1 Allgemeines

 

Rz. 1

Inhaltlich knüpft das ärztliche Beschäftigungsverbot nicht an betriebliche Umstände an, sondern reagiert auf den individuellen, nicht notwendigerweise durch die betrieblichen Arbeitsbedingungen beeinflussten Gesundheitszustand der Frau während der Schwangerschaft (Absatz 1) oder nach der Entbindung (Absatz 2). Relevant ist allein die medizinische Faktenlage auf Basis der individuellen Situation der Frau und die daraus abgeleitete ärztliche Gefährdungsbeurteilung. Die Ursache der Gefährdung, die zum ärztlichen Testat führt, ist unerheblich: Weder der betriebliche Arbeitsplatz noch die konkrete Arbeitstätigkeit der Schwangeren selbst müssen als solche gesundheitsgefährdend sein. Es reicht die Feststellung einer Gefährdung für die Gesundheit der Frau oder des Kindes durch den Arzt. Im zweiten Absatz ist die Anforderung der betrieblichen Leistung durch den Arbeitgeber und die infolge der Geburt verminderte Leistungsfähigkeit der Frau Gegenstand der möglichen ärztlichen Feststellung.

Auch psychische Belastungen der Frau können ein Beschäftigungsverbot begründen.[1]

Die Wirkung eines ärztlichen Zeugnisses kann enorm sein: keine Beschäftigung während der Schwangerschaft (ärztliches Beschäftigungsverbot) und Verpflichtung zur Reduzierung der (Arbeits-)Leistung nach der Rückkehr aus einem nachgeburtlichen Beschäftigungsverbot.

[1] BAG, Urteil v. 7.11.2007, 5 AZR 883/06, AP MuSchG 1968 § 3 Nr. 21 Rz. 16.

2 Beschäftigungsverbot durch ärztliches Zeugnis (§ 16 Abs. 1)

 

Rz. 2

Absatz 1 regelt den vorgeburtlichen Schutz: Wenn nach ärztlichem Zeugnis durch die Fortdauer der Tätigkeit die Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet ist, darf der Arbeitgeber die Frau nicht weiter auf dem Arbeitsplatz beschäftigen. Das Beschäftigungsverbot ist unabhängig von Fristen und daher selbstständig. Das vorgeburtliche Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG stellt auf die Frist vor der Geburt ab. Dieses ärztliche Beschäftigungsverbot nach § 16 ist davon unabhängig und kann daher theoretisch ab Feststellung der Schwangerschaft Wirkung entfalten, wenn die medizinischen Voraussetzungen gegeben sind.

Das Verbot der Beschäftigung besteht aber erst dann, wenn der Arzt eine Gefährdung attestiert mit Wirkung für die Zukunft. Das ärztliche Zeugnis ist für das Beschäftigungsverbot konstitutiv.[1]

Die formalen Anforderungen sind hoch, es muss sich um ein ärztliches Dokument (Gesetzeswortlaut: "Zeugnis") handeln, das

  • konkret das Beschäftigungsverbot ausspricht,
  • den ausstellenden Arzt bezeichnet,
  • aktuell und
  • individuell personifiziert auf die einreichende Arbeitnehmerin ausgestellt ist.

Eine allgemeine medizinische Beschreibung, eine Mitteilung über das Bestehen einer Schwangerschaft an sich oder von vorsorglichen Hinweisen geprägte generelle Umschreibung reichen nicht. Gleiches gilt für Dokumente, die nicht von einem Arzt ausgestellt sind, etwa eigene Erklärungen oder Stellungnahmen einer Hebamme. Die Beschäftigung muss kausal sein für die Gefährdung, also die Ursache für die Gefährdung bilden. Sie muss sich durch ein Beschäftigungsverbot beseitigen lassen.

Das ärztliche Zeugnis muss die individuelle gesundheitliche Lage der Patientin zugrundelegen, ohne jedoch dem Arbeitgeber medizinische Befunde oder persönliche, geschützte Daten zu offenbaren.

Dabei genügt es nicht, ein im Internet heruntergeladenes Dokument vorzulegen.

Ein Beschäftigungsverbot darf nur dann ausgesprochen werden, wenn die Fortdauer der Beschäftigung Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind gefährden würde. Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot in Wahrheit nicht vorgelegen haben, liegt beim Arbeitgeber.

Der Arzt der Schwangeren hat zwar die Fragen des Arbeitgebers nach dem Umfang des Beschäftigungsverbots, nicht aber die Fragen nach den Gründen für den Ausspruch des Beschäftigungsverbots zu beantworten. Angaben über den Gesundheitszustand und über den Verlauf der Schwangerschaft gehören nicht in das ärztliche Zeugnis hinein. Durch einfaches Bestreiten kann der Arbeitgeber nicht erreichen, dass die Schwangere oder ihr Arzt Angaben dazu macht und sie ihren Arzt von der Schweigepflicht entbindet.[2]

Das ärztliche Beschäftigungsverbot muss dem Arbeitgeber zugehen und er muss davon Kenntnis erlangen. Es bedarf jedoch keiner weiteren Zwischenschritte oder eigenen Bewertungen durch den Arbeitgeber.

Bescheinigt ein Arzt einer schwangeren Arbeitnehmerin ein Beschäftigungsverbot, so hat er auf Verlangen des Arbeitgebers mitzuteilen, von welchen tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin er bei Erteilung seines Zeugnisses ausgegangen ist, welche Einschränkungen für die Arbeitnehmerin bestehen und ob krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat.[3]

Ein Rechtsmittel gegen das Beschäftigungsverbot ist nicht vorgesehen. Der Arbeitgeber kann allenfalls durch ein weiteres medizinisches Zeugnis die Einschätzung revidieren lassen oder das Beschäftigungsverbot auf bestimmte Gefahrenbereiche, Orte oder Zeiten begrenzen lassen.

Will der Arbeitgeber das Beschäftigungsverbot wegen objektiv begründbarer Zweifel nich...

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