Der demografische Wandel ist ein Digitalisierungstreiber

Die Coronapandemie hat dem Münchner Softwareunternehmen Aconso volle Auftragsbücher beschert. Die Pioniere der Digitalen Personalakte profitieren von der Bürokratie in deutschen HR-Abteilungen, die in der Vergangenheit mit Ablage von viel Papier verbunden war. Doch wie langfristig trägt dieses Geschäftsmodell? Und was kommt nach dem digitalen Dokumentenmanagement? Ein Gespräch mit Gründer und CFO Martin Grentzer.

Seit Beginn der Coronapandemie verzeichnet Aconso eine stark gestiegene Nachfrage nach digitalen Dokumentenmanagement-Lösungen. "Wir haben ein Luxusproblem", sagt Martin Grentzer, einer von vier Gründern und Chief Financial Officer beim mittelständischen Softwareanbieter. Aktuell arbeitet das Unternehmen mit rund 100 Beschäftigen einen Auftragsstau ab. In der Pandemie seien auch die letzten Unternehmen aufgewacht. Die Digitalisierungsdefizite vieler HR-Abteilungen offenbarten sich in teils kuriosen Szenen: Mitarbeitende, die aus dem Homeoffice in den Betrieb fuhren, um Akten einzusehen und zu kopieren. Dabei ist die digitale Personalakte technologisch gesehen ein alter Hut.

HR muss Prozesse automatisieren, um zukunftsfähig zu bleiben

Als Grentzer 2001 das Unternehmen gründete, fragten ihn Bekannte, was er machen wolle, wenn in einigen Jahren alle Personalakten digitalisiert seien. Heute kann er darüber lachen. "In meinem aktiven Berufsleben wird das nicht mehr passieren", ist sich der 55-Jährige sicher. Die Notwendigkeit für vollständig automatisierte Personalprozesse würde vielen Unternehmen erst jetzt bewusst. Die Pandemie ist ein Grund dafür. Einen zweiten sieht Grentzer im demografischen Wandel. Schon jetzt sind in vielen Bereichen Fachkräfte knapp. "Ich gehe nicht davon aus, dass die Personalbereiche perspektivisch mehr Mitarbeitende bekommen werden."

Gleichzeitig steigen die Leistungsanforderungen an HR. Für Grentzer gibt es nur einen Ausweg: möglichst viele Prozesse zu automatisieren. Im Digitalisierungsgeschäft setzt Aconso auf exklusive Partnerschaften, zum Beispiel mit dem Walldorfer Softwareunternehmen SAP. "Wir machen die Dokumente, SAP die Daten", sagt Grentzer und sieht darin auch ein Erfolgsmodell für die Zukunft.

Auf Wachstumskurs im Segment des globalen Mittelstands

Umsatzzahlen will Grentzer nicht nennen. Er spricht von einem zweistelligen Millionenumsatz und einem zweistelligen Wachstum in diesem Jahr. Dieses Wachstumstempo will das Unternehmen mindestens in den kommenden beiden Jahren beibehalten. Aconso ist Marktführer bei der digitalen Personalakte im gehobenen Mittelstand und in Großunternehmen. "Der Markt orientiert sich an uns", meint Grentzer. Innovationen wie die digitale Dokumentenvorschau wurden rasch zum Branchenstandard. Entsprechend investiert das Unternehmen in Forschung und Entwicklung. Wie viel genau, verrät der Finanzchef nicht. Als Hauptwettbewerber nennt er ein kanadisches Softwareunternehmen und einen französischen Anbieter.

Im Markt für KMU gibt es zahlreiche Anbieter. Aus der Ecke der Start-ups zeichnet sich für ihn bislang kein neuer Herausforderer ab, da Aconso auf ein spezifisches Marktsegment konzentriert ist. "Unser Segment ist der globale Mittelstand, Unternehmen mit 10.000 und mehr Beschäftigen, sowie internationale Konzerne", sagt Grentzer. Die Neulinge am Softwaremarkt nehmen dagegen häufiger die kleinen und mittelständischen Unternehmen ins Visier. Überschneidungen gibt es bislang nicht. Auch, weil die Zugangshürden zu größeren Unternehmen und Konzernen hoch seien.

Mit Plug-in-Lösungen gegen den IT-Fachkräftemangel

Aktuell sieht sich Grentzer jedoch mit einer neuen Herausforderung konfrontiert: Den Anspruch, Supportanfragen über die gesamte Employee Journey hinweg zu sichern. "Wir erhalten immer häufiger Anfragen, technische Aufgaben zu übernehmen, die eigentlich auf Kundenseite liegen", sagt Grentzer. Der Fachkräftemangel in der IT ist auf Kunden- und Anbieterseite spürbar. Einen Ausweg könnten Plug-in-Lösungen bieten, die den Ressourcenaufwand bei der Implementierung neuer Software auf beiden Seiten reduzieren würden. "Das wäre eine Win-Win-Situation", sagt Grentzer.


Zur Serie: Im "Marktgespräch HR Tech" spricht die Haufe Online Redaktion in regelmäßigen Abständen mit Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen etablierter Softwarehäuser sowie aufstrebender Startups und beleuchtet dabei die Entwicklungen und Trends im Markt für HR-Software.

Schlagworte zum Thema:  HR-Software, Software-Anbieter