Kolumne E-Learning: Und es hat nicht nur Zoom gemacht

Videokonferenzen sind aus der aktuellen Lernwelt nicht mehr wegzudenken. Das zeigt die Liste "Top Tools for Learning" aus einer Umfrage der britischen Workplace-Learning-Expertin Jane Hart. Die Liste zeigt aber auch: Nicht alle digitalen Tools profitieren von der veränderten Lage. Kolumnistin Gudrun Porath klärt auf.

Es ist etwas ruhiger geworden in der E-Learning-Branche. Noch vor den Ferien haben wir uns förmlich überschlagen mit Umfragen bei Anbietern und Unternehmen. Wird E-Learning profitieren? Was passiert gerade auf dem Markt? Wem geht es gut, wem weniger? Welche Tools sind gefragt?

Einig war man sich vor allem darin, dass Corona Spuren hinterlässt. Auch auf der seit 2007 alle Jahre wieder erscheinenden Top-Tools-for Learning-Liste der britischen Workplace-Learning-Expertin Jane Hart sind diese Spuren zu sehen. Eigentlich handelt es sich um vier Listen: eine für das persönliche Lernen, eine für Workplace Learning (WL), eine für E-Learning in Education plus ein Overall-Ranking, eine Gesamtliste, in der alle Ergebnisse zusammengeführt sind. Der Unterschied zu allen anderen Umfragen ist, dass Harts Liste nicht auf abgefragten Angaben von Anbietern und Unternehmen beruht, sondern dass jeder sich daran beteiligen kann, der E-Learning-Tools nutzt. Es gibt keine Beschränkung des Zugangs und keine vorgegebenen Antworten. Wer teilnimmt gibt an, was er gerade für das persönliche Lernen, das Lernen am Arbeitsplatz oder für Bildung und Lehre nutzt. Das macht die Liste in jedem Jahr wieder zu einer spannenden Lektüre, die Erwartetes bestätigt, aber immer auch für Überraschungen und Entdeckungen gut ist und eine Art Seismograph für aktuelle Entwicklungen schafft.

Videokonferenz- und Kollaborationstools liegen vorne

Sieger der WL-Charts in diesem Jahr: Zoom (Overall-Ranking Platz 2). Zoom ist für Hart sogar das Werkzeug des Jahres 2020 und sicher nicht nur für sie. Das Tool läuft stabil und ist einfach zu bedienen. Jeder kann damit umgehen. Das stellt alle Datenschutzbedenken ins Abseits und ist ein Beweis dafür, was für die Nutzer wirklich zählt: Ein System, dass sie bedienen können und das stabil läuft. Shooting-Stars unter den Videokonferenz-Tools sind Google Meet, im Gesamtranking um 77 Plätze gestiegen, und das norwegische Whereby, das ganze 79 Plätze nach oben wanderte. Jitsi Meet, Webinar Geek und Gobrunch sind Tools, die erstmals auf der Liste erscheinen.

Auf Rang 2 der WL-Charts landet mit Microsoft Teams (Platz 5 im Gesamt-Ranking) ein Tool, das auch, aber nicht nur für Online-Meetings genutzt wird und in die Kategorie Kollaborationsplattformen fällt. Mit Padlet, Slack und Trello finden sich zwei weitere Kollaborationstools unter den Top 20, mit Clickup schafft es eine ganz neue Plattform dieser Art auf Anhieb auf Platz 76.

Lernplattformen erleben neuen Frühling

Während Youtube sich beim WL-Ranking auf Rang 4 hält (insgesamt führt das Tool die Rangliste der Top Tools an) und die Video-Plattform Vimeo auf  Rang 23 der WL-Charts klettert, geht es anderen, auf Videos basierenden Lernplattformen weniger gut. Linkedin Learning etwa verliert ebenso an Zuspruch wie die TED Talks, Udemy und Coursera oder Future Learn. Anders geht es den meisten Lernplattformen auf der Liste. Moodle etwa macht einen Sprung nach vorne, Google Classroom einen noch größeren, wenn auch nicht beim Workplace Learning.

A-New-Spring heißt eine Lernplattform, die um 77 Plätze auf Rang 40 der WL-Tools nach oben schießt. Das in den Niederlanden entwickelte Tool trifft den Nerv der Zeit. Es richtet sich  explizit an Trainer und Weiterbildungsanbieter, die ihren Kunden auch ein digitales Lernangebot zur Verfügung stellen möchten. Auch Totara und die Neueinsteiger Askdelphi und Drillster aus den Niederlanden  profitieren bei den Learning Management Systemen, die sich zum Einsatz im Unternehmen eignen.

Künstliche Intelligenz im praktischen Einsatz

Kein Präsenztraining ohne Whiteboard, auch bei Online-Trainings muss keiner mehr darauf verzichten. Online-Whiteboards wie Moral, neu eingestiegen und gleich auf Platz 41 der WL-Tools gelandet, sowie das ebenfalls neue Miro auf Platz 49 und MS Whiteboard zeigen, was geht. Einzigartig auf der Liste sind Google Lens, eingeordnet unter Productivity, und Otter.ai, ein Online-Transkribtionstool, das die künstliche Intelligenz im Namen trägt und nutzen soll.

Womit wir wieder bei Zoom wären. Denn auf der Zoom-Welle möchte man bei Otter, zuhause im kalifornischen Los Altos, gerne mitsurfen. Also können sich Zoom-Nutzer mühsam angefertige Mitschriften künftig sparen. Beide Unternehmen arbeiten jetzt zusammen. Otter schreibt Zoom Meetings live mit und ermöglicht den Teilnehmern darüber hinaus, Anmerkungen zu machen. Das ganze funktioniert nicht nur auf dem Laptop, sondern selbstverständlich auch auf Smartphone und Tablet. Wenn es so stabil läuft, wie Zoom selbst, eine tolle Sache. Dem Datenschutz wird das möglicherweise nicht gefallen. Den Nutzern aber umso mehr.

Persönlich übrigens würde ich Jane Harts "Top Tools for Learning" glatt mit auf die Liste der Top Tools setzen und kann jedem E-Learning-Interessierten nur empfehlen, sich diese anzusehen. Einen einfacher zu bekommenden Überblick auf das, was "in" ist, was man einmal ausprobieren sollte oder was auf mittlere Sicht vielleicht nicht so gut ankommt, gibt es nicht.


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift "wirtschaft + weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt.