Der Arbeitnehmer, der (Entgelt-)Ansprüche aus erbrachten Überstunden geltend macht, ist für die geleisteten Überstunden in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig.[1]

 
Hinweis

Aufzeichnungspflicht

Überstunden müssen nach der Rechtsprechung des BAG[2] für alle Arbeitsverhältnisse vom Arbeitgeber mit einem Zeiterfassungssystem aufgezeichnet werden. Die Pflicht ergibt sich aus der unionsrechtskonformen Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Wie die Zeiterfassung durchzuführen ist, bleibt aktuell den Arbeitgebern überlassen – welche Anforderungen diesbezüglich zukünftig entwickelt werden, bleibt abzuwarten. Aktuell kann man sich aber sicherlich an den bereits bestehenden Anforderungen von Arbeitszeitaufzeichnungen nach § 16 Abs. 2 ArbZG orientieren. Klargestellt hat das BAG – in Umsetzung der entsprechenden EuGH-Rechtsprechung[3] –, dass es sich dabei um ein "objektives, verlässliches und (auch für die Arbeitnehmer) zugängliches System" handeln muss. Es muss nicht zwingend ein elektronisches System verwendet werden; wie bisher auch sind z. B. Aufzeichnungen in Papierform zulässig. Die Aufzeichnungspflicht kann an die Arbeitnehmer delegiert werden.[4]

Inwieweit diese Entscheidung auch die Beurteilung der Darlegungs- und Beweislast in der arbeitsgerichtlichen Praxis im Hinblick auf den Überstundenprozess ändern wird, bleibt abzuwarten. Nachfolgend wird die derzeit noch geltende Rechtslage dargestellt.

Im Prozess um die Zahlung von Überstundenvergütung hat der Arbeitnehmer substanziiert darzulegen, dass er Arbeit in einem seine regelmäßige Arbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet hat bzw. er sich zumindest auf Weisung seines Arbeitgebers dafür bereitgehalten hat. Darüber hinaus hat der Arbeitnehmer vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat.[5]

Um den mit der Feststellung der konkret geleisteten Überstunden verbundenen Beweisproblemen zu begegnen, hat der EuGH die Mitgliedstaaten verpflichtet, objektive und verlässliche sowie für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugängliche Instrumente und Systeme vorzusehen, um u. a. die Erfassung von Überstunden taggenau messen und verlässlich dokumentieren zu können.[6] Auch vor dem Hintergrund dieser EuGH-Entscheidung sieht das BAG keine Veranlassung, bei Vergütungsklagen von seinen Grundsätzen zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber abzuweichen.[7]

Der Arbeitnehmer hat daher konkret darzulegen, an welchen Tagen in welchem Umfang er Überstunden erbracht hat, dass die Überstunden arbeitgeberseitig angeordnet und für die Erfüllung der geschuldeten Arbeitsleistung erforderlich waren. Aufgrund des Weisungsrechts des Arbeitgebers genügt dabei jedoch der Vortrag, der Arbeitnehmer habe zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort bereitgestanden, um Weisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Im Übrigen ist den Besonderheiten der Leistungserbringung und den betrieblichen Abläufen Rechnung zu tragen.[8]

Der Arbeitnehmer genügt der ihm obliegenden Darlegungslast für die Leistung von Überstunden, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat.[9]

Im zweiten Schritt muss dann der Arbeitgeber substanziiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen – nicht – nachgekommen ist.[10]

Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substanziiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.[11] Die bloße Anwesenheit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz stellt keine Vermutung dar, Überstunden seien erforderlich und vom Arbeitgeber angeordnet.[12] Eine Beweiserleichterung greift ein, wenn aufgrund des Sachverhalts feststeht, dass Überstunden geleistet wurden, z. B. weil die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewiesene Arbeit generell nur durch die Leistung von Überstunden zu erbringen ist. Kann jedoch der Arbeitnehmer nicht jede einzelne Überstunde belegen, muss der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen das Mindestmaß geleisteter Überstunden schätzen, sofern dafür ausreichende Anknüpfungstatsachen vorliegen.[13]

[1] Ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BAG, Urteil v. 4.5.2022, 5 AZR 359/21.
[5] Ständige Rechtsprechung, vgl. dazu m. w. N. BAG, Urteil v. 4.5.2022, 5 AZR 474/21.
[6] EuGH, Urteil v. 14.5.2019, C-55/18, die sich allerdings lediglich mit der Auslegung der maßgeblichen Arbeitszeit-Richtlinie und nicht mit den damit mittelbar verbundenen Entgeltfragen beschäftigt.

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