Kolumne Wirtschaftspsychologie: Verkaufsmaschen im Coaching

Wirtschaftspsychologe Uwe P. Kanning hat sich seinen Ruf erarbeitet und wird ihm auch in dieser Kolumne wieder gerecht: Mit sarkastischer Ruhe zeigt er drei Strömungen im Coaching auf, die er als Verkaufsmasche ohne praktischen Nutzen enttarnt.

Wer als Coach kompletten Unfug erfolgreich vermarkten möchte, dem stehen im Prinzip (mindestens) drei Argumentationsstrategien zur Verfügung.

Coaching-Verkaufsstrategie 1: Esoterik als Grundlage

Im einfachsten Fall setzt man alles auf die Esoterik-Karte. Die eigene Methode dient dann dazu, irgendwelche imaginären Blockaden einer nicht minder imaginären Energie freizusetzen und grenzenlose Potentiale – die natürlich in jedem Kunden und jeder Kundin schlummern – zu entfalten. Der Glaube an magische Energiefelder schränkt zwar von vornherein den Kreis der Opfer ein, dafür wird es aber auch keine kritischen Nachfragen geben, denn schließlich baut die eigene Verkaufsstrategie komplett auf den Überzeugungen der Kunden und Kundinnen auf. Niemanden interessiert, in welcher Maßeinheit die Energie gemessen wird oder wie sich die Existenz der Blockaden objektivieren ließe.

Coaching-Verkaufsstrategie 2: große Erfahrung

Deutlich größer – wenn auch weniger folgsam – ist der Kundenkreis, wenn Strategie zwei zum Einsatz kommt. Hier läuft alles über die Erfahrung. Der Coach setzt seine Methoden seit vielen Jahren ein und Erfahrung führt natürlich zwangsläufig immer zur Expertise. Das erkennt man ja schon daran, dass erfahrene Heilpraktiker in der Krebsbehandlung viel erfolgreicher sind als junge Onkologen. Besonders überzeugend ist der Coach, wenn sein Ansatz durch die Erfahrungen der Klienten und Klientinnen Unterstützung findet. Zufriedene Klienten und Klientinnen deuten automatisch auf eine wirksame Methode hin, denn wer könnte es besser wissen als diese selbst? Hier verhält es sich bei Coaching nicht viel anders als bei Sekten. Gute Sekten erkennt man daran, dass die Jünger mit ihrem Guru zufrieden sind.

Coaching-Verkaufsstrategie 3: pseudo-wissenschaftliche Erkenntnisse

Die dritte Strategie hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Beliebtheit gewonnen. Der Coach macht sich dabei die Autorität der Wissenschaft zu Nutze und behauptet einfach, dass seine Methode auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiere. Die beste Legitimationsbasis hierfür bieten die Naturwissenschaften, allen voran die Neuroforschung. Sie hat den Vorteil, dass kaum noch ein Kunde mündig mitreden kann. So geht es beispielsweise darum, beide Hirnhälften zu aktivieren, denn dummerweise hat die Natur ja dafür gesorgt, dass immer eine Hälfte des Gehirns sinnlos vor sich her stoffwechselt, würde der Coach ihr nicht auf die Sprünge helfen. Beliebt ist auch der Hinweis auf so geheimnisvolle Orte, wie das Limbische System, die Amygdala oder irgendeinen Gyrus Dubiosus, den der Coach kurzerhand zu seinem Co-Trainer erklärt. Bei Strategie drei verliert der Coach zwar alle Querdenker und Verschwörungstheoretiker, die sind aber ohnehin in ihrer Weltanschauung so gefestigt, dass sie kein Coaching in Anspruch nehmen würden.

Coaching-Verkaufsstrategie 3b: quantenphysikalische Erkenntnisse

Ein besonders schöner Auswuchs der dritten Strategie stellt das quantenphysikalische Coaching dar. Es beruht, wie der Name bereits verrät, auf der Nutzung kleinster physikalischer Bausteinchen des Atomkerns zum Zwecke des Coachings und das sieht ungefähr so aus:

  • Nehmen wir einmal an, ein Geschäftsführer sei mit seinen alltäglichen Aufgaben mehr oder weniger überfordert und habe sich daher entschlossen, die Dienste eines quantenphysikalischen Coaches in Anspruch zu nehmen.
  • Der Coach sucht nun seinen Klienten, ausgestattet mit einem Notebook und einer geheimen Software, direkt am Arbeitsplatz auf.
  • Gespräche sind eigentlich nicht von Nöten. Dies ist ein großer Vorteil des Ansatzes, denn Geschäftsführer haben in der Regel keine Zeit. Der Coach schreitet vielmehr unmittelbar zur Tat, schließt eine Sonde an sein Notebook an und misst die quantenphysikalischen Schwingungen im Unternehmen.
  • Anschließend analysiert seine Software Anomalien, in den so gewonnen Datenmustern. Diese Anomalien sind die Ursache für die Missgeschicke des Klienten.
  • Im letzten Schritt wird der Prozess umgekehrt: Mit Hilfe von Software und Sonde verändert der Coach die Quantenfelder im Unternehmen und siehe da, alles wird gut. Die Mitarbeitenden lesen fortan ihrem Chef alle Wünsche von den Lippen ab, die Kunden und Kundinnen reißen ihm die Produkte aus den Händen und der Gewinn steigt in astronomische Höhen.

Herrlich! Gäbe es die Quantenphysik nicht, dann müsste man sie erfinden, allein schon, um völligen Unfug im Coaching erfolgreich vermarkten zu können.

Physikalische Laborexperimente für Coaching unbrauchbar

Dass es Quanten gibt, steht außer Frage, auch dass sie unser Verständnis für physikalische Prozesse im subatomaren Raum verändert haben. Ihre Nutzbarmachung im Coaching ist aber ungefähr so sinnvoll, wie der Einsatz des Periodensystems der Elemente oder die Erkenntnisse der Vampyrologie. Physikalische Phänomene, die sich in strengen Laborexperimenten, im Vakuum, beim absoluten Nullpunkt, im subatomaren Raum belegen lassen, sagen schlichtweg nichts über menschliches Verhalten aus. – So einfach sind manchmal die Dinge.


Der Kolumnist  Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.

Schauen Sie auch einmal in den  Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" hinein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel zusammenfassend, wie Sie gute von schlechten Testverfahren unterscheiden warum Manager scheitern, wie ein Akzent die Bewertung von Bewerbern beeinflusst oder wie "smart" gesetzte Ziele für eine Leistungssteigerung sein müssen.

Schlagworte zum Thema:  Coaching, Personalentwicklung, Personalarbeit