Leadership: Die Führungskraft als Marke

Führen und Folgen sind die Grundlage gelingender Zusammenarbeit. Doch ihre Voraussetzungen unterliegen dem Wandel. Unser Kolumnist Randolf Jessl beleuchtet diesmal die Frage: Wie können Führungskräfte glaubhaft eine Personenmarke aufbauen?

Der amerikanische Managementprofessor Dave Ulrich hat unter deutschen Personalern einen klingenden Namen. Viele Trends wie das „Business Partner-Modell“ oder das „Outside-In-Denken“ gehen auf den Professor der Universität in Michigan zurück. Eine seiner Empfehlungen dagegen hat in Deutschland nur wenig Widerhall gefunden. Und das ist nicht verwunderlich.

Vor gut zehn Jahren hat er gemeinsam mit seinem Co-Autor Norm Smallwood die Idee einer „Personal Leadership Brand“ publik gemacht. Ein Harvard Business Review Artikel und ein Interview mit David Ulrich und Norm Smallwood finden sich dazu im Netz. Darin argumentieren die beiden, auch Führungskräfte müssten gezielt daran arbeiten, wie sie als Leader von anderen wahrgenommen werden und dazu eine Markenidentität ausbilden.

Warum Markenbildung zum Thema wird

Der Gedanke ist für die in Sachen Selbstmarketing reservierten Europäer sicher fremd. Dabei gewinnt er rasant an Bedeutung. Das hat zwei Gründe: Zum einen, weil eine in Social Media äußerst bewanderte junge Generation ohnehin mit Spaß und Cleverness an ihrer „digitalen Identität“ und ihrer „Personenmarke“ (Personal Brand) feilt. Und weil unsere Mediengesellschaft mit ihren Tweets, Podcasts und Ted-Talks diesen Trend befeuert.

Zum anderen, weil sich unsere Arbeitswelt auf jene Art verändert, die den Anlass für diese Kolumne zum Thema Leadership liefert: Führung ist in ihr immer seltener ein Amt auf Lebenszeit mit Schulterklappe, sondern eher eine Rolle auf Zeit. Dabei wird es wichtiger, dass bekannt ist, wofür eine Person – auch und gerade in Führungsfragen - steht. Denn nur so können die, die folgen wollen, aus freien Stücken darüber entscheiden, wer sie führen kann. Genau das geschieht immer häufiger in Projekten, in selbstorganisierten Teams oder in Gremien mit gewählter Führung.

Worin besteht die Leadership Brand?

Wenn Führungskräfte eine Markenidentität ausbilden, geht es daher um drei Aspekte

  • Wer bin ich?
  • Wofür stehe ich?
  • Wie führe ich (mich und andere)?

Wie jede Marke transportiert auch die Leadership Brand ein Versprechen, das sich in diesem Fall auf den Wert und die Besonderheit des Führungsverhaltens dieser Person bezieht. Diese Führungsidentität vermittelt sich in allem, was eine Person denkt, sagt und tut. Sie zeigt sich in konkreten Entscheidungen, in jedem Akt der Kommunikation, in Schriftstücken und Präsentationen, in Tweets und Intranet-Posts sowie im Umgang mit Menschen aller Bereiche im Unternehmen und darüber hinaus.

Wie entsteht die Markenidentität?

Doch im Unterschied zum Image, das Führungskräfte über Jahre hin ausbilden („der knallharte Sanierer“, „die kühle Analytikerin“, „der kantige Patriarch“), wird die Fremdwahrnehmung im Markenbildungsprozess bewusst gestaltet. Das geschieht, indem man sich mit dem, was man ist, wofür man steht und wie man führt, bewusst positioniert und seine Führungsidentität kontinuierlich vermittelt.

Aber Vorsicht: Hierbei gibt es zwei gegensätzliche Auffassungen! Die einen wollen dabei Erwartungen anderer bedienen, die anderen wollen diese lediglich formen und kanalisieren. Die Anhänger der ersten Auffassung empfehlen, von den Followern und dem Businesskontext aus zu denken und sich als der zu präsentieren, der mit seinen Stärken und seinem Wesenskern die Anforderungen der Umwelt bestens bedient. Die anderen raten, von den eigenen Werten, Stärken und Vorhaben aus zu denken und klar zu machen, wofür man taugt und wofür eben nicht.

Warum eine Leadership Brand für Manager nicht taugt

In meinen Augen funktioniert glaubhaft nur der zweite Ansatz. Weshalb der ganze Leadership-Brand-Gedanke auch nicht für Managerinnen und Manager geeignet ist, die ihre Aufgabe darin sehen, in jeder Gemengelage und angesichts jeder Herausforderung bestmöglich zu funktionieren und handwerklich sauber zu analysieren, zu entscheiden und zu kommunizieren.

Wer sich als (potenzielle) Führungskraft zur Marke macht, erhöht seine Wirkung, aber engt zugleich seinen Radius ein.

Diese Person kann auf Basis dessen, wer sie ist, wofür sie steht und wie sie führt, andere Menschen begeistern und mitnehmen – aber nur in Kontexten, die diesem selbstgesteckten Rahmen entsprechen. Das Leadership Brand taugt nur für Führungskräfte, die auf Basis einer eigenen Mission und ausgeprägten Persönlichkeit gestalten wollen. Multifunktionale Business Administratoren fangen damit wenig an.

Glaubwürdigkeit und Konsistenz sind Trumpf

Hinzu kommt eine weitere Restriktion. Identität kann sich zwar entwickeln, aber lebt von Konsistenz und Glaubwürdigkeit. Der viel zitierte Markenkern prägt als Wesenskern auch Personenmarken. Wer heute als harter Sanierer wahrgenommen wird, morgen aber als kreativer Vordenker und übermorgen als uneigennütziger Teamplayer gelten will, sollte sich, seine Werte und seinen Weg daraufhin befragen, wie das zusammenpasst und glaubhaft vermittelt wird. Und das nicht aus dem eigenen Blickwinkel heraus, sondern aus der Perspektive jener, die von einem gehört und gelesen haben, einen hautnah erleben und einen auf dieser Basis beurteilen.


Randolf Jessl ist freier Journalist und Inhaber der Kommunikations- und Leadershipberatung Auctority. Er unterstützt Menschen in Organisationen und auf Märkten, dank ihres Wissens und ihrer Ideen in Führung zu gehen.

Schlagworte zum Thema:  Leadership, Mitarbeiterführung