Kolumne Recruiting: Recruiting-Trends: Dabeisein ist nicht alles

Was wird dieses Jahr der nächste große Recruiting-Trend? Kolumnist Henner Knabenreich hat sich darüber Gedanken gemacht – und ist zum Fazit gekommen, dass das Dabei-sein-Wollen bei allerlei Trends so seine Risiken birgt. Er blickt zurück auf einige Hypes der vergangenen Jahre.

Viele Leute blicken zum Jahresende oder –anfang gerne in die Glaskugel. Auch ich werde oft gefragt, was denn wohl "the next big thing" im Recruiting ist. Wenn ich das wüsste, würde ich vermutlich nicht pausenlos am Rechner sitzen und Ihnen hier oder auf meinem Blog die Leviten lesen.

Vermutlich doch. Schließlich ist das meine große Leidenschaft. Nur, dass ich dann eben nicht in meinem schönen Wiesbadener Büro sitze, sondern vielleicht vor einer Almhütte, umgeben von saftigen Wiesen, hohen Bergen und Holz vor der Hüttn. Oder an einem schönen Strand irgendwo in der Südsee. Vorausgesetzt, dort gibt es W-Lan.

Facebook-Karriereseiten: Dabeisein ist alles

Ehrlich gesagt sehe ich aber auch eine leichte Gefahr darin, irgendwelche Trends zu proklamieren. Das hat nämlich zur Folge, dass sich dann alle blindlings drauf stürzen und alles andere vernachlässigen.

Das hat man seinerzeit beispielsweise sehr schön bei den Facebook-Karriereseiten gesehen. Wenn ich danach fragte, warum man denn unbedingt dabei sein wolle, bekam ich oft ein "weil die anderen auch eine haben" oder "weil da die Zielgruppe ist" oder Ähnliches zu hören. Besonders schräg fand ich es, wenn mir dann zu Ohren kam, dass die Einrichtung einer solchen Facebook-Seite an Zielvereinbarungen gekoppelt war.

Social-Media-Recruiting: Rohrkrepierer oder Massenphänomen?

Ganz schön still geworden um dieses Social-Media-Recruiting respektive -Personalmarketing. Warum? Weil es in der breiten Masse angekommen ist? Oder weil es sich zum Rohrkrepierer entpuppt hat?

Nun, die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Während es früher Konferenzen zuhauf zu dem Thema gab, sind die nahezu spurlos vom Erdboden verschwunden. Ebenso wie viele Unternehmen den Rückzug auf Facebook angetreten haben.

Sicher, andere ziehen bei dem Trend noch nach. Aber da hat dann der Bewilligungsprozess eben etwas länger gedauert. Und da man ja schon lange am Planen war und sich schon seit drei Jahren freut, endlich mitzumischen, zieht man das auch durch. Ob die Zielgruppe das will, oder nicht. Ob ausreichend Ressourcen vorhanden sind, oder nicht. Hauptsache dabei.

Zielgruppen-Dilemma: Professionals oder Bewerber mit Erfahrung?

Und wenn wir über das Mysterium der Zielgruppe sprechen, haben wir das nächste Dilemma. Denn die Definition der selbigen fällt vielen Unternehmen offensichtlich schwer. Und so liest man dann immer von Schülern, Studenten, Absolventen und Professionals.

Keinem fällt auf, dass Spezialisten ohne Studium dann mal eben schnell über die Klinge springen (oder gesprungen werden). Und keinem fällt auf, dass man in erster Linie eigentlich Bewerber mit konkreten Fähigkeiten sucht, also beispielsweise Software-Entwickler oder Elektro-Ingenieure oder meinetwegen auch Vertriebler.

Prognose: Stellenanzeige bleibt das Top-Medium

Solange es dem Großteil der Arbeitgeber nicht gelingt, die Hausaufgaben ordentlich zu machen, so lange macht das Hinterherhecheln hinter irgendwelchen Trends wenig Sinn.

Nach wie vor (und jetzt erlaube ich mir den Blick in die Glaskugel) und auch in den nächsten Jahren wird die Stellenanzeige das Top-Medium sein, über das ein Bewerber auf Ihre Stellen aufmerksam wird. Und solange ein Großteil dieser Stellenanzeigen nicht einmal die Hälfte der Mindestanforderungen erfüllt und somit Bewerber entweder gar nicht erst erreicht oder aber diese in die Flucht geschlagen werden, so lange brauchen Sie sich nicht auf den neuesten Trend zu stürzen.

Fazit nach 20 Jahren E-Recruiting: viel Luft nach oben

Auch was die Gestaltung von Karriereseiten angeht, so ist nach 20 Jahren E-Recruiting in Deutschland noch verdammt viel Luft nach oben. Es fängt schon damit an, dass auf vielen Unternehmens-Homepages der Arbeitgeber gar nicht erst in Erscheinung tritt – ganz einfach weil der Karriere-Button entweder gut versteckt oder aber auch gar nicht erst vorhanden ist.

Und wenn der Bewerber sich dann doch irgendwie zu den Jobs durchgeschlagen hat, wird er gleich wieder mit abschreckenden Online-Formularen oder Anmelde-Prozessen vergrault.

Was die Unternehmen vielleicht nicht sonderlich juckt, denn die haben den neuesten Trend für sich entdeckt: Kommunikation mit dem Bewerber, da wo er vermeintlich ist. Nämlich auf Whatsapp. Dass dabei gegen jegliche Datenschutz- und sogar die Nutzungsbedingungen des Diensts selbst verstoßen wird, juckt keinen. Hauptsache dabei eben.

Kolumnist Henner Knabenreich 

ist Geschäftsführer der Knabenreich Consult GmbH. Er berät Unternehmen bei der Optimierung ihres Arbeitgeberauftritts. Zudem ist er Initiator von www.personalblogger.net und betreibt selbst den Blog  personalmarketing2null.de.

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