E-Learning Kolumne: Zweiter Anlauf für 3D-Welten

Erinnern Sie sich noch an "Second Life"? Der Hype um die virtuelle 3D-Welt auf dem Desktop des heimischen Computers scheint vorbei. Jetzt eröffnen webbasierte Lösungen und der Trend zum "Game Based Learning" neue Chancen für virtuelle Welten im Unternehmensumfeld.

Tatsächlich ist "Second Life" (SL) ziemlich vom Radar der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Zu Unrecht, wie Sybille Hermann vom Fraunhofer Institut für Arbeit und Organisation, Stuttgart, auf der Learntec in Karlsruhe meinte. Das Institut hat noch immer ein "Service Lab" in der virtuellen 3D-Welt, um dort Dienstleistungskonzepte für Kunden zu entwickeln oder, sozusagen als Abfallprodukt, darauf aufbauende Schulungen für Mitarbeiter anzubieten. Hotelkonzerne zum Beispiel nutzen SL, um ihre Mitarbeiter in neuen Hotels zu schulen, noch bevor diese in der wirklichen Welt das Stadium der Bauabnahme erreichen. Besonders geeignet sei die Arbeit mit Avataren auch, um schwierige Prozesse zu optimieren oder das Zusammenspiel von konkurrierenden Abteilungen wie Service und Vertrieb zu verbessern, so die Fraunhofer-Psychologin. Ihr Fazit: "Die Kunden sind begeisterter denn je."

Zutritt per Web-Browser

Was das Institut nicht davon abhält, demnächst wohl umzuziehen in eine neue, technisch modernere virtuelle 3D-Welt mit dem Namen "Cloud Party". Gegenüber SL bietet sie einen wesentlichen Vorteil: Sie ist webbasiert. Jeder, der mit einem Browser mit Web-GL (eine 3D-Grafik-Programmierschnittstelle, über die bis auf den Internet-Explorer standardmäßig alle herkömmlichen Browser verfügen) im Internet unterwegs ist, kann darauf zugreifen. Es ist weder nötig, eine Clientsoftware herunterzuladen noch sich umfangreich einzuarbeiten. Ein weiteres Hindernis, "Cloud Party" im Unternehmensumfeld zu nutzen, wurde bereits ausgeräumt: Konnte man sich Anfangs nur mit einem Facebook-Konto einloggen, kann sich jetzt auch jeder registrieren, der kein Facebook-Konto hat.

Der Düsseldorfer E-Learning-Anbieter Ka Media Interactive GmbH hat bereits eigene Räume und Simulations-Umgebungen in "Cloud Party" geschaffen, in die sich freiberufliche Trainer und Autoren gegen Gebühr einmieten können.

3D-Welt im Miet-Modell

"Cloud Party" ist nicht die einzige SL-Alternative. Wer eine rein professionelle Lösung sucht, findet sie bei der Tricat GmbH aus Ulm. Das Unternehmen hat sich seit Jahren vor allem durch seine Simulationsprogramme für öffentliche Einrichtungen einen Namen gemacht. Preisgekrönter Werbeträger ist die Polizei Baden-Württemberg, die mit Hilfe einer virtuellen Welt von Tricat zum Beispiel den Einsatz von Polizei-Hubschraubern übt. Mit "Tricat Spaces" soll Unternehmen, Trainern und Trainingsunternehmen ab dem Frühjahr ebenfalls eine Möglichkeit zur Verfügung stehen, sich via Internet in virtuelle Räume einzumieten. Hier können sie Konferenzen und Besprechungen durchführen oder ganze Teams gemeinsam an 3D-Modellen arbeiten. Markus Herkersdorf, Chef und Gründer von Tricat, sieht die Lösung gar als Konkurrenz für handelsübliche Videokonferenz-Systeme. Bei vergleichbarem technischen und finanziellen Aufwand seien die Teilnehmer durch ihre Avatare stärker in das Geschehen involviert (Stichwort: Immersion). So sei auch zu erklären, dass der virtuelle Raum vermehrt als Coachingumgebung bei professionellen Coachs auf Interesse stoße.

Simulationen bahnen den Weg

Neben neuer Technik und besserer Verfügbarkeit spricht ein dritter Grund dafür, dass wir uns künftig häufiger in 3D-Welten treffen, wenn es um berufliche Weiterbildung geht: Simulationen und Serious Games etablieren sich nicht nur in der akademischen Lehre und Forschung, sondern auch in Unternehmen. Sich in virtuellen Welten zu bewegen, die weitgehend die Realität widerspiegeln, wird so zur täglichen Internet-Routine.

Meinen "Second Life Client" habe ich längst vom Rechner geschmissen. Die aktuellen virtuellen Welten sind mir einen neuen Anlauf wert.

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