Selbstdarstellung in der Personalauswahl

So mancher Mythos geistert durch die Personalabteilungen - gerade wenn es um psychologisches Wissen geht. Professor Uwe P. Kanning klärt in seiner monatlichen Kolumne über die Fakten auf und gibt Tipps für die Praxis. Heute: Wie Selbstdarsteller die Personalauswahl beeinflussen.

Das Problem ist so alt, wie die Personalauswahl selbst: In aller Regel versuchen Bewerber sich möglichst gut zu verkaufen. Dabei werden Sie tatkräftig unterstützt durch  Ratgeberliteratur, Seminare zum Manipulieren von Bewerbungsunterlagen oder Assessment-Center-Trainings, in denen man angeblich lernt, wie man sich möglichst geschmeidig durch das Verfahren mogelt. Aus der Sicht des Arbeitgebers stellt sich dabei die Frage, wie groß die Verfälschung ist und wie weit hierdurch die Aussagekraft der Personalauswahl eingeschränkt wird.

Das Ausmaß, in dem Bewerber ihre Angaben positiv verzerren, ist im Mittelwert durchaus beträchtlich. Erstaunlicherweise wird die Prognosegüte der Auswahlverfahren hierdurch aber nicht beeinflusst.

Vorsicht: Rangreihenfolge der Bewerber ändert sich

Soweit so gut, könnte man nun denken und das unangenehme Thema erleichtert zu den Akten legen. Leider ist das Problem – wie so oft – viel komplexer.

Nicht alle Bewerber betreiben in gleichem Ausmaß Selbstdarstellung. In der Konsequenz verändert sich ihre Rangreihenfolge. Jemand, der aufgrund seiner Kompetenzen vielleicht nur der fünftbeste Kandidat ist, könnte sich durch besonders intensive Selbstdarstellung auf Platz 1 vordrängeln. Stellt man nun den vermeintlich besten Bewerber ein, entscheidet man sich de facto nur für den Fünftbesten. In Studien, mit deren Hilfe man die Prognosegüte von Auswahlverfahren untersucht, bleibt dieser Effekt der veränderten Rangreihenfolge statistisch unberücksichtigt.

Das Problem der Selbstdarstellung ist in der Praxis umso bedeutsamer,

  • je weniger Stellen mit einem Verfahren zu besetzen sind,
  • je größer die Leistungsunterschiede zwischen den besten Kandidaten ausfallen und
  • je wichtiger die zu besetzende Stelle ist.

Was ist also zu tun?

Je nach Auswahlmethoden gibt es unterschiedliche Strategien.

Bewerbungsunterlagen: Selbstcharakterisierungen im Anschreiben sollte man lieber ignorieren und sich auf Fakten konzentrieren.

Fragebogendaten: Die Ergebnisse der Befragungen sollte man auf ihre Plausibilität prüfen. Es ist zum Beispiel sehr unwahrscheinlich, dass ein Mensch auf acht Kompetenzdimensionen zu den zehn Prozent der Leistungsstärksten gehört. Ebenso ist es merkwürdig, wenn jemand, der sich als extrem leistungsmotiviert darstellt, in seiner Biographie keine entsprechenden Belege liefert. Parallel zum Fragebogen könnte man zudem einen Kurzfragebogen einsetzen, mit dem sich die extrem unglaubwürdigen Selbstdarsteller identifizieren lassen.

Interview: Fragen, die abstrakte Selbstbeschreibungen zur Folge haben (zum Beispiel "Was sind Ihre Stärken/Schwächen?"), sollte man meiden. Stattdessen ist es sinnvoller, konkretes Verhalten in Situationen beschreiben zu lassen und nach Gründen für das Verhalten zu fragen.

Assessment Center: Hier ist das Problem am geringsten. Wer in Verhaltensübungen eine gute Figur abgibt, verfügt tatsächlich über entsprechende Kompetenzen. Ob er sie auch im Berufsalltag zum Einsatz bringt, ist keine Frage der Personalauswahl, sondern eine Aufgabe für die Führung und Personalentwicklung.

Nichtstun kann auch eine Lösung sein

Alles in allem ist es also durchaus sinnvoll und möglich, sich gegen die Einstellung eines Schaumschlägers zu wappnen. Nichtstun ist nur dann angesagt, wenn man dutzende von Stellen mit demselben Verfahren besetzt oder – was ja bisweilen auch vorkommen mag – tatsächlich den größten Blender sucht.

Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen & Personalentwicklung.

Schlagworte zum Thema:  Personalauswahl, Personalarbeit