Astrologen auf dem HR-Beratermarkt

So mancher Mythos geistert durch die Personalabteilungen - gerade wenn es um psychologisches Wissen geht. Professor Uwe P. Kanning klärt in seiner Kolumne über die Fakten auf. Heute: Warum Astrologen nichts - und wirklich gar nichts - als Berater für HR beitragen können.

Sie wissen nicht so recht, woran Sie einen guten Bewerber erkennen können? Es fällt Ihren Außendienstmitarbeitern schwer, die Kunden erfolgreich über den Tisch zu ziehen? Ihre Manager können sich nicht entscheiden, wann und wo sie demnächst investieren sollen? – Bewahren Sie Ruhe, Ihnen kann geholfen werden. Alles, was Sie mitbringen müssen, sind eine paar hundert Euro, ein gerütteltes Maß Naivität und grenzenlose Ignoranz.

Schamanentänzer, Graphologen, Astrologen als HR-Berater?

Die Einfalt esoterischer Unternehmensberater ist unermesslich. Da ist bestimmt auch für Ihr Unternehmen etwas dabei. Vom Schamanentänzer über Menschen, die Entscheidungen auspendeln oder die Buchstabenfolge eines Namens deuten bis hin zum klassischen Graphologen gibt es beinahe nichts, was es nicht gibt. Die wahrscheinlich älteste Pseudowissenschaft, die bis auf den heutigen Tag hin Jünger um sich schart, ist die Astrologie.

HR als neuer Markt für Astrologen

Schon in grauer Vorzeit schrieben die Menschen den Gestirnen am Firmament einen mystischen Einfluss auf unser Leben zu und so mancher hat bis heute nichts hinzugelernt. Die Anzahl der Gläubigen wurde vor einigen Jahren auf mehr als 25 Prozent der Bevölkerung geschätzt. Bis zu 8.000 Astrologen versuchen, in Deutschland mit ihnen ihr Geschäft zu machen.

Die meisten potentiellen Kunden dürften sich allerdings damit begnügen, hin und wieder beim Friseur ihr Horoskop zu lesen. Davon kann der gemeine Astrologe kaum die Kosten für die nächste Weiterbildung in transzendentaler Familienaufstellung finanzieren. Was liegt da näher, als ein neues Vertriebsfeld zu erschließen, in dem das Geld besonders locker sitzt? Mit kritischen Nachfragen ist vielen Personalabteilungen kaum zu rechnen. In Unternehmen, die in ihrer Personalauswahl dem Prinzip "Menschenkenner" vertrauen und NLP für eine wissenschaftliche Methode halten, hat der Astrologe leichtes Spiel.

Verkaufsargumente der Astrologen

Alle windigen Verkaufsargumente, mit denen sich nahezu jede Methode vermarkten lässt, treffen auch auf die Astrologie zu: 

  • Tradition: seit Jahrtausenden "erforscht" die Astrologie den Einfluss der Gestirne. Wenn Überlebensdauer ein Zeichen für Qualität wäre, müssten Quastenflosser zu den am höchsten entwickelten Lebewesen auf diesem Planeten zählen.
  • Masse: Millionen Menschen glauben an die Astrologie. So viele Menschen können sich grundsätzlich nicht irren, wie ja erst jüngst die Wahl zum US-Präsidenten belegt hat.
  • Scheinprofessionalität: der hoch qualifizierte Astrologe grenzt sich deutlich vom Wald-und-Wiesen-Astrologen ab, indem er mit Himmelskarten, Lineal und Laptop ein Feuerwerk pseudowissenschaftlicher Aktivitäten abbrennt.
  • Mangelnde Verfälschbarkeit: niemand kann die Gestirne zu seinem Vorteil manipulieren und so liefert die Astrologie die angenehme Illusion einer objektiven Analyse.

Astrologie in Personalauswahl, Personalentwicklung, Coaching

Die Angebote reichen von der Personalauswahl über die Personalentwicklung bis hin zur Beratung von Managern. Von einem Bewerber, Kunden oder Geschäftspartner benötigen sie nicht viel mehr als Geburtsdatum, Uhrzeit der Geburt und den genauen Ort des Geschehens und schon kann der versierte Sternendeuter Ihnen sagen, mit welcher Persönlichkeit Sie es zu tun haben.

In der Personalentwicklung lernt die Führungskraft, die Mitarbeiter anhand der Tierkreiszeichen optimal einzusetzen.

Bei Investitionsentscheidungen geht es schließlich um die Frage, an welchem Ort und zu welcher Uhrzeit die Entscheidung am besten zu treffen ist. Wer also beispielsweise in China investieren will, sollte möglicherweise darauf achten, dass Saturn und Venus einander nicht in die Quere kommen. Vielleicht warten Sie lieber noch einen Monat, bis Pluto im dritten Haus des Esels steht.

Forschung zu Astrologie mit vernichtendem Ergebnis

Die Astrologie gehört nicht nur zu den ältesten Pseudowissenschaften, sondern auch zu denen, die am besten widerlegt wurden. Die Argumente und Forschungsergebnisse sind vernichtend.

Hier eine kleine Auswahl an Forschungsergebnissen:

  • Die Zuordnung von Eigenschaften zu den einzelnen Himmelskörpern ist völlig beliebig und entstammt der griechischen Götterwelt. Den Himmelskörper, den wir heute Mars nennen, hätte man ebenso Jupiter taufen können; mit der Konsequenz, dass man ihm eine ganz andere Einflusssphäre zugeschrieben hätte ("Optimismus" statt "Aggression").
  • Die Zuordnung der Tierkreiszeichen zu den Wochen des Jahres stammt aus vorchristlicher Zeit und ist über die Jahrhunderte hinweg um ein ganzes Tierkreiszeichen aus dem Ruder gelaufen. Dieser Prozess setzt sich weiterhin fort. Erst in mehr als 20.000 Jahren hat jemand, der Anfang März geboren wird, tatsächlich wieder im Zeichen der Fische das Licht der Welt erblickt.
  • Der Tierkreis wird in zwölf gleichgroße Segmente, und damit auch das Jahr in zwölf gleichgroße Abschnitte eingeteilt. Dies widerspricht der physikalischen Realität. Manche Sternbilder sind erheblich größer als andere.
  • Zwei Menschen, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort geboren wurden ohne miteinander verwandt zu sein (sogenannte "Zeitzwillinge") unterscheiden sich in ihren Persönlichkeitsmerkmalen ebenso stark wie zwei beliebige andere Personen.
  • Die Übereinstimmung von 500 Astrologen, denen dieselben Geburtshoroskope vorgelegt wurden, betrug im Durchschnitt gerade einmal ein Prozent.
  • Astrologen sind bei der Zuschreibung von Persönlichkeitseigenschaften auf der Grundlage von Geburtshoroskopen so gut wie der Zufall. Herzlichen Glückwunsch!

 Manche Ergebnisse sprechen einfach für sich.



Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.


Schauen Sie auch einmal in den  Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" rein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel zusammenfassend,  warum Manager scheitern oder  warum die Aussagekraft von graphologischen Gutachten ein Mythos ist.