Personalmessen sind in Präsenz zurück

"Deutsche Touristen stürmen Hotels in Europa", lautet eine aktuelle Schlagzeile bei "Spiegel Online". Von einem Ansturm von Personalverantwortlichen und Personalentwicklern auf die Präsenzmessen der ZP Reconnect und dem Expofestival L&D Pro kann nicht die Rede sein. Zwar zeigten sich die Veranstalter zufrieden, richtig aufatmen können sie aber nicht, wie unsere Kolumnistin Gudrun Porath ihre Messeerfahrungen zusammenfasst.

Selbst wenn man seit rund 25 Jahren an der Planung von Vortragsprogrammen auf Live-Events beteiligt ist, kann man noch aufgeregt sein. So zumindest erging es mir, als sich abzeichnete, dass die wichtigsten L&D-Messen des Herbstes wieder live stattfinden können. Die wichtigste Frage lautete: Wie viele Besucher machen sich tatsächlich auf den Weg nach Köln und München?

ZP Reconnect: Persönlicher Treffpunkt mit vielen Vorträgen

Die Zukunft Personal Reconnect in Köln machte den Anfang. Das Event mit virtuellem Vor- und Nachprogramm sowie Streaming-Angebot kennen die meisten noch als Zukunft Personal Europe. Bis 2019 bot sich dem geneigten Publikum zumindest am ersten und zweiten Messetag ein ähnliches Bild: Vor dem Eingang Süd der Kölnmesse große Fahnen mit dem Messelogo, in der großen Eingangshalle Gedränge und lange Schlangen am Einlass. Vier Hallen, in denen sich nationale und internationale Anbieter präsentierten, die irgendwie mit Personalentwicklung und -verwaltung, Software und Recruiting zu tun haben, dazu zahlreiche Bühnen mit einem bunten Programm. Ein Treffpunkt für alle, die sich eine Übersicht über das Angebot verschaffen wollten, eine Investition planten oder auch einfach nur den Vorträgen zuhörten, die es hier zuhauf auf den Bühnen zu hören und zu sehen gab.

Nach einem Jahr Pandemie-bedingter Pause und einer rein virtuellen ZP 2020 jetzt der Neustart mit einem hybriden Programm, das Wiederverbinden mit dem Publikum und den Ausstellern. Die Bedingungen: Maske, Abstand, 3G. Das Szenario vor Ort: keine Schlangen am Eingang, eine auf zwei Hallen und wenige Bühnen abgespeckte Messe mit großzügigen Kontaktflächen mit schmalen Stehtischen für die Aussteller. Kaum als solche erkennbare Stände mit Aufbauten. Da setzte bei vielen Besuchern – laut Pressemitteilung waren es über 4.000 an drei Tagen – schlagartig Ernüchterung ein. So viel Raum war selten. Immerhin, vor den Bühnen wurde das Programm wenigstens zu den Kernzeiten gut angenommen und manchmal waren auch alle Plätze besetzt. Laut Messe war man zufrieden mit dem Neustart unter Extrembedingungen, und auch die ohne große Erwartungen gekommenen Aussteller hätten gute Gespräche geführt. Viele freuten sich auch einfach nur, sich endlich mal wieder persönlich zu treffen und austauschen zu können – ohne den Bildschirm dazwischen.

L&D pro: Messe-Feeling mit Liveband

Auch Alexander S. Petsch, Veranstalter der L&D pro in München, war in Köln und beobachtete die Situation angespannt. Er hatte die erste Live-Veranstaltung nach mehr als einem Jahr Pause noch vor sich. Veranstaltungsort der als Expofestival aufgemachten eintägigen Messe Ende September: das MGV Museum in München. Eine überschaubare, helle Halle mit zwei Bühnen und den Ständen der Aussteller. Selbstverständlich auch hier ein Mix aus Vorträgen und Ausstellung, dazu ein kleines Barcamp der Corporate Learning Community. Die Überraschung: weniger Leute, aber sonst alles fast wie gewohnt. Große Fahnen vor dem Eingang, Musik einer Liveband schon zur Begrüßung, Messestände wie vor der Pandemie, das Barcamp-Angebot und selbst die Party danach konnte mit dem notwendigen Abstand und Maske stattfinden. Der Freistaat Bayern hatte rechtzeitig die Corona-Maßnahmen gelockert. Auch hier begrüßte man einen gelungenen Restart unter schwierigen Bedingungen, sowohl auf Seiten der Aussteller wie der Messe.

Erwartungen zu Online Educa und Learntec

Noch sind wir mit den "Neustarts" nicht durch. Die Online Educa in Berlin, wenngleich mehr Kongress als Messe, steht im Dezember bevor und die Learntec macht im Februar den Abschluss. Voraussichtlich und soweit man das bislang sagen kann. Doch ob das Messegeschäft mit dem Themenschwerpunkt Corporate Learning sich wieder so entwickelt, wie es vor der Pandemie war, nur ergänzt um hybride oder rein virtuelle Angebote, lässt sich womöglich auch dann noch nicht sagen.

Zukunft der Messen weiterhin ungewiss

Was sich sagen lässt: Hinter den Kulissen gärt es. Viele Messeveranstalter suchen (notgedrungen) neue Konzepte, viele Aussteller überdenken ihre Präsenz. Große Anbieter setzen auch auf eigene Veranstaltungen, live oder virtuell. Das war schon vor der Pandemie so und hat sich nicht geändert. So können sie Themen besetzen, den Kunden die Gelegenheit geben, sich zu präsentieren und den Kundendialog intensivieren. Auf den Messen wird die Verflechtung von Vortragsprogramm und Ausstellerangebot oft als schwieriger empfunden. Selbst wenn die Vortragsforen voll sind oder wieder sein sollten, finden die potenziellen Kunden anschließend nicht automatisch den Weg zu den Ausstellern, sodass diese davon profitieren. Auch ein Barcamp auf einer Messe zu integrieren, wie es zum Beispiel auf der L&D pro versucht wird oder in ähnlicher Form für die Zukunft Personal mal geplant war,  ist schwer und bedarf erheblicher Anstrengungen, um bereits im Vorfeld bei den Messebesuchern dafür zu werben.

Es bleibt also spannend. Vor den Verantwortlichen und ihren Unterstützern aus Messe- und Programmbeiräten liegt viel Arbeit und gute Ideen sind nötig, die alle Möglichkeiten berücksichtigen, einschließlich virtueller Räume, neuer Präsenzformate und Zielgruppen. Sonst geht es unseren beliebten Branchentreffen wie anderen vor ihnen. Dass die Cebit eines Tages mir nichts dir nichts und ganz ohne das Zutun einer Pandemie verschwindet, hätte schließlich lange Zeit auch keiner gedacht.


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift "wirtschaft + weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt.