Die psychologische Seite der Trennung ist nicht zu unterschätzen. Menschen verhalten sich i. d. R. nicht nach sachlichen Gesetzesmäßigkeiten, wenn es um ihre eigene Freisetzung geht. Erfahrungsgemäß sind "Treuebekundungen bis zum letzten Tag" reine Lippenbekenntnisse, die sehr schnell anderen Gefühlen wie Frust, Wut, fehlendem Interesse an dem "alten Arbeitgeber", Depression und Umorientierung Platz machen. Dies ist aus der psychologischen Sicht leicht verständlich und sollte als Grundlagenwissen bei den Agierenden vorhanden sein und – was noch viel wichtiger ist – genutzt werden.

Der Verlauf des "Psychogramms der Trennung" ist recht stabil und wiederholt sich mehr oder minder vergleichbar. Folgende Abbildung zeigt den Verlauf in allen üblichen Phasen; die Kunst ist es, zu erkennen, in welcher Phase sich der Betroffene gerade befindet und ihm entsprechend sensibilisiert zu begegnen.

Psychogramm der Trennung[1]

Die Erfahrung zeigt, dass Sie trotz fairen Verhaltens und formaler Richtigkeit Ihres Handelns schnell in eine "Täterrolle" und die betroffenen Mitarbeiter in einer "Opferrolle" gelangen. Selbst ein "erfolgreich" vollzogener Personalabbau mit 100 % Abschluss von Abwicklungsverträgen, also erfolgten schriftlichen Vereinbarungen über das faire Abwickeln und Akzeptieren der Kündigung, hinterlässt bei den Mitarbeitern das Gefühl des "mich will man nicht mehr". Dieses Gefühl sucht sich sein Ventil in kritischen Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber. Seien Sie also gelassen, wenn Sie trotz hohen Engagements und fairen Verhaltens nicht ganz "ungeschoren davon kommen".

Untersuchungen[2] zufolge erleben Menschen durch eine "überraschende" Kündigung eine Handlungsblockade. Diese ist weitgehend unabhängig von Alter, Geschlecht und beruflicher Schicht.

Die meisten Menschen wurden mit der Erfahrung aufgezogen, dass Beruf und Identität zusammengehören. Für viele Menschen ist ihr Beruf ihre Identität. Eine Kündigung wird daher vielfach auch als Identitätsverlust erlebt. Freigesetzte Mitarbeiter sind deshalb meist unsicher, empfinden Sinnlosigkeit und starke Selbstzweifel. Die Intensität dieses Leereempfindens wird durch die signifikant höhere Suizidrate unter Entlassenen deutlich. Eine solche "statistische Warnlampe" sollte umso mehr dazu führen, Trennungsprozesse mit viel Verantwortungsgefühl und Rücksichtnahme vorzunehmen, ohne dabei das unternehmerische Ziel aus den Augen zu verlieren. Dies ist oftmals eine Gradwanderung, bei der Sie an Stabilität gewinnen, wenn Sie sich folgendem Motto verpflichtet fühlen:

"Ich verhalte mich so fair und rücksichtsvoll, wie es mir in der Situation und unter den wirtschaftlichen Gegebenheiten möglich ist und wie ich selbst behandelt werden möchte!"

Neben der angesprochenen Leere kanalisiert sich das Gefühl von Machtlosigkeit in Wut, die sich in destruktivem Verhalten gegenüber dem Unternehmen niederschlägt. Um ihre Wut und Enttäuschung an das Unternehmen zurückzugeben, verbreiten einige Mitarbeiter Unruhe und stören betriebliche Abläufe und die allgemeine Motivation nachhaltig.

Erfahrungsgemäß ist es einfacher, die entstehende Vakanz vorübergehend intern auszugleichen, als die ständige Beeinflussung der verbleibenden Mitarbeiter durch den im gekündigten Status befindlichen Kollegen motivatorisch in den Griff zu bekommen. Ein Mitarbeiter, der bis zum letzten Tag mit ganzer Kraft und vollem Herzen "bei der Stange bleibt", wird eher die Ausnahme bleiben. Meistens läuft dieser unglückliche Zustand auf eine notwendige bezahlte Freistellung hinaus.

 
Praxis-Tipp

Verhandlungsstrategie

Schicken Sie Ihre gekündigten Mitarbeiter nach der notwendigen Übergabe in eine bezahlte Freistellung. Nutzen Sie dieses "Entgegenkommen" als Verhandlungsbaustein im Abwicklungsvertrag. Dies ist neben einer Abfindung eine der wenigen "Stellschrauben", die Sie haben.

Meist haben die betroffenen Mitarbeiter auch noch zahlreiche Resturlaubstage und ggf. einen Überstundensaldo, die zu einem frühzeitigen letzten Arbeitstag führen. Lange Kündigungsfristen führen regelmäßig nur zu hohen Abfindungen (bzw. hohen Gehaltskosten bei notwendiger Freistellung), weil bei einer Trennung, egal von welcher Seite angestoßen, i. d. R. die schnelle Lösung bevorzugt wird.

Die erhofften langen Vorwarn- und Reaktionszeiten ergeben sich zumeist nicht, da es zu viele Gründe gibt, die gegen eine ungebrochen vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem gekündigten Mitarbeiter sprechen; insbesondere dann, wenn er an einer wichtigen Schnittstelle im Unternehmen sitzt.

 
Praxis-Tipp

Länge der Kündigungsfrist

Überdenken Sie bei Ihren Einstellungen, ob eine Kündigungsfrist, die länger als die gesetzliche ist, wirklich Sinn macht. Nur im Ausnahmefall (z. B. der Bewerber will es unbedingt, die Stelle bedarf einer ausreichenden Übergabe) ist diese sinnvoll und zu empfehlen.

Neben dem Verlauf der Gemütslage bei den betroffenen Mitarbeitern gibt es auch wiederkehrende Verhaltensmuster, die man in fünf große Gruppen unterteilen kann:

  • der Beherrschte
  • der Aggressive
  • der De...

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