Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer muss sich so verhalten, dass er bald wieder gesund wird und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Er hat alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Denn er hat die Pflicht, auf die Interessen des Arbeitgebers, der schließlich die Entgeltfortzahlung leisten muss, Rücksicht zu nehmen.[1] Gefährdet der Arbeitnehmer den Heilungserfolg durch gesundheitswidriges Verhalten, verstößt er nicht nur gegen seine Leistungspflicht, sondern zerstört auch das Vertrauen des Arbeitgebers in seine Redlichkeit. Das gilt nicht nur bei Nebenbeschäftigungen während der Arbeitsunfähigkeit, sondern auch beim Freizeitverhalten.[2] Leichte Verstöße gegen ärztliche Anordnungen und Verhaltensregeln (z. B. Überschreitung der vom Arzt festgesetzten Ausgehzeit), durch die der Krankheitsverlauf weder verzögert noch die Krankheit verschlimmert wird, rechtfertigen grundsätzlich weder eine ordentliche noch eine außerordentliche Kündigung.[3] Verzögert der Arbeitnehmer durch eigenes schuldhaftes Verhalten den Heilungsprozess, hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob der Arbeitgeber hierauf eine ordentliche oder gar eine außerordentliche Kündigung stützen kann.[4] Leichtere Pflichtverletzungen mit nachteiligen Folgen für den Heilungsprozess rechtfertigen grundsätzlich nur eine ordentliche Kündigung.

Nebenbeschäftigungen während der Arbeitsunfähigkeit können nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)[5] eine verhaltensbedingte Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen, wenn sie aus Gründen des Wettbewerbs den Interessen des Arbeitgebers zuwiderlaufen oder durch sie der Heilungsprozess verzögert wird. Diese Aktivitäten können auch das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstören.[6] Die Mitarbeit eines erkrankten Arbeitnehmers im Betrieb seines Ehegatten rechtfertigt insbesondere dann eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung, wenn durch das Ausmaß oder die Art der Mitarbeit eine schuldhafte Verletzung der Pflicht zu gesundheits- und heilungsförderndem Verhalten vorliegt.[7] Dies gilt ebenso bei einer Mitarbeit im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb.

Eine außerordentliche Kündigung ist nach dem Urteil des LAG München[8] dann gerechtfertigt, wenn ein erkrankter Arbeitnehmer während der Zeit der Krankschreibung Arbeitsleistungen für Dritte erbringt, die zu seinem Aufgabenbereich im Betrieb seines Arbeitgebers gehören. Eine Nebenbeschäftigung in erheblichem Umfang während einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit, die den Heilungserfolg gefährdet, kann ausnahmsweise auch ohne Abmahnung sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.[9]

Auch das Freizeitverhalten des Arbeitnehmers kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. So hat das BAG sogar eine fristlose Kündigung eines Arztes beim MDK für gerechtfertigt gehalten, der in der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit wegen Hepatitis Skifahren in den Alpen war. Denn auch hier war das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört. Erschwerend kam hinzu, dass der als Gutachter tätige Arzt aufgrund seiner Stellung verpflichtet war, alles zu unterlassen, was das Vertrauen Außenstehender in die von ihm zu erbringende Arbeitsleistung erschüttern kann.[10] Nimmt der erkrankte Arbeitnehmer an Veranstaltungen teil, die an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit ähnliche oder vergleichbare Anforderungen stellen wie dessen vertragliche Arbeitspflicht, so kann dies[11] eine verhaltensbedingte ordentliche oder u. U. sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

Nach dem das Kündigungsschutzrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt eine außerordentliche Kündigung nur als letztes Mittel in Betracht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der erkrankte Arbeitnehmer trotz vorheriger Abmahnung durch grob gesundheitswidriges Verhalten (z. B. Besuch einer Nachtbar trotz angeordneter Bettruhe, Trinken von größeren Mengen Alkohol) den Heilungsprozess verzögert.

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