Neuro-Feedback im E-Learning

Wenn Lernen anhand von Datenanalysen motivierender, effektiver und individueller gestaltet werden kann, dann ist das eine gute Sache. Wenn jedoch sogar die Gedanken der Lernenden überwacht und kontrolliert werden, sind wir im Überwachungsmodus angekommen. Nicht alles, was möglich ist, sollte auch möglich sein, meint unsere Kolumnistin Gudrun Porath.

Stellen Sie sich vor, Ihr Aufmerksamkeitslevel beim Lernen steht Ihnen auf die Stirn geschrieben. Immer, wenn Sie gerade anfangen abzudriften, wechselt das Stirnband, das Sie zu diesem Zweck tragen, die Farbe und meldet Veränderungen sofort an den Trainer. Der muss dazu gar nicht direkt neben Ihnen stehen. Weil das System mit einer App auf seinem Smartphone oder auf einem Bildschirm  verbunden ist, weiß der Trainer immer über Ihren Aufmerksamkeitsstatus Bescheid.

Neuro-Feedback über ein Stirnband

Macht das System eine Meldung, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Sie erhalten ein Neuro-Feedback über das Stirnband, der Trainer meldet sich bei Ihnen oder Sie werden aufgefordert, ein Programm auf dem Smartphone oder Bildschirm zu starten, das Ihre geistige Leistungsfähigkeit trainiert. Alle dabei entstehenden Daten werden gesammelt und ausgewertet, Sie werden ständig überwacht.

Hört sich nach Science Fiction an. Ist es aber nicht!

Funktion wie ein klassisches EEG

Das System funktioniert ähnlich wie ein klassisches EEG, also durch die Messung der Gehirnströme, wie es in der Medizin durchaus üblich ist. Das Besondere daran: Die dafür benutzten Stirnbänder sind nur 90 Gramm leicht und stören kaum noch, wenn man sie ständig trägt. Außerdem wird das System mit Hilfe der Daten aus Millionen gesammelter Gehirnströme per künstlicher Intelligenz trainiert und weiterentwickelt. Bis es vielleicht einmal Ihre Gedanken lesen kann.

Brain Co gehört zu den führenden BMI-Unternehmen

Entwickelt hat so ein System ein im Jahr 2015 gegründetes  Startup ehemaliger Harvard-Studenten und MIT-Ingenieure aus  Boston namens „Brain Co“. Mittlerweile wird Brain Co zu den führenden Unternehmen  im Bereich BMI (Brain Machine Interface) und künstliche Intelligenz gezählt, 2017 hat es den „Most Innovative Award“ der International Society for Technology in Education Conference gewonnen. 2018 wurde der Gründer, Bicheng Han, in die Liste der 30 wichtigsten Personen der chinesischen Ausgabe der Zeitschrift „Forbes“ gewählt.

Versuch mit Schülern und Studenten in China

China ist nicht nur die Heimat der Investoren, die 2017 bereits 15 Millionen Dollar in das Unternehmen gesteckt haben. In China wird das Stirnband auch ausprobiert. Dort hätten 10.000 Schüler die Stirnbänder 21 Tage lang getragen, währenddessen deren Lehrer den Level ihrer Aufmerksamkeit stets überwacht haben, meldet das Portal „Newscientist“. Das Ziel: Man wolle den Unterricht in dem asiatischen Land verbessern und Zielgruppen wie Schüler oder Studenten ein besseres Lernergebnis ermöglichen.

Messbarkeit von E-Learning nimmt an Bedeutung zu

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn Unterricht und Lehre ebenso wie Weiterbildung und Training im betrieblichen und beruflichen Umfeld wirksamer und individueller gestaltet werden. Wer genau weiß, wo es hakt, kann Lernangebote wirksam verbessern. Einen Lernerfolg anhand von messbaren Ergebnissen nachweisen zu können, schadet nicht bei Budgetverhandlungen und überhaupt ist „Messbarkeit“ von E-Learning wie Weiterbildung generell ein Riesenthema, dessen Bedeutung zunimmt.

Die EEG-Stirnbänder indessen eröffnen eine neue Dimension an Überwachungsmöglichkeiten und damit auch die Diskussion nach den Grenzen dessen, was wir zulassen wollen.


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift "wirtschaft + weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt.