Interview zur Löschung von Arbeitgeberbewertungen bei Kununu

Als der Spielwarenkonzern Playmobil negative Kununu-Einträge löschen ließ, zog das einen immensen Imageschaden nach sich. Aber können Arbeitgeber einfach so verlangen, dass schlechte Bewertungen entfernt werden? Was wäre eine Alternative? Chesran Glidden von Kununu gibt im Interview Auskunft.

Zur Ausgangslage: Laut einem Bericht des Manager Magazins forderte das fränkische Spielwarenunternehmen Playmobil die Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu dazu auf, negative Kommentare zu löschen. Es handelte sich dabei um über 80 Bewertungen – mehr als die Hälfte aller Einträge. Dadurch stiegen der ursprünglich sehr niedrige Kununu-Score sowie die Weiterempfehlungsrate stark an. Aber die Aktion sprach sich natürlich herum und zog einen immensen Imageschaden nach sich.

Haufe Online Redaktion: Das Vorgehen von Playmobil zieht viele Fragen nach sich, die Arbeitgeber sich jetzt stellen. In welchen Fällen können Arbeitgeber auf Kununu zugehen und verlangen, dass negative Kritiken gelöscht werden?

Chesran Glidden: Laut unseren Guidelines sind wahrheitsgetreue und richtige Informationen für unsere Nutzer wichtig. Wenn sich unsere Nutzer über Arbeitgeber informieren, sollen sie ein Bild erhalten, das den Tatsachen entspricht. Das heißt im Umkehrschluss: Wenn unwahre Tatsachenbehauptungen in den Azubi-, Bewerber- oder Arbeitgeberbewertungen enthalten sind, dann können und sollen diese gern bei uns gemeldet werden. Dann sollten Arbeitgeber auf uns zukommen. Ähnliches gilt, wenn der Verdacht besteht, dass die Person, die die Bewertung abgegeben hat, nicht bei dem Unternehmen tätig war oder sich dort nicht beworben hat. Auch dann kann der Arbeitgeber uns seinen Verdacht melden, dass diese Person das Unternehmen nicht rechtmäßig bewertet hat.

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Haufe Online Redaktion: Wie war die Lage bei Playmobil?

Glidden: Wenn ich mich recht an den Fall erinnere, wurde durch ein anwaltliches Schreiben pauschal eine hohe zweistellige Anzahl an Bewertungen angemahnt, mit der Begründung "Diese Person hat bei uns nicht gearbeitet" – verbunden mit der Bitte, diese vom Portal herunterzunehmen. Schon jetzt hat uns eine hohe Anzahl an Mitarbeitern Tätigkeitsnachweise zugesandt. Die Rückmeldungen kamen schneller und zahlreicher als es sonst üblich ist. Die Mitarbeiter waren offenbar ziemlich erpicht darauf, uns ihre Tätigkeitsnachweise zukommen zu lassen, damit die Bewertungen wieder online gestellt werden.

Darf die Person bewerten? Sind die Inhalte wahrheitsgemäß?

Haufe Online Redaktion: Das heißt, sie gehen in solchen Fällen so vor, dass Sie die jeweiligen Personen anschreiben und sie bitten, einen Nachweis ihrer Tätigkeit für das Unternehmen zu erbringen.

Glidden: Das ist der übliche Weg. Genau so gestaltet sich der Vorgang, den wir im Hintergrund durchführen.

Haufe Online Redaktion: Was passiert in dem anderen Fall, wenn der Verdacht besteht, dass eine Bewertung eine unwahre Tatsachenbehauptung enthält? Wie gehen Sie dann vor? Bitten Sie auch die bewertende Person um Belege?

Glidden: Die erste Frage ist: Darf die Person das Unternehmen bewerten, weil sie dafür gearbeitet oder sich dort beworben hat? Die zweite Frage ist: Enthält die Bewertung nachweislich Inhalte, die gegen unsere Guidelines verstoßen oder nicht der Wahrheit entsprechen? Auch in diesem Fall liegt die Beweispflicht bei der bewertenden Person, aber zusätzlich bitten wir das Unternehmen, zu konkretisieren, warum die Bewertung inhaltlich nicht zutrifft. Im ersten Fall geht es um die Person, im zweiten Fall um die Inhalte. Wird zum Beispiel geschrieben "Es werden keine Weiterbildungen angeboten", sollte uns das Unternehmen schildern, welche Weiterbildungsprogramme es gibt.

45 Prozent der Arbeitgeber kommentieren Bewertungen

Haufe Online Redaktion: Wie häufig kommt es vor, dass Arbeitgeber auf Sie zukommen und Bewertungen löschen lassen wollen?

Glidden: Bei der Vielzahl an Bewertungen, die wir haben, kommt das durchaus vor. Eine genaue Zahl dazu habe ich aber nicht. Ich kann jedoch eine andere Zahl nennen: Immer mehr Arbeitgeber kommentieren Bewertungen auf der Plattform – sowohl positive als auch negative. Von allen auf Kununu registrierten Unternehmen, die eine Bewertung erhalten haben, kommentierten 2020 rund 45 Prozent die Bewertungen von Mitarbeitern oder Bewerbern. Das ist eine eindrucksvolle Anzahl, die zeigt, wie viele Arbeitgeber sich mit Feedback auseinandersetzen.  

Haufe Online Redaktion: Das würden Sie wahrscheinlich auch Arbeitgebern empfehlen, wenn es mal negative Bewertungen gibt: Sachlich auf die Kritikpunkte einzugehen?

Glidden: Ja. Das gilt unserer Erfahrung nach sowohl für positive als auch für kritische Bewertungen. Wenn eine Person sich die Mühe gemacht hat, dieses Feedback aufzuschreiben, sollte sich der Arbeitgeber damit auseinandersetzen und der bewertenden Person eine Rückmeldung geben. Und es gilt, sich intern mit der Kritik auseinanderzusetzen: Was kann ich davon nutzen, um das Unternehmen weiterzuentwickeln? Wenn sich Stellensuchende einen potenziellen Arbeitgeber ansehen, wollen sie wissen, wie das Unternehmen mit Kritik umgeht. Sie sehen, wer sich wirklich Zeit nimmt und auf die angesprochenen Punkte eingeht. Das ist natürlich bei manchen Bewertungen leichter möglich, bei anderen eher nicht. Aber wenn es Punkte gibt, auf die ich eingehen kann, dann sollte ich es auch tun.

Falsche oder unzulässige Bewertungen sollten gemeldet werden

Haufe Online Redaktion: Die Aktion von Playmobil hat im Nachhinein zu einem großen Imageschaden geführt. In welchen Fällen würden Sie einem Arbeitgeber überhaupt raten, Bewertungen löschen zu lassen, um hinterher nicht noch negativer wahrgenommen zu werden?

Glidden: Da würde ich wieder unsere Guidelines anführen: Wenn wirklich falsche Informationen enthalten sind oder der Verdacht besteht, dass diese Person das Unternehmen nicht bewerten dürfte, dann können und sollen die Unternehmen gern auf uns zukommen. Im Fall von Playmobil ist der Kununu-Score durch die zahlreichen Löschungen hochgegangen, aber die Aktion führte zu einer negativen Presse. Wichtig ist dabei aber auch die Frage, was das mit den Mitarbeitern im Unternehmen macht, die mitbekommen, wie ich mit Feedback umgehe. Das Ziel sollte sein, gute und zum Unternehmen passende Mitarbeiter zu gewinnen und sie auch an das Unternehmen zu binden. Dafür sind authentische Einblicke nötig und nicht der reine Blick auf den Kununu-Score.

Versucht das Unternehmen nur, einen höchstmöglichen Score zu erzielen, ist das nicht zielführend."


Haufe Online Redaktion: Heißt das, eine Höchstbewertung mit fünf Sternen ist gar nicht erstrebenswert?

Glidden: Perfekt ist nicht das erklärte Ziel, weil ein Arbeitgeber nicht perfekt sein kann. Ein Kununu-Profil, das einen Score von 5,0 aufweist, lässt Stellensuchende womöglich misstrauisch werden, weil sie ein ausgewogenes Bild mit Stärken und Schwächen erwarten, wie es sich in der Realität auch abbildet. Versucht das Unternehmen nur, einen höchstmöglichen Score zu erzielen, ist das nicht zielführend. Denn das führt zu einem Bild, das nicht authentisch ist. Für ein Unternehmen kommt es darauf an, sich so zu zeigen, wie es tatsächlich ist. Neue Mitarbeiter stellen an ihren ersten Arbeitstagen schnell fest, ob das, was ihnen versprochen wurde, Realität ist. Wenn nicht, sind sie bald wieder weg und der aufwendige Recruitingprozess war umsonst. Wichtig ist es, die Schwächen nicht zu verheimlichen, sondern klar zu sagen: "So sind wir und so sind wir nicht". Denn nicht jeder Arbeitgeber passt zu jedem Arbeitnehmer. Was ich von einem Arbeitgeber erwarte, kann etwas ganz anderes sein als das, was Sie erwarten.


Zur Interviewpartnerin:

Chesran Glidden verantwortet als Head of B2B das Arbeitgeberangebot bei der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu. Ein Beispiel für ein Unternehmen, das mit der Kommentarfunktion gut umgeht – sowohl bei positiven als auch bei kritischen Bewertungen – ist für Sie die Benteler Group.


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