Bei der Abmahnung handelt es sich um die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts, dessen rechtliche Herkunft das BAG aus der früheren Regelung des § 326 Abs. 1 BGB[1], dem als Dauerschuldverhältnis mit dem Arbeitsrecht ähnlichen Mietrecht und den dortigen §§ 542, 553 BGB[2] und aus Treu und Glauben[3] in Form des sog. venire contra factum proprium[4] herzuleiten suchte. Mehrheitlich werden zur dogmatischen Rechtfertigung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz[5] aber auch die Fürsorge- und Treuepflicht herangezogen:

Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich, dass die Kündigung das letzte Mittel im Arbeitsverhältnis (ultima ratio) ist, es soll von ihr nur Gebrauch gemacht werden, wenn alle anderen Mittel erschöpft oder sinnlos sind. Denn sie nimmt dem Arbeitnehmer die finanzielle Lebensgrundlage, seine soziale Anerkennung, oft auch seine sozialen Kontakte, dem Arbeitgeber nimmt sie u. U. eingearbeitete Arbeitskräfte. Aus der Fürsorge- und Treuepflicht ergibt sich, dass der Vertragspartner dazu gehalten ist, den anderen "nicht blind ins Verderben rennen", d. h. sein Arbeitsverhältnis nicht ohne Warnung aufs Spiel setzen zu lassen. Daraus rechtfertigt sich das Erfordernis, zunächst alle milderen Mittel auszuschöpfen, sofern sie erfolgversprechend sein können. Das bedeutet bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes für die verhaltensbedingte, aber auch die fristlose Arbeitgeberkündigung, dass grundsätzlich die Abmahnung vorauszugehen hat, es sei denn, die Abmahnung ist sinnlos oder der Pflichtverstoß zu schwer.

Kündigt der Arbeitgeber, bevor eine notwendige Abmahnung erfolgt ist, verstößt er gegen das "Übermaßverbot".

Das Erfordernis einer Abmahnung wird mittlerweile für die außerordentliche Kündigung auch durch § 314 Abs. 2 BGB bestätigt, wobei die genaue Abgrenzung von § 314 Abs. 2 und § 626 BGB noch ungeklärt ist.[6]

Ausnahmsweise kann auch eine formell unwirksame Abmahnung die Warnfunktion erfüllen, da es auf die sachliche Berechtigung zur Abmahnung ankommt. Aus der formellen Unwirksamkeit einer Abmahnung kann der Arbeitnehmer nicht schließen, dass der Arbeitgeber sein Verhalten akzeptiere.[7]

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