Marktgespräch HR-Software mit Melanie Wagner von Hi Bob

Das israelische Scale-up Hi Bob bietet eine HR-Plattform-Software für kleine und mittelständische Unternehmen. Mit einer Bewertung von 2,45 Milliarden US-Dollar ist es bereits das zweite Einhorn in diesem Marktsegment. Rechtfertig das Marktpotenzial eine solche Bewertung? Ein Gespräch mit Melanie Wagner, Country Managerin DACH bei Hi Bob.

In den vergangenen Jahren flossen Milliarden Dollar an Wagniskapital in Software-Startups. Davon profitierten auch zahlreiche Gründerinnen und Gründer im HR-Umfeld - darunter Ronni Zehavi und Israel David. Mit ihrem 2015 in Tel Aviv gegründeten Startup Hi Bob sammelten die beiden bis heute mehrere hundert Millionen US-Dollar an Finanzierungen ein. Es ist die Wette der Investoren auf den Erfolg einer HR-Plattform-Software für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) – auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Die Software bietet unter anderem Stammdatenverwaltung, Talent Management, Zeiterfassung und Leistungsmanagement. Inzwischen beschäftigt das Scale-up in der DACH-Region 20 Mitarbeitende, weltweit sind es rund 650. Seit dem vierten Quartal 2021 hat das Unternehmen die Zahl seiner Beschäftigten mit mehr als 380 Neueinstellungen verdoppelt.

Im Verdrängungsmarkt ist Schnelligkeit gefragt

Dieser Höhenflug könnte nun ein Ende finden. Eine Rezession kündigt sich an – und könnte eine Konsolidierung im Softwaremarkt zur Folge haben. Bange ist Deutschland-Chefin Melanie Wagner deshalb nicht: "Bis Anfang des Jahres ging es für viele Unternehmen nur ums Wachstum. Nun kommen wir in eine neue Phase. Durch die aktuellen Herausforderungen richtet sich der Blick stärker nach innen." Das Unternehmen sei wirtschaftlich darauf vorbereitet, treffe strategische Entscheidungen stets konservativ. Die Investmentgelder würden zu gleichen Teilen in die Produktentwicklung und die Expansion fließen. Doch natürlich sei in einem Verdrängungsmarkt auch Schnelligkeit ein Schlüssel zum Erfolg.

Scale-up Hi Bob inzwischen zweieinhalb Milliarden Dollar wert

Wie erfolgreich das Scale-up derzeit tatsächlich wirtschaftet, lässt sich nur erahnen. Einer Bewertung von knapp zweieinhalb Milliarden US-Dollar stehen 2.500 Kunden weltweit, davon 600 mit Standorten in Deutschland gegenüber. Umsatzzahlen nennt Wagner nicht. Nur so viel: Die Geschäfte liefen gut. Im Vergleich macht das deutsche Software-Scale-up Personio, das eine ähnliche Lösung anbietet, mit rund 5.000 Kunden etwa 100 Millionen Euro Umsatz. Nach dieser Rechnung käme Hi Bob auf etwa 10 Millionen Euro im DACH-Markt. Das Wachstum sei in den letzten sechs Jahren jeweils dreistellig gewesen, sagt Wagner. Ein Aussage, die angesichts der Unternehmensgröße relativ zu betrachten ist.

Großes Marktpotenzial in Sicht

Wie verlässlich ist nun eine solche Bewertung in einem Umfeld, in dem Venture Capital bis vor Kurzem scheinbar endlos verfügbar schien? "Ich halte unsere Bewertung für ein gutes Indiz für den Wert des Unternehmens", sagt Wagner. Das Marktpotenzial schätzt sie auf rund 60.000 kleine und mittelständische Unternehmen allein in der DACH-Region. Doch ihre Kernzielgruppe seien nicht einfach KMU, sondern lediglich diejenigen, die Wagner als "modern, mittelständisch, multinational" beschreibt. Im Schnitt seien das Unternehmen mit 100 bis 1.000 Beschäftigten, schnellwachsend, skalierend und mit hohem Wandlungsdruck.

Revierkämpfe unter Unicorns möglich

Damit steht Hi Bob im Wettbewerb mit einem weiteren Unicorn: Personio, das seine Zielgruppe allerdings weiter definiert. Kommt es also zum Revierkampf zweier Einhörner? Eher nicht. Wagner sieht im Markt mittelfristig ausreichend Potenzial für drei große Player. Neben Personio schätzt sie die beiden amerikanischen Anbieter Rippling und Workday mit Ambitionen. Hier zeigt sich bereits die neue Softwarewelt, denn alle Wettbewerber - Hi Bob eingeschlossen - setzen ausschließlich auf Cloud-basierte Lösungen. Den größten, Workday, kennt Wagner nur zu gut. Als Vertriebschefin Deutschland war sie dort für das Segment "Medium Enterprises" verantwortlich. Nun setzt sie mit einem Scale-up zum Überholmanöver an.

Ob das gelingen kann? Wagner ist davon überzeugt. HR-Verantwortliche hätten längst begriffen, dass die Softwarelösungen das Geschäftsmodell ihres Unternehmens unterstützen könnten. Das gelänge allerdings nur, wenn die Software ebenso auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden wie auf die der Personalerinnen und Personaler ausgelegt sei. Dieses Versprechen geben viele Softwareanbieter.


Zur Serie: Im "Marktgespräch HR Tech" spricht die Haufe Online Redaktion in regelmäßigen Abständen mit Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen etablierter Softwarehäuser sowie aufstrebender Startups und beleuchtet dabei die Entwicklungen und Trends im Markt für HR-Software.


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