Digitale Kompetenzen im Bootcamp vermitteln

Oft geht es in der Diskussion um digitales Lernen vor allem um die neuesten Technologien, um Learning Experience und informelles Lernen. Bootcamps haben damit wenig zu tun. Dabei scheint gerade die virtuelle Version dieses Lernformats dazu geeignet, viele Menschen fit für die Digitalisierung zu machen, meint unsere Kolumnistin Gudrun Porath. Sie zeigt, warum Unternehmen in Bootcamps investieren sollten.

Nein, wir sind hier nicht in der militärischen Grundausbildung. Auch wenn der Begriff "Bootcamp" ursprünglich genau das meint. Ein Bootcamp, wie es hier thematisiert wird, ist vielmehr eine kohortenbasierte, persönliche Aus- oder Weiterbildung beziehungsweise Umschulung, in der in kurzer Zeit ganztags digitale Kompetenzen vermittelt werden. Wie in der Schule gibt es strukturierte Lehrpläne und Ausbilder, vor Corona dominierte das Präsenzformat, seit Corona finden Bootcamps virtuell statt.

Bootcamp: eine Ausbildung zum Programmierer

Die ersten Coding-Bootcamps gab es vor rund zehn Jahren. Die Teilnehmenden lernten in drei Monaten programmieren, um fit für einen neuen Job in der Technologiebranche zu werden. In den USA stellten sie eine wichtige Möglichkeit dar, die eigene Karriere trotz fehlendem Uni-Abschluss voranzubringen. Seit der Corona-Pandemie, das melden die Analysten von Holon IQ , sind die Zahlen der nun virtuell und zu einem größeren digitalen Themenspektrum angebotenen Bootcamps rasant angestiegen, von weniger als 20.000 Teilnehmenden im Jahr 2015 auf über 100.000 im Jahr 2021. Bis 2025 sollen es 380.000 Teilnehmende sein, in den nächsten Jahren gar mehr als eine Milliarde!

Markt für Bootcamps floriert

Längst bilden sich nicht nur Privatpersonen per Bootcamp fort, sondern auch immer mehr Unternehmen von Amazon und Bosch bis KPMG entschließen sich, ihre Mitarbeitenden auf diese Weise mit den notwendigen digitalen Kompetenzen auszurüsten. Der Markt ist attraktiv für die Anbieter, die längst Partnerschaften mit Universitäten eingehen, um ihr Programm auszubauen und das Format weiterzuentwickeln. Deshalb hat auch die Venture Capital-Szene Bootcamps und ähnliche Angebote wie Nano-Degrees und On-Demand Marktplätze für sich entdeckt und investiert fleißig in den globalen Ausbau des Markts.

Unternehmen nutzen Bootcamps zu wenig

Die riesige Nachfrage nach digitalen Kompetenzen werde den Markt weiter anheizen, ist Holon IQ überzeugt und stellt den Unternehmen zugleich ein schlechtes Zeugnis aus. Denn die seien nicht in der Lage, ihren Auszubildenden und Mitarbeitenden die digitalen Fähigkeiten zu vermitteln und weiter zu fördern, die sie brauchen würden. Mit festen, standardisierten Online-Lehrplänen und den entsprechenden Ausbildern könnten Bootcamps das übernehmen. Sie produzieren in kürzester Zeit den begehrten Nachwuchs, ohne Schnick und Schnack, verlässlich und sicher.

Es ist schon verblüffend. Wenn von den Vorteilen digitalen Lernens die Rede ist, dann fallen immer zuerst die Argumente flexibel, jederzeit und an jedem Ort, selbstgesteuert, auch das informelle Lernen ist hoch im Kurs. Bootcamp klingt dagegen eher nach formaler Bildung, um nicht zu sagen Paukschule. Sich nur mit der hohen Schule des digitalen Lernens zu befassen, verstellt jedoch den Blick. Denn all die Programmierer und Digitalexperten, die gebraucht werden, müssen ja erstmal ausgebildet werden. Sie sind die Industriearbeiter der Zukunft, auf deren gesicherte Kenntnisse und Kompetenzen Unternehmen ihren Erfolg aufbauen und die schließlich auch all die schicken und multifunktionalen Lernplattformen programmieren. Dem Bootcamp-Format Aufmerksamkeit zu widmen und es weiter zu entwickeln, um Lernen zu erleichtern, könnte sich lohnen. Vielleicht findet sich dann ja auch ein weniger militärisch anmutender Name dafür.


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift "wirtschaft + weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt.

Schlagworte zum Thema:  E-Learning, Personalentwicklung, Software