Doch der individuelle Lohn, wie in diesem Fall der Akkordlohn, hat neben steigenden Stückzahlen und sinkenden Stückkosten auch eine Kehrseite. Da er individuelle Anreize setzt, fahren Mitarbeiter kooperatives Verhalten zurück. Kollegen zu unterstützen oder zu der Lösung eines Problems beizutragen, honoriert ein Vergütungsmodell, das auf Akkordlohn ausgerichtet ist, nicht. Auch Wissen weiterzugeben und damit die Produktivität des Gesamtsystems zu steigern, wird ebenfalls nicht vergütet. Wenn man es genauer betrachtet, bestraft diese Art der Bezahlung die Beschäftigten sogar, da eine kollektive Steigerung der Produktivität zu einer Verringerung der Vorgabezeiten führt. Ergo, das eigene Einkommen fällt geringer aus als zuvor – beziehungsweise bedarf es einer höheren Anstrengung, um den gleichen Lohn zu erhalten. Es lohnt sich also, im wahrsten Sinne des Wortes, sein Wissen zurückzuhalten. Ein weiterer Aspekt, der beim Akkordlohn außen vor bleibt, ist die Qualität – denn ausschließlich Quantität zählt.

Und so führten Unternehmen und Organisationen im Laufe der Zeit zusätzliche Instrumente ein, um die negativen Auswirkungen der individuellen Leistungsvergütung auszugleichen. Sie etablierten kontinuierliche Verbesserungsprozesse oder auch ein betriebliches Vorschlagswesen, um mit Sonderzahlungen Mitarbeiter zu motivieren, individuelles Wissen zu teilen. Mehrstufige Qualitätssicherungssysteme wurden eingeführt, um mangelnde Qualität zu identifizieren und einem Mitarbeiter zuweisen zu können. Und es kamen weitere finanzielle Leistungskomponenten hinzu, um Mitarbeiter für "sozial erwünschtes Verhalten" zu belohnen.

Das zeigt, dass aus dem Anspruch, individuelle Leistung zu vergüten und durch extrinsische Motivation zu steigern, enorme Folgekosten entstehen. Um den negativen Auswirkungen der gesetzten Anreize zu begegnen, müssen Arbeitgeber immer kompliziertere Prozeduren entwickeln, die für immer mehr Menschen in der Organisation aber nicht mehr nachvollziehbar sind. Dabei entstehen sogar Maßnahmen und Regelwerke, die konkurrierende oder zumindest widersprüchliche Signale setzen.

Doch wer Verhalten in diesem Sinne zu steuern versucht, übersieht die intrinsische Motivation von Mitarbeitern. "Seit es Management gibt, glauben wir an die Kraft extrinsischer Motivatoren, allen voran Geld. Dabei zeigen uns zahlreiche Studien, dass Motivation etwas ist, dass intrinsisch entstehen muss und Geld maximal ein Hygienefaktor ist. Das heißt Bezahlung kann zu Demotivation führen, wenn sie per se zu niedrig ist oder als unfair empfunden wird – nicht aber zu Motivation im konstruktiven Sinne." So Sven O. Rimmelspacher in seinem Blogbeitrag zur New-Pay- Diskussion.[1]

In dieser Aussage spiegelt sich die 2-Faktoren-Theorie von Frederick Herzberg wider. Herzberg, renommierter US-amerikanischer Arbeitswissenschaftler und Psychologe, stellte diese Theorie Ende der 1950er Jahre auf. Sie differenziert zwischen Motivatoren und Hygienefaktoren. Während sich Motivatoren nach Ansicht Herzbergs aus der Arbeit selbst speisen, werden Hygienefaktoren durch den Kontext der Arbeit bestimmt. Zu den Motivatoren zählen dabei unter anderem Arbeitsleistung, Erfolg, Arbeitsinhalte, aber auch Umfang an Verantwortung und Möglichkeit der persönlichen Weiterentwicklung. Hygienefaktoren sind nach Ansicht Herzbergs Aspekte wie Firmenpolitik und interne Organisation, Führung und Führungsstil, das Verhältnis zur Führungskraft oder eben auch Gehalt und individuelle Arbeitsbedingungen.[2]

Für seine Untersuchung hatten Herzberg und sein Team im Rahmen von Mitarbeiterbefragungen Vorfälle erfasst, die entweder zur Arbeitszufriedenheit oder zur Arbeitsunzufriedenheit von Beschäftigten beigetragen hatten. Ihr Ergebnis: Faktoren, die sich positiv auf die Arbeitszufriedenheit auswirken, sind andere als die, die zur Unzufriedenheit beitragen. Hieraus ziehen sie den Schluss, dass das Gegenteil von Zufriedenheit nicht Unzufriedenheit, sondern "Nicht-Zufriedenheit" sei. Und das Gegenteil von Unzufriedenheit nicht Zufriedenheit, sondern "Nicht-Unzufriedenheit". Was beim ersten Lesen verwirrend klingt, lässt sich bei näherer Betrachtung der nachfolgenden Abbildung nachvollziehen.

Abb. 1: 2-Faktoren-Modell nach Herzberg

Während beispielsweise eine negativ bewertete Unternehmenspolitik oder interne Organisation für große Arbeitsunzufriedenheit sorgen kann (überwiegend links vom Nullpunkt), werden bei der Frage nach Ereignissen, die zur Arbeitszufriedenheit beigetragen haben, andere Aspekte genannt, wie beispielsweise Erfolg, Anerkennung oder Arbeitsinhalt (überwiegend rechts vom Nullpunkt).

Ein sehr prägnantes Beispiel für die konsequente Ausrichtung auf den Arbeitskontext und damit die Hygienefaktoren lieferte uns bereits vor einiger Zeit die Hotelkette MotelOne. Wir sind auf unseren Reisen quer durch den deutschsprachigen Raum oft zu Gast bei MotelOne, denn egal ob in München, Hamburg oder Wien, als Gast weiß man immer, was einen dort erwartet. Die Hotels sind ansprechend gestaltet, di...

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