Warum Führungskräfte Nein sagen lernen sollten
In einer Welt ständig wachsender Anforderungen und zunehmender Komplexität ist das Setzen von Prioritäten eine der wesentlichsten Kompetenzen von Führungskräften. Doch das gezielte Neinsagen gestaltet sich in der Praxis häufig schwieriger, als es auf den ersten Blick scheinen mag.
Warum Neinsagen für Führungskräfte wichtig ist
Klare Prioritäten zu setzen bedeutet, zwischen dem zu unterscheiden, was für das Unternehmen und die eigene Position wirklich wichtig ist, und dem, was ablenkt oder unnötig Ressourcen bindet und damit Zeit und Energie kostet. Doch Nein zu sagen, bedeutet nicht, egoistisch zu handeln. Im Gegenteil: Ein gut begründetes Nein, ob an ein Teammitglied oder auch an einen Vorgesetzten, ist vielmehr ein Zeichen von Wertschätzung und Klarheit. Denn wenn die Führungskraft erklären kann, warum sie Nein sagt, zeigt das, dass sie ihre Prioritäten durchdacht und die Auswirkungen und Folgen ihrer Entscheidung für sich und andere auf dem Radar hat - und auch beherzigt.
Overachiever und People Pleaser
Wichtig ist dabei: Nein zu sagen ist oft eine persönliche Herausforderung, die ein gewisses Maß an Selbstreflexion erfordert, um die eigenen und vor allem auch die Grenzen anderer zu erkennen und zu respektieren. Für viele Führungskräfte ist ein Nein besonders schwer zu artikulieren, weil sie entweder Overachiever sind oder zur Kategorie der People Pleaser zählen. Zur ersten Kategorie gehören jene Führungskräfte, die aufgestiegen sind, die Erwartungen und Anforderungen an ihren Job übertreffen und mehr tun als andere. Das stetige Mehr an Arbeit und die wachsende Verantwortung können zur Überlastung führen. Overachiever neigen dazu, das eigene Gespür dafür verlieren, wann ein Nein wichtig und notwendig wäre.
Auch die zweite Kategorie, die People Pleaser, sind nicht selten in den Führungsriegen zu finden. Ein klassisches Zeichen von People Pleasing ist es, Wünsche anderer stets erfüllen zu wollen. Um niemanden zu enttäuschen, sagen diese Personen oft Ja, selbst wenn sie wissen, dass sie eigentlich Nein sagen sollten. Dieses Verhalten kann dazu führen, dass sie ihre eigenen Prioritäten, Werte und Prinzipien aus den Augen verlieren – denn für sie ist dringlich und wichtig, was andere für dringlich und wichtig halten. People Pleasing durch ständiges Jasagen hat aber - anders als ursprünglich intendiert - weder für die Mitarbeitenden noch für die Führungskraft einen Mehrwert und kann genauso schnell zu Überlastungsreaktionen und Orientierungslosigkeit führen wie bei Overachievern.
So kann Neinsagen in der Praxis gelingen
Richtig eingesetzt, kann Neinsagen zu einem wertvollen und unverzichtbaren Führungsinstrument werden. Die folgenden Tipps geben Orientierung für die Praxis:
1. Das Nein zum Zeit- und Selbstmanagement nutzen
Auf der Ebene des Self-Leadership ist ein klares Nein unverzichtbar, um mit den eigenen Ressourcen haushalten zu können. Zeit gilt als eine der wichtigsten Ressourcen im Management. Limits für die eigene Zeit und Energie zu setzen, fällt allerdings vielen Führungskräften schwer. Bevor sie im Sinne der Organisation Nein sagen, sollten Führungskräfte aber bei sich selbst beginnen. Unser Tipp: Schauen Sie in Ihren Kalender schauen und fragen Sie sich "Welche Meetings würden problemlos stattfinden, auch wenn ich nicht dabei wäre?" Oft erkennen Führungskräfte, dass sie einen Großteil ihrer Zeit in Termine investieren, die keinen echten Mehrwert bringen. Das kann enorme Ressource freisetzen.
2. Effektivität und Effizienz hinterfragen
Wenn eine Anfrage bzw. ein Auftrag von außen kommt, fragen Sie nach den Hintergründen. Was soll erreicht werden? Was kann mit dem dafür erforderlichen Aufwand und in der definierten Zeitspanne umgesetzt werden? Wichtig ist auch die Antwort auf folgende Frage: Bringt die Anfrage das Unternehmen tatsächlich weiter? Projekte und Maßnahmen sollten immer den Unternehmenszielen und der Vision des Unternehmens entsprechen und diese bestmöglich unterstützen.
3. Konsequenzen aufzeigen
Ein Nein ist in der Regel gut begründbar, indem man die Folgen aufzeigt – etwa, wenn dadurch ein dringliches Projekt zu kurz kommt oder eine Deadline eingehalten werden muss. Bei sachlicher Argumentation kann das Gegenüber das Nein nicht nur akzeptieren, sondern oft gelingt es auch, Verständnis für die Entscheidung zu erzeugen, was sich sowohl auf die Motivation der Mitarbeitenden als auch auf das Ergebnis positiv auswirkt. Ein Nein sollte deshalb niemals rigoros ausfallen, sondern im Gespräch sachlich und wertschätzend begründet werden. Welche tatsächlich wesentlicheren und dringlicheren Aufgaben würden bei einem Ja vernachlässigt werden? Wie würde sich diese Aufgabe auf mögliche Zusatzbelastungen – im Team oder bei der Führungskraft selbst – auswirken?
4. Das "Ja" zum Wesentlichen betonen
Ein Nein zu unwichtigen Aufgaben bedeutet gleichzeitig ein Ja zu jenen Dingen, die wirklich zählen und deshalb besondere Beachtung erhalten sollten. Führungskräfte können hier konkret untermauern, warum der Fokus auf das Wesentliche mehr bringt und welche greifbaren und besseren Ergebnisse daraus zu erwarten sind..
5. Altes bewusst loslassen
Nein zu sagen ist auch notwendig, um wichtige Change-Projekte und Transformationsprozesse in Unternehmen überhaupt erst möglich zu machen. So bedeutet ein Ja zu Veränderung oft ein klares Nein zu alten Verhaltens- und Denkmustern und Arbeitsweisen.
Neinsagen und Selbstführung
Erfolgreiches Neinsagen ist also Teil einer klaren Selbstführung. Besonders in Change-Prozessen, wo alte Muster aufgegeben und neue eingeführt werden müssen, ist Neinsagen eine Schlüsselkompetenz. Sie hilft dabei, den Fokus zu behalten und den Druck von Teams zu nehmen. Ein Nein von oben kann verhindern, dass überflüssige Aufgaben auf Mitarbeitende übertragen werden. Ein Nein ist daher viel mehr als eine Ablehnung. Es ist eine bewusste Entscheidung für das Wesentliche – für die Ziele der Organisation und die eigene Balance als Führungskraft. Ein klares und gut begründetes Nein führt also letztlich dazu, dass Führungskräfte nicht nur ihre eigenen Ressourcen besser managen können, sondern auch ihre Teams und Organisationen effektiver führen.
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