Was hinter dem Konzept The Work steckt

So manchen Mythos in der HR-Welt konnte Professor Uwe P. Kanning schon in seiner Kolumne aufklären. Mit psychologischen Fakten und einer großen Portion bissigem Humor begegnet er den Anhängern des Bauchgefühls – heute denen, die sich zu viel vom Konzept "The Work" versprechen.

Vielleicht gibt es auch in Ihrem Unternehmen Mitarbeiter, die nicht ganz zufrieden sind.  Menschen, die eigentlich mal vorhatten Karriere zu machen und nach 20 Jahren immer noch in der Pförtnerloge sitzen. Menschen, die angesichts stupider Arbeitsinhalte jeden Monat einen IQ-Punkt einbüßen oder aber komplett überfordert sind, weil sie sich erfolgreich durch ein schlechtes Auswahlverfahren hindurchmogeln konnten. Menschen, die ihrer narzisstischen Führungskraft täglich demutsvoll huldigen müssen oder den Kollegen als Mobbingopfer dienen.

Um hier Abhilfe zu schaffen könnte man ein ganzes Feuerwerk der Personalarbeit abbrennen. Die Mitarbeiter würden einer mehrtägigen Potentialanalyse unterzogen, gezielt weiterentwickelt oder im Unternehmen neu platziert. Unfähige Führungskräfte würden zum Hyper-Coaching nach Hawaii geschickt, während Mobbingopfer und -täter zum gemeinsamen Meditieren allmonatlich ins Kloster einrücken.

"The Work" als Heilsbringer für unzufriedene Mitarbeiter?

All dies kostet viel Zeit, Geld, Mühe und am Ende kann man nicht einmal sicher sein, dass das Vorhaben auch tatsächlich gelingt. Da muss es doch auch noch einen einfacheren Weg geben, denken Sie jetzt vielleicht und mit dieser Einschätzung liegen Sie goldrichtig. Warum verändern wir nicht einfach die Sichtweise der Menschen auf ihr Leben und kehren damit alle Probleme kurzerhand unter den Teppich? Die Lösung aller Probleme heißt "The Work" oder auf Akademisch "Inquiry-Based Stress Reduction".

Das Konzept von "The Work"

Das Vorgehen ist denkbar einfach und basiert auf dem Glauben, dass Probleme eigentlich nicht real existieren, sondern manche von uns nur einfach eine falsche Sichtweise auf das Leben haben. Ändern sie diese Sichtweise wird alles wieder gut. Und das geht ungefähr so:

  • Im ersten Schritt geht es darum, eine Überzeugung zu identifizieren, die den Mitarbeiter unglücklich macht: "Meine Kollegen grenzen mich aus." "Karriere macht bei uns, wer den Vorgesetzten nach dem Munde redet." "Jeden Tag muss ich die Kunden anlügen und ihnen schlechte Produkte verkaufen."
  • Im zweiten Schritt wird die Überzeugung durch eine bestimmte Fragestellung erschüttert. Hierzu werden vier Fragen gestellt:
    • Ist die Überzeugung zutreffend? ("Ja.")
    • Kannst Du dir sicher sein, dass die Überzeugung mit absoluter Sicherheit zutreffend ist ("Nein, natürlich nicht.")
    • Wie reagierst Du, wenn Du diesen Gedanken hast? ("Ich ärgere mich.")
    • Wer oder was wärst Du ohne diese Überzeugung? ("Es würde mir viel besser gehen.")
  • Nachdem der Mitarbeiter nun selbst erkannt hat, dass sein eigentliches Problem darin besteht, dass er negative Überzeugungen in sich trägt, die ihm das Leben schwer machen, geht es im letzten Schritt darum, diese Überzeugungen auszumerzen. Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten der verbalen Umformulierung. Aus der Überzeugung "Meine Kollegen grenzen mich aus." Werden dann so weise Sätze wie "Meine Kollegen grenzen mich nicht aus." "Ich grenze mich selbst aus." "Ich grenze meine Kollegen aus." "Die Kollegen gehen korrekt mit mir um." Bei jedem dieser Sätze überlegt der Mitarbeiter, ob er sich jetzt besser fühlt. Am Ende ersetzt er die ursprüngliche Überzeugung durch diejenige, die ihm das beste Gefühl vermittelt.

Und siehe da, die Welt ist mit einem Mal wunderbar, die Menschen haben sich alle lieb, arbeiten wie verrückt und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Hier bieten sich ungeahnte Möglichkeiten für Wirtschaft und Gesellschaft. Was wäre, wenn der Dieselskandal in unserer Vorstellung den CO2-Ausstoß reduzieren würde, wenn wir die Spitzenmanager von Wirecard für ehrbare Kaufleute hielten oder in Donald den größten Präsidenten aller Zeiten sehen würden? Die Welt wäre ein riesiger Kindergeburtstag.

Empirische Belege für "The Work"

Überzeugte Anhänger des Ansatzes mag es nicht stören, dass die Wirksamkeit dieser abenteuerlichen Methode empirisch auf äußerst wackeligen Beinen steht. Nur sehr vereinzelt lassen sich kurzfristig kleine Effekte etwa bei der Reduzierung von Prüfungsangst im Studium belegen. Aber wer fragt schon nach Forschung, wenn die Methode so grandiose Erfolge verspricht und wenn sie in den USA – dem heiligen Land des positiven Denkens – seit Jahrzehnten gepredigt wird? Da muss doch einfach was dran sein.

Allen miesepetrigen Zweiflern sei an dieser Stelle empfohlen, The Work doch einmal selbst auf The Work anzuwenden. Können Sie sich sicher sein, dass The Work mit absoluter Sicherheit kompletter Unfug ist? Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie an The Work glauben könnten? ... Und schon schnappt die Falle zu.


Der Kolumnist  Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.

Schauen Sie auch einmal in den  Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" hinein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel zusammenfassend, wie Sie gute von schlechten Testverfahren unterscheiden warum Manager scheitern, wie ein Akzent die Bewertung von Bewerbern beeinflusst oder wie "smart" gesetzte Ziele für eine Leistungssteigerung sein müssen.