhaltlich gilt das AGG für alle arbeitsrechtlich relevanten Regelungen und Vorschriften, so z. B. für:

  • den Inhalt des Arbeitsvertrags,
  • die Ausübung des Direktionsrechts,
  • Lohngestaltung und Vergütungssysteme,
  • Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge.
[1] Von Steinau-Steinrück, NZA 2005, S. 28, 29.

2.6.1 Kündigungen

Für Kündigungen sollen nach § 2 Abs. 4 AGG "ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz" gelten. Nach Auffassung des BAG[1] finden jedoch – entgegen dem Gesetzeswortlaut – die Diskriminierungsverbote des AGG im Rahmen des Kündigungsschutzes durchaus Anwendung. Verstößt eine ordentliche Kündigung gegen Diskriminierungsverbote des AGG (§§ 110 AGG), so kann dies zur Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 KSchG führen. Die Diskriminierungsverbote des AGG und die im AGG enthaltenden Rechtfertigungsgründe für unterschiedliche Behandlungen sind bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Kündigungsschutzgesetzes in der Weise zu beachten, dass sie Konkretisierungen des Begriffs der Sozialwidrigkeit darstellen. Kündigungen außerhalb des Anwendungsbereichs des ersten Abschnitts des KSchG (insbesondere Kündigungen in Kleinbetrieben oder während der ersten 6 Monate eines Arbeitsverhältnisses) sind unmittelbar am Maßstab des AGG zu messen.[2] Dem steht § 2 Abs. 4 AGG nicht entgegen, da die Vorschrift lediglich das Verhältnis von AGG und KSchG und den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Bestimmungen regelt.

 
Wichtig

Berücksichtigung des Lebensalters

Die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG für den Bereich der Sozialauswahl vorgesehene Berücksichtigung des Lebensalters als soziales Kriterium stellt an sich eine an das Alter anknüpfende unterschiedliche Behandlung dar. Sie ist nach der Rechtsprechung des BAG jedoch nach § 10 Sätze 1 und 2 AGG gerechtfertigt.[3]

Auch die Bildung von Altersgruppen kann – so das BAG – nach § 10 Sätze 1 und 2 AGG durch legitime Ziele gerechtfertigt sein. Die betriebs- und unternehmensbezogenen Zwecke einer Altersgruppenregelung, zu denen auch die Erhaltung der Altersstruktur gehört, können legitime Ziele i. S. d. AGG sein.[4] Eine Altersgruppenbildung ist zur Erhaltung der Altersstruktur der Belegschaft nur geeignet, wenn sie dazu führt, dass die bestehende Struktur bewahrt bleibt. Dafür muss die bisherige Verteilung der Beschäftigten auf die Altersgruppen ihre prozentuale Entsprechung in der Anzahl der in der jeweiligen Altersgruppe zu Kündigenden finden. Von einem legitimen Ziel ist regelmäßig auszugehen, wenn die Altersgruppenbildung bei Massenkündigungen aufgrund einer Betriebsänderung erfolgt.[5]

Das BAG hat klargestellt, dass regelaltersrentenberechtigte Arbeitnehmer in einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG hinsichtlich des Kriteriums Lebensalter deutlich weniger schutzwürdig sind als Arbeitnehmer, die noch keine Altersrente beanspruchen können.[6]

Krankheit und Behinderung

Die krankheitsbedingte Kündigung[7] eines längerfristig erkrankten Arbeitnehmers ist auch nach der europäischen Rahmenrichtlinie[8] möglich.

Nach der Rechtsprechung des EuGH[9] fällt eine Erkrankung als solche nicht unter das Diskriminierungsmerkmal "Behinderung". Mit der Verwendung des Begriffs "Behinderung" habe man bewusst ein Wort gewählt, das sich von dem der "Krankheit" unterscheide. Die Richtlinie enthalte keinen Hinweis darauf, dass Arbeitnehmer aufgrund des Verbots der Diskriminierung wegen einer Behinderung in den Schutzbereich der Richtlinie fallen, sobald sich irgendeine Krankheit manifestiert. Somit würden Personen, die von ihrem Arbeitgeber ausschließlich wegen Krankheit gekündigt worden sind, nicht von dem durch die Richtlinie zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen einer Behinderung geschaffenen allgemeinen Rahmen erfasst.

Schließlich vertritt der EuGH die Auffassung, dass Krankheit als solche nicht ein weiterer Grund neben denen angesehen werden kann, derentwegen Personen zu diskriminieren nach der Rahmenrichtlinie verboten ist; d. h. die 8 in § 1 AGG genannten und ge...

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