Rz. 81

Der Arbeitgeber hat nach § 9 Abs. 3 Satz 2 geeignete Bedingungen zum Hinsetzen, Hinlegen und Ausruhen zu schaffen. Hier greift die konkrete Vorgabe der Technischen Regel für Arbeitsstätten, Vorschrift für Pausen- und Ruheräume.[1] Die Nutzung getrennt nach Frauen und Männern ist dabei räumlich oder organisatorisch sicherzustellen. Der Raum muss verschließbar, nicht einsehbar und verdunkelbar sein. Für die Zeit der Nutzung der Liegen ist eine Nutzung des Raums durch andere Personen (z. B. als Pausenraum, Büro, Arztzimmer) nicht zulässig. Liegen müssen gepolstert und mit einem wasch- oder wegwerfbaren Belag ausgestattet sein.

Als besondere im Gesetzestext in Abs. 3 Satz 2 konkretisierte Obliegenheit hat der Arbeitgeber für eine werdende Mutter Sitzgelegenheiten zum kurzen Ausruhen bereitzustellen. Damit muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass sich die schwangere oder stillende Frau während der Pausen und Arbeitsunterbrechungen unter geeigneten Bedingungen hinlegen, hinsetzen und ausruhen kann. Die Regelung entspricht damit inhaltlich § 6 Abs. 3 Satz 4 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV).

 

Rz. 82

Damit sollen körperliche Ausgleichsmöglichkeiten geschaffen werden, ohne dass hierfür eine spezielle Einschätzung vorausgehen muss. Den Arbeitgeber trifft die Pflicht, entsprechende Voraussetzungen zu schaffen und entsprechende Räumlichkeiten bereitzustellen. Er muss Platz schaffen, um die Sitz- und Ruhegelegenheiten unterzubringen, was bei bestimmten betrieblichen Konstellationen eine Herausforderung darstellen kann, zumal die Sitzgelegenheit in räumlicher Nähe zum konkreten Arbeitsplatz sein muss und nicht noch eigens Wegstrecken zurückgelegt werden müssen. Die Sitzgelegenheit muss unmittelbar erreichbar und benutzbar sein, und zwar während der Arbeitszeit.

Die Anforderungen an eine Sitzgelegenheit sind pragmatisch auszulegen. Oft reicht ein einfacher Hocker oder greifbarer Stuhl, um den körperlichen Entlastungseffekt des Sitzens zu erreichen. Das Sitzen muss als Teil des Ausruhens erfolgen und nicht als Teil der Tätigkeit. Nur so kann der Schutzzweck der Norm erfüllt werden.

 

Rz. 83

Die Schwangere muss die Möglichkeit haben, die Sitzgelegenheit unmittelbar zu nutzen und in zumutbarer Entfernung/Wegstrecke und Zeit zu erreichen. Dazu müssen die Arbeitsabläufe so gestaltet sein, dass eine jederzeitige, durch die individuelle Entscheidung der Schwangeren herbeigeführte und in der Länge bestimmte Unterbrechung technisch möglich ist, ohne den Produktionsablauf zu stören oder gar materiellen Schaden anzurichten.[2] Zur unmittelbaren Nutzungsmöglichkeit gehört auch, dass nicht erst ein Vorgesetzter um Erlaubnis gefragt werden muss; die Dispositionsfreiheit liegt allein bei der Schwangeren, die auf die Möglichkeit des Ausruhens nach eigener körperlicher Verfassung zurückgreift und entscheidet.

 

Rz. 84

Die allgemeine arbeitsvertragliche Treuepflicht[3] bestimmt, dass die Schwangere die Ruhemöglichkeit nicht ohne Anlass nutzen darf; die Vorschrift dient nicht einem allgemeinen Erholungsbedürfnis oder Ausgleich sonstigem, nicht in der Schwangerschaft begründetem Unwohlsein. Sofern die Voraussetzungen des Schwangerschaftsschutzes vorliegen, bleibt der Vergütungsanspruch ungemindert, da eine in der Besonderheit der Schwangerschaft begründete vorübergehende Nichtleistung vorliegt (§ 616 BGB).

 

Rz. 85

Abs. 3 Satz 1 spricht von "kurzen" Unterbrechungen ohne eine konkrete zeitliche Vorgabe zu machen, wobei hier sicherlich eine Arbeitsunterbrechung von wenigen Minuten zu verstehen ist. Die Definition ist jedoch nach dem Normzweck, dem körperlichen Erholungsbedürfnis einer Schwangeren oder Stillenden, und nicht nach arbeitsorganisatorischen Anforderungen zu bestimmen. Die Schwangerschaft und die damit verbundene körperliche Disposition bestimmt, was unter einem "kurzen Ausruhen" zu verstehen ist. Eine technische Anleitung oder nach Minuten definierte Vorgabe hierzu ist entbehrlich, da das Ruhebedürfnis individuell ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass durch das Ausruhen die Arbeitskraft wiederhergestellt wird und die Schwangere zur Tätigkeit zurückkehrt. Ein kurzes Ausruhen kann daher auch während einer Arbeitsschicht mehrfach zulässig sein.

 

Rz. 86

Nur ein gänzlicher Ausfall der Beschäftigten – wenn also das Ausruhen die Arbeitsfähigkeit nicht wiederherstellen würde – wäre nicht nach Abs. 3 zu beurteilen, sondern könnte ein Sachverhalt sein, in dem ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden könnte. Nach Abs. 3 steht der Verbleib der Schwangeren in der Arbeitsorganisation im Vordergrund. Die Regelung soll geringfügige Beeinträchtigungen ausgleichen.

[1] ASR A4.2, zuletzt geändert GMBl 2022, S. 251.
[2] Zmarzlik/Zipperer/Viethen/Vieß, § 2 MuSchG, Rz. 17 f.
[3] BAG, Urteil v. 9.2.2006, 6 AZR 47/05; BAG, Urteil v. 12.8.1999, 2 AZR 55/99 sowie BAG, Urteil v. 17.7.1970, AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG bei einer willkürlichen Zurückbehaltung der Arbeitsleistung.

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