Kolumne Recruiting: Mehr Berufsorientierung im Azubi-Recruiting

Tun sich Personaler beim Azubi-Recruiting schwer, suchen sie gern die Schuld bei den Bewerbern: zu unqualifiziert, zu undiszipliniert. Doch auch in den Unternehmen könnte einiges besser laufen. Unser Kolumnist Henner Knabenreich fordert daher ein Ende des Jammerns und mehr Berufsorientierung.

Dass deutsche Ausbildungsbetriebe händeringend nach geeigneten Azubis suchen, ist keine neue Erkenntnis. Diese Schlagzeile begleitet uns nun schon seit Jahren. Aktuell sind es 80.000 Lehrstellen, die noch unbesetzt sind.

Schuld daran, so heißt es, sei – neben dem demografischen Wandel und politischen Fehlentscheidungen – vor allem die mangelnde Ausbildungsreife der Bewerber. In der Ausbildungsumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) ist zu lesen, dass 75 Prozent der Unternehmen damit Probleme haben.

Infolgedessen entscheiden sich viele Unternehmen gegen eine Ausbildung. Das ist doppelt fatal: Jugendliche stehen auf der Straße und Unternehmen gehen den Bach runter, weil kein eigener Nachwuchs mehr gezüchtet wird.

Suchen Sie Azubis oder fertig qualifizierte Fachkräfte?

Natürlich lässt sich mangelnde Ausbildungsreife nicht als alleinige Ursache des Fachkräftemangels begründen. Auch die Unternehmen selbst tragen eine Mitschuld. Denn die ziehen längst nicht alle Register, wenn es darum geht, sich als attraktiver Ausbildungsbetrieb zu präsentieren. Das belegen verschiedene Studien eindrucksvoll. So heißt es zum Beispiel in einer Studie von McKinsey, dass sich 64 Prozent aller jungen Menschen bezüglich ihrer späteren Berufswahl falsch beziehungsweise unzureichend informiert fühlen.

Zudem stellen die Unternehmen oft selbst zu hohe Ansprüche an Bewerber. So manche Stellenausschreibung erweckt den Eindruck, es werden gar keine Azubis gesucht, sondern fertig qualifizierte Fachkräfte.

Bevor Sie also in Klagegesänge ausbrechen, sollten Sie sich fragen, ob Sie auch alles dafür tun, potenziellen Bewerbern (genügend) Informationen an die Hand zu geben, die diese bei ihrer Entscheidungsfindung einbeziehen können. Laut DIHK-Umfrage geben 53 Prozent der Unternehmen unklare Berufsvorstellungen der Schulabgänger als ein wesentliches Ausbildungshemmnis an. Und gemäß Azubi-Report 2014 brechen sogar rund 49 Prozent der Befragten ihre Ausbildung aufgrund mangelnden Interesses und falscher Vorstellungen ab.

Woher sollen die Bewerber auch nur eine Ahnung haben, was von ihnen verlangt wird, wenn Unternehmen außer den (oft nur rudimentären, mehr oder minder aus dem Stellentitel bestehenden) Stellenangeboten selbst keine weiteren Informationen bereitstellen? Wenn sie keine Schnupperpraktika oder Probearbeitstage anbieten? Oder sie keine umfangreichen Einblicke ins Unternehmen und das Berufsbild per Website, Social Media, Schulbesuche oder dergleichen ermöglichen?

Blinder Aktionismus auf Facebook & Co.

Alarmierend ist in diesem Zusammenhang: Nur 60 Prozent der Unternehmen nutzen laut DIHK-Studie das Internet für Ausbildungsmarketing. 86 Prozent von ihnen veröffentlichen ausschließlich Jobs auf der eigenen Website. Das ist zwar schon mal besser, als gar nicht im Internet präsent zu sein, hilft aber leider nicht bei der Berufsorientierung. Stattdessen stürzt man sich in blindem Aktionismus auf Facebook & Co. – ohne Strategie, ohne Plan, ohne Herzblut und Ressourcen. Und vergisst dabei, dass ein Großteil der Jugendlichen eine Ansprache auf Facebook gemäß Azubi-Recruiting-Trends-Studie als unseriös empfindet. Egal, Hauptsache dabei – so denken offenbar viele Unverbesserliche.

Die Hauptinformationsquelle überhaupt aber wird mit Missachtung gestraft: die eigene Unternehmenswebsite. Genauer: Die Seiten, die über Ausbildung, Karriere und den Arbeitgeber informieren und über die letztendlich Bewerbungen angebahnt werden. Diese Karriereseiten sollten sich eben nicht nur auf die Jobs beschränken, sondern auch zielgruppengerechte Infos über Ausbildungsberufe und –betrieb sowie über die Unternehmenskultur beinhalten.

Warum das so wichtig ist? Je genauer ein Bewerber über einen Ausbildungsberuf und das, was ihn im Betrieb erwartet, informiert ist, umso besser kann er für sich entscheiden, ob er und das Unternehmen zusammenpassen. Im Zweifelsfall bewirbt er sich dann nicht – aber das ist auf alle Fälle besser, als wenn sich jemand bewirbt und dann frustriert die Flinte ins Korn wirft, weil er nicht das vorgefunden hat, was er zu erwarten glaubte.

In diesem Sinne: Machen Sie was draus! Jammern aus, Berufsorientierung an!

Henner Knabenreich ist Geschäftsführer der Knabenreich Consult GmbH. Er berät Unternehmen bei der Optimierung ihres Arbeitgeberauftritts. Zudem ist er Initiator von www.personalblogger.net und betreibt selbst den Blog personalmarketing2null.de.

Haufe Online Redaktion

Schlagworte zum Thema:  Ausbildung, Recruiting, Personalmarketing