Kolumne E-Learning: Lerntechnologie allein reicht nicht

Viele Unternehmen investieren in digitale Lerntechnologien, weil der Weiterbildungsbedarf groß und die Zahl der zu schulenden Mitarbeitenden hoch ist. Skalierung, lautet das Zauberwort. Selbst die tollste Technik hat es allerdings noch nicht geschafft, die benötigte Zeit zum Lernen drastisch zu verkürzen. Wer das vergisst, kann auf die Rendite seiner Investition lange warten, meint unsere Kolumnistin Gudrun Porath.

Cornerstone OnDemand gehört zu den größten Anbietern von Lerntechnologie weltweit. Hier – wie in anderen Branchen auch – ist es populär, nicht nur mit neuen Produkten, sondern auch mit Studien immer mal wieder auf sich aufmerksam zu machen. Gerade erschienen ist der " The 2020 Cornerstone Global Research Report", für den ausgerechnet im Frühjahr 2020 und damit noch mitten im Schwung der ersten Pandemiewelle 500 Führungskräfte und 1.000 Beschäftigte in Unternehmen in Nordamerika, Europa und dem asiatisch-australischen Raum befragt wurden. 

Studie zu Lerntechnologien zeigt Investitionswillen

Unter anderem wollten die Autoren der Studie von den befragten Führungskräften wissen, wie diese die benötigten Fähigkeiten bei ihren Mitarbeitenden weiterentwickeln wollen. Das Ergebnis ist keine Überraschung: Lerntechnologien sind demnach für Führungskräfte offenbar das Mittel der Wahl, wenn es um Kompetenzentwicklung geht. Ganz vorn dabei: Lernmanagementsysteme (62 Prozent), vor Workshops und Schulungen unter Anleitung, die auch als Webinar stattfinden können (60 Prozent). Letztere würden insbesondere in Nordamerika favorisiert. Als wichtigster Grund für Investitionen in Lerntechnologie stellte sich heraus, dass sich damit Kompetenzentwicklung skalieren lasse.

Führungskräfte schätzen Weiterbildungskonzept zu selbstbewusst ein

Auch das Lernen im Prozess der Arbeit erreicht einen hohen Zustimmungswert – bei den Führungskräften. Die zeigten im Übrigen auch ein großes Selbstvertrauen in die eigenen Kompetenzen. 90 Prozent gaben an, absolutes Zutrauen in ihre diesbezüglichen Kompetenzen zu haben. Etwas weniger, 87 Prozent, zeigten sich außerdem zufrieden mit dem dafür im Unternehmen vorhandenen Equipment.

Hätten sie vor ihren Aussagen mal ihre Mitarbeitenden gefragt! Deren Aussagen nämlich kamen da nicht so ganz mit. So gab zwar mit 60 Prozent die Mehrheit an, dass sie ihrem Unternehmen durchaus zutrauen, sie auf die Zukunft vorzubereiten, und 62 Prozent hatten das Gefühl, dass dazu auch die notwendigen (technischen) Mittel zur Verfügung stehen. Aber ein Unterschied von 25 bis 30 Prozentpunkten zur Einschätzung der Führungskräfte zeigt, dass da irgendwo ein Fehler im System ist, und zwar ein gravierender.

Die alte Formel gilt weiter: Lernen braucht Zeit und Orientierung

Die Auflösung bringt die Studie gleich mit und sie ist eigentlich ein alter Hut: Es hakt in erster Linie an Zeit, Geld und Orientierung, wobei Zeit mit 61 Prozent von den befragten Mitarbeitenden als größte Barriere genannt wurde und Geld und Orientierung kurz dahinter landeten. Lernzeit einzuräumen und Orientierung zu geben, ist kein technisches Problem. Es ist eine Frage der Lernkultur im Unternehmen. Denn um sich zu entwickeln, brauchen Menschen Zeit und Orientierung. Wenn ich nicht weiß, wann ich lernen kann und darf und wohin ich mich überhaupt entwickeln soll oder muss, dann stehen die Chancen gut, dass ich auf der Stelle trete.

Investition in Lerntechnologien allein reicht nicht

Das gilt umso mehr in einer Zeit, in der wir noch besser aufeinander achten müssen, weil wir uns nicht täglich sehen und pandemiebedingt auf Abstand gehen. Da ist es ganz egal, in welche moderne Lerntechnologie das Unternehmen investiert hat, ob LXP, Learning Suite, LMS, mit KI oder ohne. Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, wird die Investition kaum die erwartete Lösung sein.

Bestätigung für Personalentwickler 

Wenn Sie als Personal- oder Organisationsentwickler jetzt vor dem Rechner sitzen und sich beim Lesen dieser alten Weisheit einmal mehr bestätigt fühlen und das vielleicht auch mit einem Ballen der Faust kenntlich machen – weiter so! Womöglich sogar, wenn Sie in einer Videokonferenz sitzen. Denn bevor Sie und ich wieder Schluss machen für diesen Monat, habe ich noch einen Tipp für Sie:

An der University of California haben sich Forscher damit befasst, wie sich Online-Meetings und Webinare wirksamer gestalten lassen: Handzeichen benutzen! Daumen hoch und runter, Hand aufs Herz oder sich mal ganz locker die Haare raufen helfe dabei, dass sich die Teilnehmer der virtuellen Meetings einander näher fühlen und dass sie besser lernen und miteinander kommunizieren. Den praktischen Guide mit den insgesamt 25 ausgewählten Handzeichen gibt es hier: konektis.org/signals.

Viel Spaß dabei und gutes Gelingen!


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift "wirtschaft + weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt.