Das Beurteilungsgespräch ist der wichtigste und schwierigste Teil der Vorgesetztenbeurteilung. Wie bei Gesprächen im Rahmen der Mitarbeiterbeurteilung sollten sich auch hier beide Seiten auf das Gespräch gründlich vorbereiten. Die Vorbereitung betrifft sowohl die "formale" Seite (Zeitpunkt und Zeitdauer, Ort, Unterlagen) als auch die "inhaltliche" Seite (Ziele, Urteil und Bewertung, Argumente und Beispiele) und die "atmosphärische" Seite (Besprechungsklima). Grundsätzlich gelten:

  • Für den Rahmen (Ort) ist in der Regel der Vorgesetzte zuständig. Das Gespräch kann in seinem Büro (in einer "Besucherecke") oder besser noch in einem neutralen Besprechungszimmer stattfinden.
  • Zeitpunkt und Dauer vereinbaren die Gesprächspartner.
  • Die Unterlagen (Beurteilungsbogen, Notizen) bringen die Mitarbeiter mit.
  • Die Ziele der Beurteilung sind von der Unternehmensleitung vorgegeben.
  • Die Gesprächseröffnung übernimmt der Vorgesetzte; die Gesprächsführung ist auf beide Seiten verteilt. (Der Vorgesetzte sollte eine non-direktive Gesprächsführung anwenden.)
  • Für das Besprechungsklima sind beide Seiten verantwortlich, wobei der Vorgesetzte i. d. R. den Haupteinfluss auf das Gelingen des Gesprächs hat.

Beurteilungen und insbesondere Beurteilungsgespräche dürfen nicht "Tage der Abrechnung" sein. Es gehört zu den Führungsaufgaben und zu den Regeln guter Zusammenarbeit, Kritik wegen Fehlentwicklungen, Fehlleistungen und Fehlverhalten ebenso wie Lob wegen besonderer Leistungen oder positiven Verhaltens sofort auszusprechen. Dann werden sie eher akzeptiert und bewirken die angestrebten Änderungen. Wenn in diesem Sinne täglich geführt bzw. zusammengearbeitet wird, verlieren Beurteilungsgespräche oft schon ihre unangenehme Seite.

11.1 Wer eröffnet dem Vorgesetzten die Beurteilung?

Es gibt mehrere Möglichkeiten, dem Vorgesetzten das Ergebnis der Vorgesetztenbeurteilung mitzuteilen:

  • Jeder einzelne Mitarbeiter führt mit seinem Vorgesetzten ein Gespräch und teilt ihm sein Beurteilungsergebnis mit.
  • Der Vorgesetzte trifft sich mit der Gruppe seiner Mitarbeiter, lässt sich die Beurteilung(en) einzeln oder als Gruppenurteil vortragen und diskutiert mit seinen Mitarbeitern die Aussagen.
  • Die Mitarbeiter setzen sich zusammen, stimmen ihre Beurteilungen ab und fassen sie zu einem Gesamtergebnis zusammen. Sie bestimmen einen Sprecher, der das Gespräch mit dem Vorgesetzten führt.
  • Ein neutraler Dritter übernimmt die Rolle eines Coaches oder Moderators. Zunächst moderiert er eine Sitzung, in der die Mitarbeiter ihre Beurteilungen vortragen und dann zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. Dann eröffnet er dem Vorgesetzten dieses Ergebnis.

Welche Vorgehensweise gewählt wird, hängt von der jeweiligen Situation, Konstellation und von der "Reife" der Beteiligten ab:

Hat ein Vorgesetzter nur wenige Mitarbeiter und besteht ein unverkrampftes Vertrauensverhältnis, können Einzelgespräche geführt werden. Der Vorgesetzte erfährt dabei, wann und wie er auf seine Mitarbeiter unterschiedlich wirkt und wo die Übereinstimmungen in den Beurteilungen liegen. Der Vorteil: Der Vorgesetzte erhält ein umfassendes Bild seiner Wirkung auf andere. Auch kann er sich bei seiner Führung besser auf die einzelnen Typen, Charaktere und Wünsche seiner Mitarbeiter einstellen. Er erhält auch interessante Ergänzungen seines Selbstbildes und eine Verringerung seines "blinden Flecks". Nachteile und mögliche Gefahren: Einzelne Mitarbeiter können bei negativen Urteilen spätere Nachteile befürchten und deshalb "geschönte" Urteile abgeben oder – um sich einzuschmeicheln – "Gefälligkeitsurteile" abliefern. Außerdem: Bei einer großen Zahl von direkt unterstellten Mitarbeitern ist dieses Vorgehen sehr zeitaufwändig.

Sind das Abteilungsklima und die Zusammenarbeit gut, können sich Vorgesetzter und alle Mitarbeiter an einem Termin treffen und gemeinsam die Beurteilung(en) besprechen. Vorteile: Der Vorgesetzte erfährt Einzel- und Gruppenmeinungen, kann vertiefende Fragen stellen und auch seine Sicht allen klarmachen. Gemeinsam können die Beteiligten Verabredungen über die weitere Zusammenarbeit treffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass "geschönte" oder "geschmeichelte" Beurteilungen abgegeben werden, ist wegen der "Disziplinierung" durch die Gruppe geringer. Eventuelle Nachteile: Manche Vorgesetzte könnten eine Konfrontation mit der Gruppe befürchten und zum Gegenangriff übergehen. Es kann sich auch ein negativer Gruppenprozess "aufschaukeln", der die weitere Führung und Zusammenarbeit erschwert.

Bei einer großen Zahl von Mitarbeitern ist es rationeller, die Einzelbeurteilungen zusammenzutragen und einen Gruppensprecher zu bestimmen, der das Ergebnis mit dem Vorgesetzten bespricht. Der Vorteil: Diese Vorgehensweise spart Zeit. Der Gruppensprecher trägt ein Gruppenurteil vor und hat bei einer (eher) negativen Beurteilung weniger mit persönlichen Nachteilen zu rechnen. Der Nachteil: Der Vorgesetzte erhält nur ein Gesamtbild; einzelne, vielleicht für ihn wichtige Informationen, kommen nicht zur Sprache. Während der Einführungsphase einer Vorgesetztenbeurteilung und/od...

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