
Fachkräftemangel, Inflation, Digitalisierung, Wettlauf um Skills: Die Herausforderungen für HR-Manager:innen wachsen damit zugleich in die Höhe und in die Breite. Die Mercer Global Talent Trends 2023 Studie zeigt die wichtigsten Trends und Erkenntnisse auf.
Nach fast drei Jahren, in denen die Covid-Krise die Arbeit der Unternehmen und der HR-Abteilungen massiv beschäftigt hat, verändern sich die Rahmenbedingungen: Im Verlauf des Jahres 2022 wurde nicht nur der Fachkräftemangel als solcher zum Thema, sondern der Arbeitskräftemangel insgesamt. Längst sind nicht nur digitale Talente und andere gut ausgebildete Zielgruppen Mangelware; in Handel, Gastronomie und Logistik wurde deutlich, dass auch für vergleichsweise "einfache" Tätigkeiten teilweise so wenig Personal auf dem Markt verfügbar ist, dass Geschäftsmodelle in Gefahr geraten.
Zudem macht der Ukrainekonflikt deutlich, wie vernetzt die Weltwirtschaft ist und wie schnell globale Fragestellungen wie Energieversorgung, Lieferlogistik, Rohstoffpreise und Ernährung auch hierzulande zu spürbaren Krisenherden werden können – mit Effekten wie Inflation und Unsicherheiten an den Aktienmärkten.
Da zudem Risiken wie Klimawandel, globale Migration und digitaler Wandel neben den anhaltenden Auswirkungen der Corona-Krise wieder ins Bewusstsein gerückt sind, scheinen die Herausforderungen massiv und widersprüchlicher denn je.
Einen genauen Blick auf diese Themen wirft die Mercer Studie Global Talent Trends 2023. Sie basiert auf den Global Talent Trends 2022 mit fast 11.000 befragten HR-Expert:innen und einem Update mit einer globalen Befragung von 2.474 HR-Entscheider:innen, darunter 105 HR-Verantwortliche unterschiedlicher Unternehmenskategorien und Branchen aus der DACH-Region.
In der globalen 2022er-Ausgabe hat Mercer fünf Trendthemen identifiziert, die vorwiegend auf den Erfahrungen und Veränderungen der Pandemiezeit beruhen:
- Relevanz und Haltung der Unternehmen
- Partnerschaftliche Zusammenarbeit bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen
- Gesundheit und Wellbeing
- Skills und Employability
- Experience und gemeinsame Energie
Die 2023er-Ausgabe aktualisiert, reflektiert und bewertet diese Themen aus der Perspektive der Personalabteilungen. Diese bezeichnen sich längst nicht mehr überall als HR, sondern oft stolz "People" oder "People & Culture". Das neue Selbstbewusstsein basiert häufig auf den positiven Erfahrungen als anerkannte Krisenmanager:innen während der Pandemie.
Dies zeigt sich auch darin, dass für fast ein Drittel der teilnehmenden HR-Verantwortlichen aus der DACH-Region die Frage am wichtigsten ist, ob sie zukünftig (weiter) mit am Tisch sitzen, wenn über die Business Strategie entschieden wird.
Dieser Wunsch nach Bedeutsamkeit der HR-Rolle ist angesichts der vielschichtigen Herausforderungen bei den People-Themen durchaus angebracht. Und die gute Nachricht ist: Talent ist ein wichtiger Schwerpunkt für CEOs und CFOs, denn sie sehen derzeit eine Rezession nicht als Wachstumshindernis, den Mangel an Talenten allerdings sehr wohl.
Nach der Pandemie – die wichtigsten Themen 2023
Insgesamt wird deutlich, dass wieder andere Themen als zur Hochzeit der Covid-Krise in den Fokus rücken. So ist zwar für 58% der DACH-HR-Manager:innen die Anpassung der Arbeitsweise z. B. an remote oder hybride Rahmenbedingungen nach wie vor ein Thema, eine entsprechende Entwicklung der Unternehmenskultur (59%) und vor allem die Ausrichtung auf eine Skill-basierte Organisation (60%) zeigen jedoch bereits, wie stark der anhaltende Skill- und Fachkräftemangel andere Themen überlagert. Bereits 2022 hatten 70% der Befragten für 2022 eine höhere Fluktuation erwartet – und in Teilen scheint dies tatsächlich eingetroffen zu sein.
Dazu kommen als weitere erfolgskritische Themen für mindestens jeden zweiten befragten HR-Verantwortlichen die nachhaltige Förderung von DE&I (Diversity, Equity, Inclusion) als auch die Umgestaltung von Arbeit und / oder der Organisation – was offensichtlich ebenfalls eine direkte Folge des Skill-Mangels ist.
Konsequenterweise sind die Themen, in denen die HR-Verantwortlichen den Schwerpunkt der Investitionen für 2023 sehen, die Optimierung von Prozessen rund um Skills (Recruiting, Weiterbildung, Nachfolgeplanung), die Erhöhung der Employee Experience für kritische Zielgruppen und die Neuausrichtung der Employer Brand (in der DACH-Region mit 50% aller Befragten noch deutlich wichtiger als im globalen Schnitt). Ebenso sollten die Compensation- Philosophie und -Modelle neu gedacht (gestiegener Druck durch die hohe Inflation) und die Personalplanung verbessert werden, damit Talent-Strategien besser umgesetzt und beispielsweise Recruiting sowie Up- und Reskilling-Instrumente bestmöglich aufgesetzt werden können.
Die Daten zeigen, dass HR einerseits noch die Nachwirkungen sowie die langfristigen Folgen der Covid-Krise meistern muss, gleichzeitig aber auch der Druck aus dem Business steigt, die Instrumente deutlich mehr auf die Gewinnung, Bindung und Entwicklung der so dringend benötigten Skills und Fachkräfte auszurichten. Zumindest ist hier noch kein übervorsichtiges "Sparszenario" erkennbar: Spätestens 2022 wurde deutlich, dass der Arbeitskräftemangel höchstens kurzfristig durch Krisen abebbt, dass er aber umso stärker spürbar wird, wenn die Instrumente in traditioneller Manier bei den ersten Anzeichen einer Konjunkturdelle abgebaut werden.
Wo nehmen People-Portfolio-Manager:innen Platz?
Der Platz am Tisch der Entscheider:innen ist möglich – mit zukunftsweisenden Konzepten. Die Ergebnisse der Global Talent Trends 2023 zeigen, dass die Herausforderungen für HR-Manager:innen breiter geworden sind. Nach dem Covid-19-Krisenmanagement folgt die Sichtbarkeit von intensivem Fachkräftemangel in nahezu allen Branchen. Verstärkt wird dies durch neue Unsicherheitsfaktoren wie Inflation, Kriegen sowie der Energiekrise, Sicher ist, dass 2023 der Skill- und Arbeitskräftemangel weiterhin unnachgiebig präsent ist – und auch der Transformationsdruck macht keine Pause. Bei kleiner werdenden Budgets werden nur HR-Manager:innen und ihre Unternehmen erfolgreich sein, die resilient und kreativ sind und sich schnell an diese Situation anpassen.
Wenn es mit der Transformation trotz allem gelingt, dass die erforderlichen Skills auch bei schneller Veränderung und hoher Volatilität bereitstehen und das Business den Mehrwert von holistischem HR-Management erkennt, dann stehen die Chancen gut, dass HRler:innen als People-Portfolio-Manager:innen dauerhaft mit am Tisch der Entscheider:innen sitzen. Dazu sind jedoch neben Selbstbewusstsein Taten und Ergebnisse Voraussetzung.
Die Mercer Studie Global Talent Trends 2023 können Sie hier herunterladen.