Zeitkonten saldieren Abweichungen zwischen geschuldeter (= regelmäßig vergüteter) und geleisteter Arbeitszeit. Damit weicht das an den Arbeitnehmer ausgezahlte (und dabei verbeitragte und versteuerte) Entgelt von der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung ab. Diese Diskrepanz führt insbesondere im Sozialversicherungsrecht zu Regelungsbedarf hinsichtlich der Synchronisation von Beitragspflicht und tatsächlicher Entgeltzahlung. Denn grundsätzlich gilt im Beitragsrecht das so genannte Entstehungsprinzip, das die Beitragspflicht an das "Erdienen" von Ansprüchen, nicht aber an die Erfüllung der Ansprüche durch den Arbeitgeber, knüpft.

Der Gesetzgeber hat mit der zum 1.1.2009 in Kraft getretenen Novellierung des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen[1], insbesondere die sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen für Zeitkonten mit langfristigem Horizont (Bildung sogenannter Wertguthaben auf Langzeit- und Lebensarbeitszeitkonten) neugestaltet. Dabei hat er vor allem die Sicherung der vom Arbeitnehmer angesparten Guthaben (sowie der darin "gespeicherten" öffentlich-rechtlichen Abgaben) gegen Wertverfall und Insolvenz des Arbeitgebers verstärkt. So müssen sogenannte Wertguthaben, die für Zwecke der Freistellung des Arbeitnehmers jenseits der Abbildung betrieblicher Auslastungszyklen ("Gipfel und Täler") oder der Flexibilisierung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit verbucht werden, früher als bisher gegen das Risiko des Verfalls infolge einer Insolvenz des Arbeitgebers gesichert werden. Wertguthaben müssen als Geldbeträge verbucht werden und dürfen zudem nur so angelegt werden, dass im Zeitpunkt der planmäßigen Freistellung ein Verlust ausgeschlossen erscheint. Des Weiteren muss der Arbeitgeber etwa auch für oberhalb der Bemessungsgrundlage gebildete Wertguthaben Sozialversicherungsbeiträge einkalkulieren, um jedes Risiko auszuschließen, dass im Zeitpunkt der Freistellung die dann fälligen Beiträge nicht abgeführt werden.[2]

Zeitkonten sind im Übrigen im Zusammenhang mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld[3] bedeutsam. Voraussetzung der Gewährung von Kurzarbeitergeld ist insbesondere das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls, der nicht vermeidbar ist.[4] Ein Arbeitsausfall ist danach vermeidbar, wenn er durch im Betrieb zulässige Arbeitszeitschwankungen vermieden werden kann.[5] Da Zeitkonten Schwankungen der Arbeitszeit abbilden, sind Zeitkonten also grundsätzlich vor der Beantragung von Kurzarbeitergeld in Anspruch zu nehmen. Eine Auflösung von Arbeitszeitguthaben kann aber in bestimmten Fällen vom Arbeitnehmer nicht oder nur teilweise verlangt werden. Gemäß § 96 Abs. 4 Unterabsatz 2 SGB III können Arbeitszeitguthaben "stehen bleiben", soweit das Arbeitszeitguthaben

  • vertraglich ausschließlich zur Überbrückung von Arbeitsausfällen außerhalb der Schlechtwetterzeit[6] bestimmt ist und den Umfang von 50 Stunden nicht übersteigt;
  • als Wertguthaben gemäß § 7c Abs. 1 SGB IV für bestimmte Zwecke geführt wird (insbesondere Freistellungen im Rahmen von Pflegezeit, Familienpflegezeit, Elternzeit, Teilzeit, Sabbaticals, Verkürzung der Lebensarbeitszeit vor Altersrente oder Qualifizierungsmaßnahmen);
  • zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-Kurzarbeitergeld angespart worden ist und den Umfang von 150 Stunden nicht übersteigt;
  • den Umfang von 10 % der ohne Mehrarbeit geschuldeten Jahresarbeitszeit übersteigt oder
  • länger als ein Jahr unverändert bestanden hat.
 
Praxis-Beispiel

Abbau von Zeitguthaben

In einem Betrieb werden Arbeitszeitkonten mit einer Schwankungsbreite von maximal 80 Plusstunden und 40 Minusstunden geführt. Es handelt sich nicht um Wertguthabenmodelle i. S. d. § 7c Abs. 1 SGB IV, sondern um fortlaufend geführte Konten zur Berücksichtigung eines wechselnden Arbeitsanfalls und individueller Zeitbedürfnisse. Der Zeitsaldo eines Arbeitnehmers bewegt sich im Plusbereich bei 65 Stunden und hat in den vergangenen 12 Monaten nie den Stand von 30 Plusstunden unterschritten. Im Betrieb wird aufgrund eines Nachfrageeinbruchs aufgrund der Corona-Pandemie Kurzarbeit angeordnet. Da das Zeitkonto einen "Sockel" von 30 Stunden Zeitguthaben aufweist, der ein Jahr bestanden hat, müssen nur 35 Plusstunden abgebaut werden, bevor Kurzarbeitergeld gewährt wird.

Dagegen stellen Zeitkonten das Steuerrecht vor tendenziell geringere Probleme: Denn seit jeher knüpft die Besteuerung an den (tatsächlichen) Zufluss von Vermögenspositionen an, sodass sich bei der Führung von Zeitkonten zunächst lediglich Klarstellungsbedarf ergibt, dass die auf solchen Konten verbuchten Guthaben des Arbeitnehmers noch keine zugeflossenen Entgeltbestandteile sind. Regulierungsbedarf besteht dagegen bei (Geld-)Zuflüssen aus Zeitkonten (Auszahlungen) jenseits der bloßen Finanzierung von Freistellungen bei fortlaufendem Entgelt (Langzeit- und Lebensarbeitszeitkonten). Hier besteht allerdings aufgrund der komplexen Struktur der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen sowie der vielschi...

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