Studie: Auswirkungen von Corona auf den Arbeitsmarkt

Auch wenn die Fachkräftenachfrage im April 2020 deutlich eingebrochen ist, wird sich auf lange Sicht auf dem Arbeitsmarkt nicht allzu viel verändern. Das fand die Arbeitsmarktstudie der Wollmilchsau heraus. Allerdings scheuen viele Arbeitnehmer im Moment noch den Jobwechsel, wie eine Umfrage von Jobmatch.pro ermittelte.

Die dritte Ausgabe der Arbeitsmarktstudie der Personalmarketing-Agentur Wollmilchsau hat die Bevölkerungsentwicklung, den Berufsausbildungsmarkt, den Stellenmarkt und den Corona-Effekt auf dem Arbeitsmarkt in den Blick genommen. Sie kommt zu kontroversen Ergebnissen für 2020, die durchaus ein ernstes Bild von der Beschäftigungssituation in den Unternehmen und vom Ausbildungsmarkt widerspiegeln, aber gleichzeitig auch Hoffnung auf eine baldige Erholung machen.

Arbeitsmarkt-Studie: Mehr Studierende, weniger Azubis

Auf dem Ausbildungsmarkt setzt sich der Trend zur Akademisierung fort. Im Wintersemester 2019/20 waren rund 2,9 Millionen Studierende immatrikuliert – knapp ein Prozent mehr als im Vorjahr und rund 37 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Umgekehrt ist die Situation bei der dualen Ausbildung: Zwar stieg die Zahl der Azubis von 2017 auf 2018 um 6.870 an. Aber der langfristige Trend geht klar nach unten. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Auszubildenden um 18 Prozent zurückgegangen. Das wird auch im aktuellen Ausbildungsjahr so sein. Die aktuellen Zahlen liegen noch nicht vor, aber die Corona-Pandemie wird voraussichtlich zu sinkenden Ausbildungsplatz-Angeboten führen, trotz der Ausbildungsprämien.

Überraschung: Arbeitslosenzahl soll im Corona-Jahr 2020 stagnieren

In den vergangenen zehn Jahren sank die Arbeitslosenzahl bis zum Jahr 2019 um über eine Million. Nach der Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) soll die Zahl der Arbeitslosen im Corona-Jahr 2020 überraschenderweise stagnieren und nicht weiter steigen. Für das Jahr 2021 prognostiziert das DIW sogar einen weiteren Rückgang auf 2,21 Millionen Arbeitslose.

Die Arbeitslosenquote, die die registrierten Arbeitslosen zu den Erwerbspersonen in Beziehung setzt, ist im Juli 2020 im Vergleich zum Juli 2019 um 1,3 Prozentpunkte angestiegen. Ein besonders starker Anstieg der Arbeitslosenquote zeigte sich im April 2020 im Vergleich zum Vormonat. Seitdem hat sich die Zunahme deutlich abgeschwächt. Die Studienautoren folgern: "Am Ende könnte die Arbeitslosenquote 2020 gar nicht viel schlechter sein als die im Jahr 2019."

Die Stellenbesetzung dauert länger

Die Anzahl offener Stellen ist in der ersten Hälfte des Jahrs 2020 deutlich gesunken: Während im zweiten Quartal 2019 noch rund 1,39 Millionen offene Stellen zu verzeichnen waren, sind es im zweiten Quartal 2020 nur noch 898.000. Das ist ein Rückgang von fast 500.000 Stellenangeboten. Doch in einigen Bereichen nehmen die Neuschaltungen wieder zu. Vor allem im Gesundheitswesen sowie in der Informations- und Kommunikationstechnologie ist die Anzahl an Vakanzen im Juni stark nach oben geklettert. Bei letzterem waren es im Juni sogar fast 40.000 Stellenofferten mehr als im Januar 2020.

Seit 2010 ist die Arbeitslosen-Stellen-Relation stark gesunken. Kamen vor zehn Jahren noch 3,7 Arbeitslose auf eine offene Stelle, waren es 2019 nur noch 1,7. Die Prognose für 2020 sieht etwas anders aus. Im Moment wird davon ausgegangen, dass die Relation auf 2,7 steigt. Dennoch bleibt die Relation von Stellensuchenden zu offenen Stellen in Engpassberufen weiter angespannt.

Darüber hinaus steigt die Vakanzzeit trotz Krisenjahr weiter an: Während im Juli 2019 noch durchschnittlich 124 Tage zur Besetzung einer offenen Stelle ins Land gegangen sind, sind es im Juli 2020 rund 151 Tage.

Viele scheuen den Stellenwechsel 

Wie reagieren die Arbeitnehmer auf diese aktuellen Entwicklungen? Einblicke in Perspektive der Stellensuchenden gibt eine Umfrage der Jobplattform Jobmatch.pro: Zwar wünscht sich derzeit ein Viertel der Arbeitnehmer einen neuen Job, aber nur die Hälfte von ihnen bewirbt sich aktiv auf neue Stellen. Viele Arbeitnehmer scheuen im Moment den Jobwechsel und setzen verstärkt auf Sicherheit.

Die Gründe dafür liegen in der aktuellen Situation: 29 Prozent fürchten, ihre sichere Stelle aufzugeben, 38 Prozent finden keine interessanten Jobangebote, 33 Prozent haben sich noch nicht entschieden, was sie in Zukunft beruflich machen wollen. Auch der Bewerbungsprozess leidet unter der Corona-Pandemie: Fast die Hälfte der Jobsuchenden erhält zurzeit nur selten oder gar keine Antwort auf die Bewerbungen.

Finanzielle Sicherheit zählt wieder mehr

Das gestiegene Sicherheitsbedürfnis spiegelt sich auch in den Ansprüchen wider, die Arbeitnehmer an eine Stelle haben: Ein attraktives Gehalt (74 Prozent) und Jobsicherheit (59 Prozent) zählen nach wie vor zu den wichtigsten Faktoren bei einem Job. Eine sinnhafte Tätigkeit, die in der Vergangenheit besonders stark in den Fokus gerückt war, ist auf den dritten Rang (48 Prozent) bei den Wünschen der Arbeitnehmer gesunken.

Dass in unsicheren Zeiten aus Sicht der Arbeitnehmer finanzielle Sicherheit vorgeht, zeigt sich auch in den Top-drei Benefits, die sich die Beschäftigten zusätzlich zum Gehalt wünschen. An erster Stelle steht das 13. Gehalt (67 Prozent), gefolgt von flexiblen Arbeitszeiten (62 Prozent) und betrieblicher Altersvorsorge (42 Prozent). Einen flexiblen Arbeitsplatz wünschen sich gerade einmal 20 Prozent.


Das könnte Sie auch interessieren:

MINT-Report: Fachkräftemangel wächst stark

Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Lösungen gegen den Fachkräftemangel?

Interview: Welche Vorteile hat eine 60-Sekunden-Bewerbung?

Schlagworte zum Thema:  Fachkräftemangel, Recruiting, Studie, Coronavirus