Finanzierung von Edtech-Startups

Der europäischen Szene der Edtech-Startups geht es blendend und ebenso sind die Aussichten. Wer jetzt noch investieren will, sollte viel Geld mitbringen. Was allerdings fehlt, sind wirklich disruptive Geschäftsmodelle und Frauen als Gründerinnen. Das muss sich ändern, fordert unsere Kolumnistin Gudrun Porath.

Ende Januar hatte Brighteye Ventures, ein Venture-Capital-Unternehmen für Ed-Tech, zur Online-Präsentation des dritten "European Edtech Funding Report" geladen. Eigentlich hatte ich darin wenig Überraschendes erwartet, schließlich scheint digitales Lernen zu boomen, auch und insbesondere alles, was mit Corporate Learning zu tun hat. Große Finanzierungsrunden mit Millionen von Dollar selbst für deutsche und deutschsprachige Startups wie Coach-Hub oder die Wiener Gründer von Go-Student, einer Nachhilfeplattform für Schüler und Schülerinnen, machen schließlich überall die Runde und es ist auch klar, dass die englischsprachigen Gründungen global am meisten Geld bekommen.

Höhe der Finanzierungen für Edtech-Startups steigt

Der Markt ist so verlockend, dass Investoren mehr Geld denn je zuvor mitbringen. Das durchschnittliche Investment betrug im Jahr 2021 demnach 8,4 Millionen US-Dollar, und damit fast viermal so viel wie noch ein Jahr zuvor! Insgesamt wurden europäische Ed-Tech-Startups im Jahr 2021 mit 2,5 Milliarden US-Dollar finanziert.

Gefragt sind in erster Linie Corporate Learning-Angebote (926 Millionen US-Dollar) und der Bereich des lebenslangen Lernens, also das B2C-Geschäft (652 Millionen US-Dollar). Bricht man es weiter herunter, ist einfach alles dabei, was wir schon kennen: mit "360 Learning" ist ein französischer LMS-Anbieter dabei; Multiverse aus England will die Berufsausbildung mit digitalem Lernen voranbringen; Coach-Hub kümmert sich um Coaching und Mentoring, das ebenfalls in Berlin ansässige Lingoda um das Sprachenlernen für Privatkunden und Unternehmen; Labster aus Dänemark bietet virtuelle Labore für Universitäten sowie Schulen an und deckt damit den Bereich AR/VR-Technologie ab.

Disruptive Geschäftsmodelle für Edtech: Fehlanzeige

Eine bahnbrechende neue Idee, wirklich disruptive Geschäftsmodelle oder Technologien sind nicht dabei. Die Finanziers setzen auf das, was sie auch verstehen und für das es bereits erfolgreiche Beispiele gibt - so könnte man es positiv formulieren. Schließlich, und auch das kam in der Online-Präsentation zur Sprache, wollen sie schnelles Wachstum sehen. Das wiederum lässt sich noch am ehesten mit ansprechendem Marketing, hoher Skalierbarkeit und Geschäftsmodellen und Technologie erzielen, die nicht erst lange erklärt werden müssen, die stabil laufen und den aktuellen Bedarf decken. Wirklich innovativ ist das nicht und die Frage bleibt, ob wir damit die Herausforderungen bewerkstelligen, denen sich die betriebliche Weiterbildung und Bildung in Zukunft stellen müssen.

Gründerinnen nicht bevorzugt

Kommen wir zur größten Enttäuschung für alle Frauen, die im Edtech-Sektor gründen möchten: Ihre Chancen auf auskömmliche oder gar große Finanzierungsrunden sind im Vergleich zu den männlichen Gründern gering. Frau könnte auch sagen: niederschmetternd. Die VC-Investitionen im Bereich Bildung folgen demnach den allgemeinen VC-Investitionen im Technologiebereich, was die Finanzierung und die Anzahl der Abschlüsse betrifft. So sind laut Brighteye rund 80 Prozent der VC-Finanzierungen in Europa im Jahr 2021 von männlichen Gründerteams eingeworben worden und nur rund drei Prozent von weiblichen Gründerteams. In nackten Zahlen: 9,4 Millionen US-Dollar gab es im Schnitt für männliche Gründerteams, während sich weibliche mit 1,8 Millionen US-Dollar begnügen mussten. Auch gemischt-geschlechtliche Gründungsteams kommen übrigens nicht an den Finanzierungserfolg rein männlicher Gründer heran. Studien zum Thema "Female Founders" im Tech-Bereich kommen zu einem ähnlichen Ergebnis.

Warum ist das so? Wollen Frauen nicht gründen, steigen sie frühzeitig wieder aus oder liegt es daran, dass immer noch Männer die technischen Disziplinen beherrschen? Im Bildungsbereich an und für sich sind Frauen doch stark, in der Personalentwicklung gibt es womöglich sogar mehr Frauen als Männer. Gründerinnen wie Anke Paulick und Rebecca Rutschmann oder Marina Eckert und Verena Hauser zeigen jedenfalls, dass es auch anders geht. Sie sind innovativ, verbinden Psychologie und Didaktik mit Technologie und sind damit nach und nach erfolgreich. Sie bauen keine Luftschlösser und sind immer bestrebt, genau zu wissen, was sie tun und was ihre Produkte wirklich können. Die Vision fehlt nicht, vielleicht aber die Lust, sie aggressiv und in buntesten Bildern zu vermarkten.

Was auch immer es ist, was Frauen beim Gründen im Edtech-Sektor benachteiligt, so bleiben sollte es nicht. Mut ist nicht nur von uns Frauen als Startup-Gründerinnen gefragt, Mut sollten auch Venture Capitalists zeigen und uns unterstützen.


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift "wirtschaft + weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt.