Um eine mittelbare Diskriminierung handelt es sich, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren bestimmte Personen aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, ihrer Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Identität in besonderer Weise benachteiligen können.[1] Eine Benachteiligung ist immer dann mittelbar merkmalsbedingt in diesem Sinne, wenn als Differenzierungskriterium zwar nicht unmittelbar an ein Diskriminierungsmerkmal angeknüpft wird, aber an solche Kriterien, die typischerweise in engem Zusammenhang mit einem nach § 1 AGG geschützten Merkmal stehen.

Eine besondere Relevanz bei der Feststellung von mittelbaren Benachteiligungen haben Statistiken. Denn eine mittelbare Benachteiligung lässt sich dadurch feststellen, dass Vergleichsgruppen gebildet werden, die in unterschiedlicher Weise von einer Regelung betroffen sind. Verglichen werden die Folgen der unterschiedlichen Behandlung von Merkmalsträgern einerseits und von allen anderen Betroffenen andererseits, wobei es genügt, dass die Regelungen eine unterschiedliche Behandlung bewirken können.[2]

 
Praxis-Beispiel

Bei Änderung der Betriebsorganisation

  • Es stellt keine nach § 3 Abs. 2 AGG verbotene mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft dar, wenn der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern die Kenntnis der deutschen Schriftsprache verlangt, soweit sie für deren Tätigkeit erforderlich ist. Der Arbeitgeber verfolgt nach Auffassung des BAG ein im Sinne des Gesetzes legitimes, nicht diskriminierendes Ziel, wenn er – z. B. aus Gründen der Qualitätssicherung – schriftliche Arbeitsanweisungen einführt. Ist ein Arbeitnehmer nicht in der Lage, in deutscher Sprache abgefasste Arbeitsanweisungen zu lesen, so kann eine darauf gestützte ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ausreichend Gelegenheit zum notwendigen Spracherwerb gegeben hat.[3]
  • Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg[4] liegt eine ungerechtfertigte mittelbare Diskriminierung eines Menschen mit Behinderung nach § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn der Arbeitgeber ein rollierendes Schichtsystem einführt, ohne eine Mitarbeiterin, die wegen ihrer Behinderung nicht in Nachtschicht tätig werden kann, von der Nachtschicht auszunehmen, obwohl dies möglich gewesen wäre.
  • Die Begrenzung einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung auf Arbeitnehmer im ersten Berufsjahr kann eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters sein. Arbeitnehmer mit mehreren Berufsjahren weisen typischerweise gegenüber Arbeitnehmern im ersten Berufsjahr ein höheres Lebensalter auf.[5]

Bei Einstellungen und Beförderungen

  • Es stellt keine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters dar, wenn ein Arbeitgeber bei der Ausschreibung eines Trainee-Programms als Anforderungskriterium einen höchstens ein Jahr zurückliegenden Studienabschluss fordert.[6]
  • Die Bezeichnungen "Junior Consultant" und "Berufsanfänger" in einer Stellenausschreibung stellen weder für sich noch zusammen nach einer durch das LAG Baden-Württemberg getroffenen Entscheidung ein Indiz für eine Benachteiligung wegen des Alters dar.[7] Das Gericht legte dabei zugrunde, dass "Junior Consultant" ein altersunabhängiger betriebshierarchischer Begriff sei.

    Indes sieht das BAG in einer Stellenbeschreibung, wonach eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld "mit einem jungen dynamischen Team" angeboten wird, ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters.[8]

    Es empfiehlt sich für die Praxis, derartige an ein AGG-Merkmal anknüpfende Umschreibungen in Stellenausschreibungen vollständig zu vermeiden.

  • Problematisch sind Statistiken über die Verteilung der Geschlechter auf bestimmten Hierarchieebenen zum Nachweis einer "gläsernen Decke" bei Nichtberücksichtigung einer weiblichen Bewerberin bei einer Beförderungsentscheidung. Insoweit erachtete das BAG eine Statistik, nach der die 3 obersten Hierarchiestufen ausschließlich durch Männer besetzt waren, nicht als ausreichendes Indiz für eine diskriminierende Beförderungspolitik des Arbeitgebers.[9] Für die Annahme einer geschlechtsbezogenen Diskriminierung bedarf es über die Statistik hinaus weiterer Anhaltspunkte.
[3] BAG, Urteil v. 28.1.2010, 2 AZR 764/08; anders noch die Vorinstanz LAG Hamm, Urteil v. 17.7.2008, 16 Sa 544/08. Dieses ging davon aus, dass in der Änderung des Anforderungsprofils einer Tätigkeit in der Weise, dass die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift verlangt wird, eine mittelbare Diskriminierung eines langjährig beschäftigten ausländischen Arbeitnehmers wegen ethnischer Herkunft liegt, wenn dieser nicht in der Lage ist, die deutsche Sprache so zu erlernen, dass er Arbeitsanweisungen lesen kann und wenn die Arbeit so organisiert werden kann, dass die schriftliche Sprachbeherrschung nicht erforderlich ist.

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