Fachkräftemangel im Handwerk

Vielen Handwerksbetrieben in Deutschland fällt es auch in der Coronakrise schwer, ausreichend Mitarbeiter zu finden. Deutschlandweit fehlen aktuell 54.000 Gesellinnen und Gesellen, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergeben hat. Insgesamt beziffert die Untersuchung den Fachkräftemangel im Handwerk auf knapp 65.000 Arbeitskräfte.

Der Fachkräftemangel ist im Handwerk besonders stark ausgeprägt. Eine Studie des Kompetenzzentrums für Fachkräftesicherung (KOFA) am IW Köln in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat die Arbeitsmarktentwicklung der vergangenen zehn Jahre und speziell während der Coronapandemie analysiert.

Stellenüberhangsquote: Für jede dritte Stelle gibt es keinen passend qualifizierten Arbeitslosen

Bis in das Jahr 2018 ist der Studie zufolge die Nachfrage nach Arbeitskräften im Handwerk kontinuierlich gestiegen. Daher reichte die Zahl der Arbeitslosen immer weniger aus, um rechnerisch alle Stellen besetzen zu können. Der Anteil an Stellen, für die es keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt (Stellenüberhangsquote), ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen und lag im Handwerk deutlich höher als in der Gesamtwirtschaft. Daran haben auch die seit 2019 schwächere Konjunktur und die Coronapandemie nicht viel geändert. Im Jahr 2020 gab es im Handwerk für mehr als jede dritte Stelle keinen passend qualifizierten Arbeitslosen. Über alle Berufe hinweg war es nur jede vierte Stelle.

Fachkräftelücke: Meister schwerer zu finden als Gesellen

Im Handwerk fehlen vor allem Fachkräfte mit einer Berufsausbildung. In überwiegend handwerklichen Berufen gab es bundesweit für etwa 54.000 Fachkraftstellen keine passend qualifizierten Arbeitslosen (Fachkräftelücke). In Berufen mit Handwerksanteilen fehlten auf diesem Qualifikationsniveau weitere 10.000 Personen. Meisterinnen und Meister werden deutlich seltener gesucht: In den überwiegend handwerklichen Berufen fehlten etwa 5.500 Meisterinnen und Meister und in Berufen mit Handwerksanteilen 1.600.

Dennoch sind Meisterinnen und Meister deutlich schwerer zu finden. Im Jahr 2020 gab es für knapp die Hälfte (46,6 Prozent) der Meisterstellen in überwiegend handwerklichen Berufen keine passend qualifizierten Arbeitslosen bundesweit. Bei den Berufen mit Handwerksanteilen konnten sogar knapp zwei Drittel (66,8 Prozent) der Stellen rechnerisch nicht besetzt werden.

Die meisten Handwerker fehlen in Bau, Produktion und Fertigung

Die meisten Handwerksberufe mit starkem Fachkräftemangel zählen zu den Bereichen Bau, Produktion und Fertigung. Fachkräfte mit Berufsausbildung fehlen beispielsweise besonders in der Bauelektrik, der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie der Kraftfahrzeugtechnik. Zudem fehlen viele Fachkräfte für den Verkauf von Fleischwaren. Meisterinnen und Meister werden in der Medizin-, Orthopädie- und Rehatechnik sowie im Hoch- und im Tiefbau händeringend gesucht.

Wie das Handwerk durch die Coronapandemie kommt

Im Zuge der Coronapandemie ist auch im Handwerk ein Rückgang an offenen Stellen zu beobachten. Allerdings ist dieser etwas schwächer ausgeprägt als über alle Berufe hinweg. Insbesondere im Bauhandwerk lag die Arbeitskräftenachfrage bereits im Dezember 2020 wieder über dem Vorkrisenniveau.

Anders gestaltete sich die Situation in den überwiegend handwerklichen Berufen aus dem Gesundheitsbereich. Hierzu zählen beispielsweise das Friseurgewerbe, die Augenoptik und die Hörgeräteakustik. Da diese Berufe stark durch den Lockdown und die damit einhergehende Einschränkung ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt waren, ist hier ein deutlicher Stellenrückgang zu beobachten. Allerdings ist damit zu rechnen, dass nach der Coronapandemie wieder deutlich mehr Fachkräfte gebraucht werden, da der Bedarf an diesen personennahen Dienstleistungen in der Bevölkerung weiterhin besteht.

Ausbildung: viele Lehrstellen bleiben unbesetzt

Die duale Ausbildung bleibt der zentrale Pfeiler der Fachkräftesicherung im Handwerk. So verwundert es nicht, meinen die Studienautoren, dass das Angebot an Ausbildungsstellen in den vergangenen Jahren relativ stabil geblieben sei. Bis 2018 ist das Ausbildungsplatzangebot im Handwerk demnach sogar ausgeweitet worden. Der leichte konjunkturbedingte Rückgang im Jahr 2019 wurde dann 2020 durch die Coronapandemie verstärkt. Der Rückgang des Ausbildungsplatzangebotes fiel im Handwerk jedoch geringer aus als in der Gesamtwirtschaft. In einigen Bereichen wie dem Bauhandwerk oder dem Verkauf im Lebensmittelhandwerk wurde das Ausbildungsplatzangebot im Jahr 2020 sogar noch erhöht. Daher blieben auch im Jahr 2020 viele Ausbildungsstellen unbesetzt.

Handwerk kämpft mit Imageproblem bei Auszubildenden

Das Handwerk habe bei jungen Menschen noch immer mit einem Imageproblem zu kämpfen, so Peter Wollseifer, Präsident des ZDH: "Jugendliche wissen viel zu wenig über die vielfältigen und zukunftssicheren Möglichkeiten im Handwerk. Es gibt zahlreiche Handwerksberufe mit Karriereoptionen, die denen eines Studiums in Nichts nachstehen."


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