DGFP: Digitale Kompetenzen für Personalentwickler

Kai Helfritz (DGFP) und Dr. Sabine Seufert (Universität Sankt Gallen) erläutern im Interview, welche Rolle die Personalentwicklung bei der Digitalisierung spielt und fassen die wichtigsten Erkenntnisse ihrer gemeinsamen Studie "Digitale Kompetenzen für Personalentwickler" zusammen.

Seufert_Sabine_Uni St. Gallen

Die Personalentwicklung hat eine positive Grundhaltung zur Digitalisierung. Das ist die Essenz der Studie „Digitale Kompetenzen für Personalentwickler“, die jetzt von der DGFP, dem Institut für Wirtschaftspädagogik und dem Swiss Competence Centre for Innovations in Learning der Uni St. Gallen veröffentlicht wurde. Doch zumindest den 225 befragten Personalentwicklern in Deutschland, der Schweiz und Österreich fehlen klar formulierte Visionen und inhaltliche Ziele, wie die nötigen digitalen Kompetenzen entwickelt werden sollen, stellen die Autoren Professor Dr. Sabine Seufert von der Universität St. Gallen und Kai H. Helfritz von der DGFP fest. Auch der digitale Reifegrad in der Personalentwicklung und das Fachwissen lassen zu wünschen übrig.

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Personalmagazin: Herr Helfritz, warum hat sich die DGFP entschlossen, die Studie zu unterstützen und sogar ein regelmäßiges Projekt daraus zu machen? Über mangelnde digitale Kompetenzen der Personalentwicklung wurde schließlich schon an anderer Stelle häufig berichtet.

Kai H. Helfritz: Wir wollen mehr Transparenz schaffen, was für Personalentwickler relevant ist. Die Digitalisierung ist höchst relevant, aber die Studienergebnisse zeigen, dass noch ganz viel Aufklärungsarbeit nötig ist. Daher wollen wir die Studie auf unserer Jahrestagung vorstellen und das Thema weiter vorantreiben. Und damit es keine Momentaufnahme bleibt, werden wir sie im nächsten Jahr wiederholen.

Personalentwicklung ist ein Thema das polarisiert

Personalmagazin: In der Studie gaben 66 Prozent der Befragten an, dass ihnen ein klares Konzept zur Entwicklung der digitalen Kompetenzen bei den Mitarbeitenden fehlt. Das sind fast zwei Drittel. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis, Frau Professor Seufert?

Sabine Seufert: Es hat mich negativ überrascht, denn die Digitalisierung findet ja nicht erst seit gestern statt. Ebenfalls eher negativ überrascht hat mich, das 54 Prozent der Befragten gesagt haben, bei ihnen habe die Digitalisierung in der Personalentwicklung eher keine hohe Priorität. Wir sehen also, dass das Thema polarisiert. Aber es gibt auch Ergebnisse, die positiv sind. Dazu gehört zum Beispiel die positive Einstellung der Befragten. Nur elf Prozent haben Angst vor Überforderung, sie sehen in Bezug auf die Digitalisierung  mehr Vorteile als Nachteile.

Die Jüngeren sind nicht unbedingt die Treiber der Digitalisierung

Ebenfalls positiv werte ich, dass nicht unbedingt die Jüngeren Treiber der Digitalisierung sind.  Leitungsfunktionen, die ja mit einem höheren Alter und Berufserfahrung korrelieren, schätzen die Bedeutung höher ein als Mitarbeitende. Die Leitungsfunktionen verfolgen auch eher Augmentationsstrategien, weil sie die  Potenziale fortgeschrittener Digitalisierung (insbesondere Big Data, Analytics und Künstliche Intelligenz) erkennen.

Helfritz: Positiv an den Ergebnissen sehe ich, dass eine ganz große Offenheit da ist, Veränderungen mitzumachen. Das ist ganz wichtig bei diesem Thema,  weil man einfach viel ausprobieren muss. Das haben wir deshalb auch in eine Handlungsempfehlung übernommen. Die Studie bestätigt außerdem eine hohe Kompetenz der Personalentwicklung im Changemanagement. Das ist gut, um die Transformation im Unternehmen voranzutreiben.

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Personalmagazin: Wie erklären Sie sich, dass die Leitungsfunktionen die Bedeutung der Digitalisierung und deren Folgen höher einschätzen?

Helfritz: Mit der Erfahrung entstehen ja häufig auch mehr Fähigkeiten in der Abstraktion. Obwohl die Jüngeren oft fitter im Umgang mit den digitalen Tools sind, können die Älteren aufgrund ihrer Erfahrung eher absehen, was es bedeutet, wenn zum Beispiel die Erstauswahl von Bewerbern per Algorithmus erfolgt. Denn man  muss absehen können, dass eine Ungleichbehandlung auch durch den Algorithmus passieren kann.

Seufert: Digitale Kompetenzen sind ja nicht etwas Losgelöstes. Man muss sie vielmehr auf einer hohen Reflexionsstufe in Zusammenhang bringen können mit seinen Professionskompetenzen, seinem Professionswissen, seinen Erfahrungen.  Das liegt zwar in der Natur der Sache, hätte bei der Studie aber auch ganz anders herauskommen können.

Man kann in der Personalentwicklung nicht mehr zehn Jahre voraus denken

Personalmagazin: In der Studie heißt es, dass „klar formulierte Visionen und inhaltliche Ziele für die Entwicklung von Kompetenzen im Hinblick auf die digitale Transformation“ fehlen würden. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Seufert: Wir haben es mit sehr vielen Veränderungen in einer rasant hohen Geschwindigkeit zu tun. In dieser VUCA-Welt (volatility, uncertainty, complexity und ambiguity, dtsch. Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit - d.Red.) leben wir nicht erst seit gestern, die Unsicherheit hat sich aber weiter verschärft. Dazu kommen viele technologische Entwicklungen, von Künstlicher Intelligenz bis Robotik. Da eine Vision zu entwickeln, ist enorm schwer, denn man muss ja antizipieren können, wie es weitergeht. Im Moment haben wir eine Phase, in der man erst einmal noch besser verstehen muss, was um uns herum passiert. Man kann nicht mehr zehn Jahre voraus denken. Wenn man jetzt also sagt, „ich weiß eh nicht, was kommt“, könnte das ein Grund dafür sein, dass eine klare Vorstellung von der Zukunft fehlt.

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Helfritz: Eine Vision fehlt auch deswegen, weil häufig eine Strategie fehlt. Das eine bedingt ja das andere. Es ist extrem schwierig, eine Vision und Strategie zu formulieren, mit der ich mich als Personalentwicklung  oder Unternehmen an die Öffentlichkeit traue.  Allen ist klar, dass gigantische Umwälzungen stattfinden, aber jetzt Veränderungen voranzutreiben, erscheint unsicherer als je zuvor. Zudem erfordert es sehr viel Mut, als Personalentwicklung zum Beispiel das Ziel auszugeben, 50 Prozent der eigenen Tätigkeiten in Zukunft mit digitalen Tools zu erledigen und die frei werdende Kapazität für andere Dinge verwenden zu wollen. Für viele ist Digitalisierung in der Personalentwicklung  aber auch einfach nur die Vereinfachung und Automatisierung von Prozessen.

Es geht um die Erweiterung der Möglichkeiten durch die Mensch-Maschine-Interaktion 

Personalmagazin: Wenn Sie von frei werdenden Kapazitäten sprechen, die durch die Digitalisierung entstehen können, kommt sehr schnell die Angst ins Spiel, dass Menschen durch Maschinen ersetzt werden, auch in der Personalentwicklung. Deshalb haben Sie für die Studie das Leitmotiv „Augmentation statt Substitution“ gewählt. Was können wir uns darunter vorstellen?

Seufert: Wir wollen damit in erster Linie die Chancen der Digitalisierung aufzeigen. Ganz konkret geht es uns  um die Erweiterung der Möglichkeiten durch die Mensch-Maschine-Interaktion und den kompetenten Umgang damit. Ein simples Beispiel: Algorithmen helfen bei der Berwerberauswahl, indem sie eine große Menge von Daten schnell sortieren und analysieren. Dennoch muss das von Menschen überwacht werden und auch die Richtung vorgegeben werden. Eine intelligente Maschine kann damit die Möglichkeiten beim Recruiting erweitern, ohne den Menschen zu ersetzen. Vielmehr kommt es auf ein gelungenes Zusammenspiel von Mensch und Maschine an.

Ein schönes Beispiel dafür stammt aus dem Schach. Schachweltmeister werden immer jünger (aktuell zwölf Jahre). Warum? Sie trainieren anders, sie spielen nicht gegen den Computer, sondern mit ihm – sie verstehen den Computer als Partner und entwickeln dadurch exzellente Augmentationsstrategien, ihre komplementären Kompetenzen zu stärken, die sie zur Höchstleistung bringen.

Die Digitalisierung bedeutet ein ständiges Dazulernen für alle 

Personalmagazin: Sie haben aus den Studienergebnissen sieben Handlungsempfehlungen abgeleitet, die zum Teil sehr umfassend sind. Können Sie uns eine Empfehlung geben, die den Einstieg leichter macht?

Seufert: Jedes Unternehmen ist ja ein bisschen anders unterwegs. Wichtig ist, das man anfängt, eine Strategie zu entwickeln. Das kann durchaus eine emergente Strategie sein, die man kultiviert und versucht zu antizipieren. Insofern haben wir das auch an die erste Stelle der Empfehlungen gestellt. Wichtig ist vor allem, nicht in einer Schockstarre zu verharren und an das anzuknüpfen, was schon da ist.

Helfritz: Was wir heute als digitale Kompetenzen als wichtig erachten, ist möglicherweise in zwei Jahren nicht mehr wichtig oder aber wichtiger. Wenn die Personalabteilung sich als Changemanager eines Unternehmens versteht, dann muss sie auch so agieren und das Thema vorantreiben. Die Digitalisierung bedeutet ein ständiges Dazulernen für alle. Keiner darf sich zurücklehnen und meinen, ich muss nichts mehr dazulernen. Dieses in den Unternehmen in Konsequenz umzusetzen, ist eine große Herausforderung. Damit ist aber auch eine Unsicherheit verbunden, die sich auf das gesamte Unternehmen überträgt. In diesem Umfeld muss die Personalentwicklung den Rahmen abstecken und den Menschen deutlich machen: Wir begleiten euch und schaffen die Rahmenbedingungen und den Raum, in denen ihr Neues lernen könnt. Das ist nicht so trivial, wie es sich anhört.

Personalentwicklung  muss immer mehr zum Coach des Unternehmens und des Teams werden 

Personalmagazin: Was bedeutet das für die Rolle der Führungskräfte und der Personalentwicklung im Unternehmen?

Seufert: Zur veränderten Rolle der Personalentwicklung wird es gehören, auch die Rolle des Kurators zu übernehmen, sei es zum Beispiel von Jobprofilen oder Lerninhalten.

Helfritz: Eine Führungskraft muss nicht alles wissen und können, die Führungskraft und auch die Personalentwicklung  muss immer mehr zum Coach des Unternehmens und des Teams werden. Die Personalentwicklung muss sortieren, welche Kompetenzen gebraucht werden und den Raum schaffen, dass die Mitarbeitenden sich entwickeln können. Dafür brauche ich neben entsprechenden Tools auch die Erkenntnis, dass man Fehler machen darf und das man nicht alles alleine schafft.

Das Interview führte Gudrun Porath.

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