Fachkräftemangel: Sechs Thesen, was Unternehmen dagegen tun

Der Fachkräftemangel hinterlässt Spuren: Führungskräfte können neue Stellen nicht besetzen, Mitarbeiter klagen über Mehrbelastung, Unternehmen drohen Umsatzrückgänge. Die Ursachen sind vielfältig. Nachholbedarf gibt es jedoch vor allem in der Personalarbeit, wie eine Befragung des Personaldienstleisters Hays zeigt. Was Unternehmen dagegen tun, erklären sechs Personalchefs.

Als Ursache des Fachkräftemangels nannten die Befragten insbesondere den demografischen Wandel (53 Prozent) sowie das träge Bildungssystem (50 Prozent). Versäumnisse im eigenen Unternehmen sah die Mehrheit nicht. Das verwundert, offenbaren doch die empirischen Ergebnisse das Gegenteil.

Vor allem in der Personalarbeit machen viele Unternehmen ihre Hausaufgaben nicht. Nachholbedarf sehen die Befragten in der Arbeitgeberattraktivität (54 Prozent), der strategischen Personalbedarfsplanung (49 Prozent), der Rekrutierung und Nachwuchsförderung (48 Prozent), der Kompetenzentwicklung (50 Prozent) sowie dezentralen Arbeitsmöglichkeiten (90 Prozent). Außerdem würden Automatisierung und Digitalisierung (59 Prozent) den Fachkräftemangel weiter verstärken.

Fachkäftemangel: Nur jeder Vierte hält Arbeitgeber für gut gewappnet

Doch gerade in diesen Feldern stellen die Befragten ihren Unternehmen ein schlechtes Zeugnis aus. Nur jeder Vierte hält seinen Arbeitgeber für gut gewappnet. Sieben von zehn Befragten halten die Maßnahmen in den genannten Feldern für Verbesserungswürdig oder mangelhaft. Die Redaktion des Personalmagazins hat die Studienergebnisse zum Anlass genommen, um Personalentscheider zu befragen, was sie tun oder wozu sie raten, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Lesen Sie auf den folgenden Seiten, welche Thesen die Personalentscheider formulieren.

Sechs Thesen:

  1. Unternehmen müssen als Arbeitgeber deutlich attraktiver werden
  2. Kompetenzentwicklung muss zeitgemäß sein
  3. Rekrutierung neu aufsetzen
  4. Routineaufgaben der Mitarbeiter müssen konsequenter automatisiert werden
  5. Dezentrale Arbeitsmodelle mindern Standortnachteile
  6. Personalbedarfsplanung muss vernetzter und systematischer werden

 

Thesen:

  1. Unternehmen müssen als Arbeitgeber deutlich attraktiver werden
  2. Kompetenzentwicklung muss zeitgemäß sein
  3. Rekrutierung neu aufsetzen
  4. Routineaufgaben der Mitarbeiter müssen konsequenter automatisiert werden
  5. Dezentrale Arbeitsmodelle mindern Standortnachteile
  6. Personalbedarfsplanung muss vernetzter und systematischer werden

Dr. Yasmin Kurzhals, Personalleiterin bei Auxmoney und Präsidiumsmitglied BPM, sagt:

Um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, sollten Unternehmen überprüfen, ob sie ein marktgerechtes Gehalt über alle Positionen hinweg sicherstellen können. Das Wissen über die aktuelle Marktvergütung ist ein absolutes Muss für Personaler. Denn das Gehalt ist immer noch Beweggrund Nummer eins dafür, ob sich ein Kandidat für einen Arbeitgeber entscheidet oder nicht. Wer sich über marktgerechte Gehälter informieren möchte, kann das beispielsweise über Anbieter wie Stepstone oder Robert Half tun. Diese Portale bieten in regelmäßigen Abständen Gehaltsreports. Aber auch Informationen bei Freunden und Verwandten können bei der Einordnung des richtigen Gehalts helfen. Aber auch der Bewerber selbst darf hier nicht vergessen werden. Seine Gehaltsvorstellungen können ebenfalls gute Aufschluss über eine leistungs- und marktgerechte Vergütung geben. 

Kandidaten wollen die Möglichkeit, jederzeit flexibel Arbeiten zu können, und zwar zeitlich und örtlich. Diesen Punkt müssen Personaler heute ebenfalls priorisieren, wenn sie sich als attraktiver Arbeitgeber zeitgemäß präsentieren wollen. Je nach Rolle und Funktion sollte für die Kandidaten jederzeit ersichtlich sein, wie genau sich die flexiblen Arbeitsstrukturen für die Mitarbeiter ausgestalten. Dazu gehört das Home Office genauso wie die Definition von Kernarbeitszeiten oder auch das Flex Office. Der Arbeitnehmer braucht immer das Gefühl, seinen Arbeitsalltag selbstbestimmt strukturieren zu können, mit den Mitteln, die ihm vom Unternehmen dafür zur Verfügung stehen.    


Thesen:

  1. Unternehmen müssen als Arbeitgeber deutlich attraktiver werden
  2. Kompetenzentwicklung muss zeitgemäß sein
  3. Rekrutierung neu aufsetzen
  4. Routineaufgaben der Mitarbeiter müssen konsequenter automatisiert werden
  5. Dezentrale Arbeitsmodelle mindern Standortnachteile
  6. Personalbedarfsplanung muss vernetzter und systematischer werden

Inga Dransfeld-Haase, Personalchefin Nordzucker AG, Präsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager, sagt:

Personaler, wie auch die Unternehmensleitung samt Betriebsräten, sollten sich in puncto Kompetenzentwicklung zunächst bewusst darüber werden, in welcher Form die Mitarbeiter sich heute in ihrem Job weiterbilden, wo es privat und wo es vom Unternehmen organisiert stattfindet und wie sich die Kompetenzentwicklung entsprechend verändern sollte. Der gemeinsam ermittelte Ist-Zustand sollte aufgenommen, kritisch bewertet und mit den Bedürfnissen der betroffenen Mitarbeiter abgeglichen werden.  Das funktioniert allerdings nicht bei allen Mitarbeitern gleich gut. Einige werden neue Angebote annehmen, andere tun sich schwer damit.

Daher empfehle ich, die Politik der kleinen Schritte zu gehen, und Mitarbeiter Stück für Stück mit neuen Fähigkeiten zu konfrontieren. Moocs (massive open online course) sind beispielsweise eine sehr zeitgemäße Möglichkeit, neue Kompetenzen in einer überschaubaren Zeit und kostenfrei zu erlernen. Zudem führt auch der Austausch mit anderen Fachbereichen zu neuen Erkenntnissen für den eigenen Arbeitsbereich. Idealerweise sollte der Mitarbeiter über sein eigenes Weiterbildungsbudget verfügen, um sich neue Kompetenzen aus eigenem Antrieb anzueignen und damit auch gleichzeitig den Grundstein dafür zu legen, weitere berufliche Perspektiven für sich im Unternehmen zu schaffen.


Thesen:

  1. Unternehmen müssen als Arbeitgeber deutlich attraktiver werden
  2. Kompetenzentwicklung muss zeitgemäß sein
  3. Rekrutierung neu aufsetzen
  4. Routineaufgaben der Mitarbeiter müssen konsequenter automatisiert werden
  5. Dezentrale Arbeitsmodelle mindern Standortnachteile
  6. Personalbedarfsplanung muss vernetzter und systematischer werden

Dr. Martina Niemann, Vice President Human Resources Lufthansa, Präsidiumsmitglied BPM, sagt:

Die einzig wahre Qualifikation existiert allenfalls noch auf dem Papier. Um ein bewerberzentriertes Mindset in den Unternehmen zu fördern, müssen Personalmanager und Führungskräfte gewaltig umdenken. Dazu müssen sie Active Sourcing betreiben. Das heißt, sie sollten aktiv in den berufs- und karrierebezogenen sozialen Netzwerken wie beispielsweise Xing oder Linkedin nach interessanten Kandidaten mit möglichst vielfältigen Fähigkeiten suchen, um dann zu überlegen, in welchen Unternehmensbereich diese Menschen passen könnten. Dazu braucht man aber auch eine klare Vorstellung davon, mit welchen Eigenschaften und Erfahrungen diese neuen Mitarbeiter die bestehende Mannschaft möglicherweise bereichern könnten.

Ein gutes Beispiel: vor allem junge Personal- oder Hiring Manager müssen sich auf der Suche nach geeigneten Kandidaten immer stärker auf die Lebenswelten der erfahrenen Menschen einstellen, damit sind sie allerdings gar nicht vertraut. Aber genau diese Menschen, meist über 50, verfügen über die gesuchten „Future Fit Competencies“, denn bei ihnen sind die Kinder aus dem Haus und sie möchten gerne ihre Erfahrungen aus unterschiedlichsten Projekten an die Jungen weitergeben. Sie können beruflich nochmals richtig durchstarten, und zwar jenseits der Schornsteinkarriere.


 Thesen:

  1. Unternehmen müssen als Arbeitgeber deutlich attraktiver werden
  2. Kompetenzentwicklung muss zeitgemäß sein
  3. Rekrutierung neu aufsetzen
  4. Routineaufgaben der Mitarbeiter müssen konsequenter automatisiert werden
  5. Dezentrale Arbeitsmodelle mindern Standortnachteile
  6. Personalbedarfsplanung muss vernetzter und systematischer werden

Anja Michael, Global Vice President Human Resources Avira, Mitglied BPM, sagt:

Der Bundesverband der Personalmanager (BPM) vertritt generell die These, dass die Technik dem Menschen dienen soll, nicht umgekehrt. Das kann man zumindest für die Automatisierung von Personalprozessen sofort nachvollziehen. Denn mittelfristig müssen unsere Abläufe deutlich schneller werden. Beispielsweise wenn es darum geht, Bewerbern zügig Klarheit darüber zu geben, wie es für sie im Prozess weitergeht. Es kann nicht sein, dass Menschen heute wochenlang auf eine Zu- oder Absage warten müssen. Hier muss die Personalarbeit deutlich effizienter werden.

Insbesondere bei standardisierten Arbeiten wie der Optimierung einer Stellenanzeige oder einer elektronischen Signatur gibt es da noch viel Luft nach oben. Nachfolgend einige Einsatzfelder in der Personalarbeit, von deren Automatisierung Personaler profitieren dürften:

Recruiting: Text Analytics zur Optimierung von Stellenanzeigen, um eine höhere Wirksamkeit und Reichweite bei der gewünschten Zielgruppe zu erreichen, bei gleichzeitiger Entlastung von Führungskräften und HR beim Schreiben von Stellenanzeigen.

Elektronische Signaturen: Verträge können innerhalb von Minuten abgeschlossen werden, egal wo die Unterzeichner sich räumlich befinden.

Service Desks: Von Einkauf, IT bis hin zum Personalmanagement können Teilprozesse automatisiert und in Echtzeit mit vorangelegten Dashboards ausgewertet werden.


Thesen:

  1. Unternehmen müssen als Arbeitgeber deutlich attraktiver werden
  2. Kompetenzentwicklung muss zeitgemäß sein
  3. Rekrutierung neu aufsetzen
  4. Routineaufgaben der Mitarbeiter müssen konsequenter automatisiert werden
  5. Dezentrale Arbeitsmodelle mindern Standortnachteile
  6. Personalbedarfsplanung muss vernetzter und systematischer werden

Dr. Emmanuel Siregar, CHRO der Claas Gruppe, sagt:

Die Studie widerlegt den gefühlten Standortnachteil von Unternehmen in ländlichen Gebieten, wenn es um die Mitarbeitergewinnung geht. Das kann ich auch für unser Unternehmen mit Sitz in Ost-Westfalen bestätigen. Das Einrichten dezentraler Arbeitsmöglichkeiten ist hier eine zeitgemäße Alternative. Denn das Lebensumfeld der Familie sowie des Partners gewinnt im Wettbewerb um Fachkräfte an Bedeutung: dafür werden auch längere Strecken zum Arbeitsplatz sowie tägliches oder wöchentliches Pendeln in Kauf genommen.

Wenn ein Unternehmen dezentrale Arbeitsmöglichkeiten schafft, sollte es allerdings eine gesunde Balance von persönlicher Begegnung und virtueller Kommunikation für die Mitarbeiter berücksichtigen. Das heißt konkret: Nach einem gemeinsam erlebten Workshop ist auch eine längere Zeit Kommunikation per Skype denkbar.


Thesen:

  1. Unternehmen müssen als Arbeitgeber deutlich attraktiver werden
  2. Kompetenzentwicklung muss zeitgemäß sein
  3. Rekrutierung neu aufsetzen
  4. Routineaufgaben der Mitarbeiter müssen konsequenter automatisiert werden
  5. Dezentrale Arbeitsmodelle mindern Standortnachteile
  6. Personalbedarfsplanung muss vernetzter und systematischer werden

Matthias Hilden, Personalleiter Evosoft & Regionalleiter BPM in Bayern, sagt:

Geht man bei der strategischen Personalplanung davon aus, dass die Beschäftigten langfristig auf einer Position bleiben, es keine oder wenig Fluktuation gibt und alle offenen Stellen zügig besetzt werden, besteht kein Anlass für eine veränderte Planungsgrundlage. Man bekommt auf dieser Basis eine grundsolide Vorhersage für die kommenden drei bis fünf Jahre. Diese Vorgehensweise ist vielen Personalern geläufig, sie haben damit bisher gute Erfahrungen gemacht.

Allerdings wird diese stabile Personalplanung in vielen Branchen derzeit ausgehöhlt. Diese Vorgehensweise passt nicht mehr zu den aktuellen Marktveränderungen. Der Markt ist volatil, offene Positionen bleiben lange unbesetzt und die Beschäftigten sind wechselbereiter. Darauf muss sich auch die Personalplanung einstellen. Sie muss vernetzter und dennoch systematisch erfolgen. Ein wichtiger Hebel hier: Weg vom Fokussieren auf die Position, hin zum Fokus auf die benötigten Kompetenzen. Damit erhöht sich die Flexibilität hinsichtlich des Einsatzes der einzelnen Mitarbeiter. Warum? Mitarbeiter können sich die benötigten Kompetenzen aneignen und die Personalplanung bekommt mehr Spielraum. Grundvoraussetzung dafür ist aber, dass man sich mit den Markt- und Kundenanforderungen sowie mit den technologischen Trends frühzeitig auseinandersetzt. Ansonsten wird es schwer, die benötigten Kompetenzen überhaupt richtig zu identifizieren.